Wie man unter dem Menüpunkt „Mein Projekt“ unschwer erkennen kann, ist das Haupttätigkeitsgebiet der DonBosco-Mission in Keela Eral das „Don Bosco College of Arts and Science“. Das College für Studenten, die die 12. Klasse erfolgreich abgeschlossen haben, befindet sich noch immer im Entwicklungsprozess. Erst vor gerade einmal vier Jahren besuchten die ersten Studenten das College. Seitdem haben zwei Jahrgänge ihren dreijährigen Studiengang mit einem Bachelor abgeschlossen. Der Campus befindet sich in ständiger Veränderung. So wurde beispielsweise während meines Aufenthaltes auf das Hauptgebäude ein weiteres Stockwerk draufgesetzt und mit dem Bau eines weiteren Gebäudes begonnen. Um die 800 Studenten im Alter von ca. 17 bis 24 Jahren besuchen zurzeit das College. Die Kapazität soll mit dem Bau weiterer Gebäude und der Bekanntmachung des Colleges in baldiger Zukunft auf ungefähr 2000 Studenten erhöht werden. Finanziert wurden und werden übrigens die Gebäude zu einem großen Teil von der „Don Bosco Mission“ aus Bonn in Deutschland.

Mit dem Angebot des Colleges eröffnete man den vielen jungen Erwachsenen aus der ländlichen Region einen weiteren Bildungsweg. Das College ist das einzige seiner Art im Umkreis von ca. 35 km und so würden nur wenige der Studenten ein anderes College besuchen, würde es eben nicht das „Don Bosco College of Arts and Science“ geben. Dies trifft in vornehmlicher Weise auf die weiblichen Studentinnen zu. Die Studenten wohnen entweder im Hostel oder kommen aus den Dörfern und Städten der ländlichen und ärmeren Region rund um Keela Eral. Da nicht alle die Studiengebühr aufbringen können, gibt es einige Hilfsprojekte, um auch den Studenten aus ärmeren Familien den Zugang zu guter Bildung zu ermöglichen. Beispielsweise erhalten Studenten, die in den umliegenden Dörfern abends die Nachhilfezentren leiten, Vergünstigungen. Genauso gibt es nach Collegeschluss (um 14:30 Uhr) auch noch einige Aufgaben zu erledigen wie das Fegen der Gebäude und andere ähnliche Tätigkeiten, die mit einem Lohn bzw. Vergünstigungen bei der Studiengebühr honoriert werden. Es werden insgesamt sechs verschiedene Bachelor- und ein Masterstudiengang am College angeboten. Bei den Bachelorstudiengängen handelt es sich um englische Literatur, Betriebswirtschaft, Handelswesen, Mathematik, Informatik und tamilische Sprache und Literatur*. Zudem wird eben noch ein Master der englischen Literatur angeboten. Man könnte meinen, dass das relativ wenige sind. Jedoch gibt es in Indien keine schier unendliche Vielfalt an Studiengängen wie man es aus Deutschland kennt. Außerdem findet hier noch klassischer Unterricht und keine Vorlesungen statt.

Um endlich zum eigentlichen Grund dieses Blogbeitrags zu gelangen: Vor Antritt unseres Freiwilligendienstes wurde uns gesagt, dass wir auch am College unterrichten werden. Wer meine vorigen Blogbeiträge seit September aufmerksam verfolgt hat, der weiß, dass dem aber nicht so war. Von September bis Dezember unterrichtete ich die Ordensschwestern und junge Erwachsene in einem separaten „Spoken English Course“ und seit Januar unterrichte ich in der Grundschule. Ehrlich gesagt, habe ich gedacht, dass sich bis zu meiner Ausreise Mitte August daran auch nicht mehr viel ändern wird, aber „Falsch gedacht“!

Mitte Juni begann nämlich das neue Semester mit einigen neuen Studenten. Da viele Examina in Englisch geschrieben werden, gibt es für die sogenannten „First-Years“ aller Studiengänge einen zehntägigen Englischkurs. Verantwortlich für diesen Kurs war die englische Lehrerfachschaft. Allerdings hatten diese einen personellen Engpass, da während des Kurses auch noch die „Second- und Thirdyears“ (Studenten, die bereits seit einem oder zwei Jahren am College studieren) unterrichtet werden mussten. Deshalb wurden Felix und ich gefragt, ob wir zwei Unterrichtseinheiten übernehmen könnten. Wir sagten natürlich zu, da wir beide insgeheim gehofft hatten, eines Tages am College noch in irgendeiner Weise mitwirken zu können. So unterrichteten wir einmal die Mädchen, die Handelswesen studieren, und die Jungs, die Informatik studieren. Die Mädels sollten wir im Alltagsenglisch unterrichten, sprich: ihnen beizubringen, wie man sich vorstellt, welche Redewendungen gerne benutzt werden und ähnliches.

Bei den Jungs hingegen lag die Aufmerksamkeit auf der Aussprache – vergleichbar mit dem „Reading Practice“ bei den Jungs im Hostel, bei dem man englische Sätze vorliest und auf die korrekte Aussprache achtet. Im Grunde lässt sich sagen, dass die Mädels deutlich einfacher zu unterrichten waren. Das lag einerseits an dem Inhalt, den man vermitteln musste, und andererseits an dem Verhalten der Studentinnen. Vor allem zu Beginn waren die Mädels sehr schüchtern und gehorsam, was sich aber auch im Lauf der Tage etwas änderte. Dies lag vor allem daran, dass wir Jungs und sie Mädels sind. In Indien wird vor allem in diesem speziellen Alter auf strenge Trennung von Jungs und Mädchen geachtet und man sieht keine jugendlichen Pärchen öffentlich am College oder im Dorf herumlaufen. Dies baute eine kleine Barriere zwischen uns auf, was uns aber sehr dabei half, unseren Unterricht durchzuziehen. Ganz anders bei den Jungs, die in uns eher den gleichaltrigen Kumpel als den Collegelehrer sahen. Verständlicherweise … Vor allem den Jungs, die auch gleichzeitig im Hostel sind und mit denen wir täglich spielen und herumalbern, war es schwer zu vermitteln, dass im College diese Beziehung für eine Stunde pro Tag auf Eis gelegt werden musste. Die Jungs machten es uns nicht leicht, da sie mehr an unserer Person als an unserem Unterricht interessiert waren. Ständig wurden private Fragen gestellt, anstatt dem Unterricht zu folgen. Mich ärgerte das, vor allem da in Indien die Schüler traditionell den Lehrern viel mehr Respekt entgegenbringen als ich es aus meiner eigenen Schulzeit in Deutschland gewohnt war. Bei uns war dies allerdings nicht der Fall. Trotzdem bemühten wir uns, die Jungs auf eine gute Aussprache zu trimmen und ihnen zumindest ein etwas beizubringen.

Wie ich oben schon habe anklingen lassen, war auch der Unterrichtsinhalt bei den Mädchen einfacher und kreativer zu vermitteln als es bei den Jungs der Fall war. Während bei der Ausspracheübung vor allem stumpf Sätze auf- und nachgesprochen wurden, konnten wir beim Alltagsenglisch viel mehr eigene Ideen einbringen und hatten später dann auch ein ausführliches Englischbuch zu Verfügung, welches von Father Michael –  dem Kopf der Englischfachschaft – erstellt wurde. So ließen wir beispielsweise Dialoge auswendig lernen und vor der Klasse aufsagen. Dies sollte den Studentinnen vor allem auch die Angst nehmen, Englisch zu reden. Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich weigerten sich zwei Mädchen am ersten Tag ihren Dialog aufzusagen. Außerdem bereiteten wir die Studentinnen auch etwas auf das anstehende Examen vor. Für dieses sollten sie beispielsweise sogenannte „Exclamation-Words“ wie „marvellous“ oder ganze Sätze wie „That’s very kind of you.“ wissen usw. .

Wie eben erwähnt standen am Ende des zehntägigen Kurses kleine Examina an. Es handelte sich hierbei zwar nicht um zeugnisrelevante Klausuren, bei der eine Mindestpunktzahl erreicht werden musste, sondern lediglich um einen Test zur Überprüfung der Leistungen und um die Verdeutlichung der Wichtigkeit des Englischkurses bzw. der englischen Sprache im Allgemeinen. Am vorletzten Tag wurden die schriftlichen Klausuren geschrieben. Felix und ich hatten bei unseren beiden Klassen jeweils eine Stunde Aufsicht, was sich als relativ entspannt herausstellte, da nur wenige Blicke auf die Papiere der Sitznachbarn wanderten.

Am Samstag – ja, College ist in der Regel auch samstags – genauso wie Schule! – standen dann die mündlichen Prüfungen an. Felix und ich waren für unsere Jungs vom Informatikstudium verantwortlich. Ziel war es, die Studenten zum Sprechen zu bekommen. Wir hatten einen kleinen Fragekatalog, den wir als Unterstützung nutzten. So nahmen sich Felix und ich jeweils getrennt für jeden Schüler ca. 5 Minuten Zeit. Zuerst sollten sich die Schüler vorstellen, und dann auf Fragen und Anregungen wie „Erzähl doch etwas über deine Schulzeit!“ oder „Wer ist dein Vorbild und warum?“ antworten. Am Ende der Zeit sollten wir die Jungs auf einer Punkteskala von (0 – 25) Punkten bewerten, was wir auf Anweisung der Lehrer großzügig machten. Allerdings stellte ich fest, dass tiefergehende Gespräche mit kaum einen der Schüler möglich war und bei einigen Studenten selbst 5 Minuten zu unendlich langen 300 Sekunden werden konnten. Zum Schluss blieb nur noch unser Appell, weiterhin Englisch zu lernen. Mit den von uns ausgehändigten Unterrichtsmaterialien haben sie gute Vorrausetzungen zuhause selbst am Ball zu bleiben.

Nun, nachdem der zehntägige Kurs vorbei ist und die neuen Studenten jetzt ihrem eigentlichen Studienfach nachgehen, fahre ich wieder jeden Morgen in die Grundschule nach Bommaya Puram, wo sich das Unterrichten zwar meist anstrengender, aber auch spaßiger und erfüllender gestaltet. Dennoch bin ich sehr dankbar und froh darüber, diese Erfahrung gemacht zu haben. Ich wäre zugegebenermaßen etwas enttäuscht gewesen, hätte ich ein Jahr lang auf dem College-Campus gewohnt, aber tatsächlich nicht eine Stunde selbst dort unterrichtet. Nach der Lehrerfahrung mit den teils älteren Ordensschwestern (eine war älter als 50) und den jungen Grundschulkids konnte ich nun eine weitere Erfahrung mit Gleichaltrigen sammeln. Dass ich drei komplett verschiedene Altersgruppen beim Englischlernen unterstützen werden, damit habe ich bei Antritt des Freiwilligendienstes beim besten Willen nicht gerechnet. Allerdings scheint das Thema College noch nicht gänzlich vom Tisch für uns. Und zwar informierte uns Father Rayan, der Schulleiter des Colleges, über das Interesse einiger Schüler an einem Deutschkurs. Wir erklärten uns dafür bereit, bei entsprechender Nachfrage und sehr guten Englischkenntnissen täglich einen einstündigen Deutschkurs am College zu geben. Ob dies passieren wird, ist jedoch noch recht fraglich. Schließlich sind wir nur noch anderthalb Monate hier und außer einer wagen Anfrage, gab es noch keine konkreteren Gespräche. Sollte der Kurs aber tatsächlich realisiert werden, so wird dazu noch ein weiterer Blogbeitrag folgen …

 

*Die Bezeichnungen der Studiengänge wurden von mir sinngemäß und nicht wortwörtlich übersetzt. Beispielsweise heißt der Studiengang, den ich als Informatik übersetzt habe, „Bachelor of Computerapplications“ und hat auch Überschneidungen mit diesem Themenbereich. Allerdings sind trotzdem beide Studiengänge nicht gleichzusetzen – vor allem mit dem Hintergrund der unterschiedlichen Bedingungen in Indien und in Deutschland.