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Gerade noch rechtzeitig, aber viel zu früh!

Es ist kalt draußen, richtig kalt! Offensichtlich bin ich nicht mehr im wohltemperierten Uganda, sondern zurück in Deutschland.

Aufgrund der Corona-Krise mussten im Rahmen der Rückholaktion der Bundesregierung alle deutschen Freiwilligen im Ausland zurück nach Hause. Diese unvermeidliche Konsequenz bedauerte ich sehr, andererseits war ich wirklich froh gerade noch rechtzeitig einen der letzten Flüge nach Deutschland bekommen zu haben.

Dieser vermutlich finale Blogeintrag erscheint erst 3 Wochen nach meiner Rückkehr, da ich aus meinem Freiwilligendienst noch Malaria mitgenommen habe. Doch inzwischen bin ich wieder wohlauf und mir geht es gut. Jetzt kann ich Euch allen sogar noch Frohe Ostern wünschen!

Mein Freiwilligendienst endete 5 Monate früher als geplant. Genau wie viele andere wurde ich von den heftigen Maßnahmen gegen Corona komplett überrascht. Noch vor kurzem war Corona für mich ein abstraktes Problem, bis vor einem Monat die ersten besorgniserregenden Nachrichten der deutschen Botschaft in Uganda bei mir eintrudelten. Doch erst als Österreich seine Freiwilligen zurückrief und in meinem Projekt spekuliert wurde, ob die Schulen Ugandas bald schließen würden, wurde mir der Ernst der Lage voll bewusst.

Ich hatte weniger Angst vor dem Virus selbst, als vielmehr vor einem möglichen Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Versorgungsstrukturen, und allen daraus erwachsenden Konsequenzen. Auch bei den Salesianern kam diese Angst zur Sprache und wir hörten, wie in vergangenen Krisen Einrichtungen beinahe geplündert worden wären und wie Salesianer sich nicht mehr sicher fühlten. Spätestens als der Direktor unserer Einrichtung bereits ein Szenario einer Menschenmenge zeichnete, die wegen Hungers in die Einrichtung einfallen könnte, wurde mir wirklich klar wie kritisch die Lage werden könnte. Als mich dann auf der Straße erste Rufe „Coronavirus“ ereilten, merkte ich, dass sich allmählich auch die allgemeine Stimmung gegenüber uns als Europäer (als potentielle „Viruseinschlepper“) änderte.

Schmerzlicher Rückblick

Schmerzlich blicke ich zurück, da nur wenige Wochen zuvor die für mich beste Zeit im Projekt begonnen hatte.

Im vergangenen Schuljahr bis Dezember unterrichteten Tim und ich ausschließlich Sport in der Grundschule. Nach der Rückkehr der Studenten aus den Ferien Mitte Februar versuchte ich gleich zu Beginn eine Mathenachhilfegruppe zu eröffnen. Aufgrund des Stundenplans und der Vielzahl an Schülern (teilweise bis zu 80 Schüler pro Klasse) hat sich daraus ein Matheunterricht mit lebendiger Fragerunde entwickelt.

In meinem Unterricht versuchte ich nicht, wie zuvor bei anderen Lehrern beobachtet, etwas nach Schema an die Tafel zu schreiben und es die Schüler auswendig lernen zu lassen, sondern einen direkten Austausch mit Diskussion zu starten. Anfänglich hatten die meisten Schüler damit große Schwierigkeiten. Sie waren es gewohnt nur Aufgaben nach einem bekannten Muster zu lösen.

Daher war meine erste Stunde noch sehr chaotisch. Wie ich später erfuhr, hatte ich mit „Vektoren“ auch noch ein recht unbeliebtes Thema gewählt. In den nächsten Stunden behandelte ich kreuz und quer die Fragen der Schüler zu verschiedensten Themen, wie Trigonometrie und Statistik. Dies war auch für mich spannend, da ich all mein Schulwissen abrufen musste. Und die dabei schnell steigende Beteiligung zeigte mir, dass mein Angebot immer besser angenommen wurde.

Allerdings musste ich häufig feststellen, dass vielen der Schüler ein grundlegendes Interesse an den Naturwissenschaften fehlt, welches über das Examen hinausgeht. In den höheren Klassen (also das Äquivalent von 10.-13. Klasse bei uns) schien dieses Interesse der meisten sogar gegen Null zu tendieren mit nur wenigen Ausnahmen.

In den jüngeren Klassen, welche ich ebenfalls unterrichtete, war das Interesse immerhin deutlich größer und mein Vorschlag querbeet Fragen der Schüler zu beantworten, wurde dankend angenommen. Einige der besonders interessanten Fragen waren beispielsweise, ob Aliens existierten, wie weit entfernt von der Erde Menschen im All bereits gekommen sind, wie Viren krank machen oder wie Hurrikans entstehen.

Im Nachhinein wirkt es auf mich ironisch, dass ich auch viele Fragen zum Corona Virus beantwortete, ohne dass ich dabei auf die Idee gekommen wäre, dass es mich auch selbst betreffen könnte.

In den vergangenen Tagen hier zu Hause habe ich mich auch gefragt, wie viele interessante Dinge ich dort wohl verpasst habe durch den vorzeitigen Abbruch. Besonders bedauere ich, dass die Sportwettkämpfe und das Training der Mädchen-Volleyballmannschaft, dessen Übernahme ich bereits geplant hatte, nun nicht mehr möglich waren. Da ich beinahe täglich etwa zwei Stunden begeistert mit den Schülern Volleyball spielte, bedauere ich besonders diesen Punkt zutiefst. Ich hatte mir erhofft, dass das Training und die Wettkämpfe mich und die Schüler noch mehr zusammenschweißen würden.

Abschied und Abreise

Am Wochenende vor unserer Abreise wurden kurzfristig alle Schüler und Studenten im Land prophylaktisch nach Hause geschickt, so dass unser Abschied bei den Schülern leider nur aus einer kleinen Rede und dem Schießen vieler Fotos bestand. Immerhin konnten wir uns von den Fathers bei einem großen Abendessen einigermaßen ordentlich verabschieden.

In den letzten Tagen vor unserer Abreise wurde es immer ruhiger, so dass ich in meinen Gedanken zunehmend bereits schon zurück bei meiner Familie war. Bis dahin hatte ich, mit Ausnahme von Weihnachten, nie wirklich schlimmes Heimweh gehabt, doch die Aussicht meine Familie schon sehr bald wieder zu sehen, änderte dies abrupt.

Diese Gemütslage wurde durch die chaotische Planung unserer Rückreise noch verstärkt. Bis zum letzten Augenblick waren wir unsicher, ob unser Rückflug überhaupt freigegeben werden würde. Nur einen Tag zuvor hatte der Präsident in einer Rede die Schließung des Flughafens bekannt gegeben. Allerdings versicherte uns die deutsche Botschaft, dass KLM trotz allem fliegen würde. Zudem wussten wir, dass unser Anschlussflug von Amsterdam nach Frankfurt storniert wurde. Wir und unsere Familien versuchten bereits Alternativen zu finden, als uns am Check-In die Information erreichte, dass KLM unseren Flug automatisch auf einen der nächsten Flüge umgebucht hatte.

Angesichts von diesem Chaos und dieser Ungewissheit, verlief die eigentliche Reise fast ohne Komplikationen und ich konnte 36 Stunden nach meinem Aufbruch in Uganda in mein altes Bett zu Hause fallen.

Inzwischen bin ich dabei mich in Deutschland wieder einzuleben. Der „Rückkehrer-Schock“ wurde mir wohl dadurch erspart, dass ich durch die schwierige Situation vor der Abreise dann nur noch nach Hause wollte und erst gar keine wehmütigen Abschiedsgefühle entwickeln konnte.

Ende gut, fast alles gut?

Insgesamt denke ich, dass sich mein Freiwilligendienst im Ausland sehr gelohnt hat. Ich habe mich in einem unbekannten Umfeld mit ganz neuen Erfahrungen selbst viel besser kennengelernt und ich glaube auch weiterentwickelt. Genau dies war ja zum Anfang auch mein wichtigster Beweggrund für das FSJ, so dass ich nun im Nachhinein sehr glücklich mit meiner Entscheidung bin. Die Tatsache, dass mein gesamter Jahrgang seinen Freiwilligendienst im Ausland leider verkürzen musste, ändert aber nichts daran, dass trotzdem fast alle für das ganze Jahr geplanten Kosten angefallen sind. Daher möchte ich mich schon einmal ganz herzlich für die bisher von Euch eingegangenen Spenden bedanken!

Leider sind durch die Verkürzung aber insgesamt deutlich zu wenig Spenden in meiner Don Bosco Gruppe zusammen gekommen. Auch habe ich nun deutlich weniger Zeit, um für weitere Spenden zu werben. Aktuell besteht die Gefahr, dass dieses oder nächstes Jahr keine oder nur deutlich weniger Freiwillige entsendet werden können. Deshalb würde ich mich über jede weitere Spende von Euch an mein Spendenkonto bei Don Bosco Volunteers freuen, damit über dieses Programm auch in Zukunft Freiwillige viel über die Welt und sich selbst lernen können, so wie ich es durfte!