Im letzten Blogeintrag habe ich euch einen kleinen Überblick über das Projekt hier in Villa Regina verschafft. Die Einrichtungen, in denen Anna und ich arbeiten, sind die Heime, vor allem das Hogar Niño Jesús und das Hogar San José, also die Heime der jüngeren Kinder, und das Oratorio Jesús Buen Pastor im Barrio El Sauce. Über diese beiden Einrichtungen würde ich gerne, wie versprochen, ein wenig mehr berichten, jetzt also zu den Hogares:

Mir macht die Arbeit in den Heimen unglaublich viel Spaß. Ich muss zugeben, dass das natürlich auch nicht immer so war. Anna und ich arbeiten nämlich in der Schulzeit nur morgens in den Heimen. Von 9 bis ca. 11 Uhr helfen wir den jüngeren Kindern (1.-3. Klasse), die nachmittags zur Schule gehen, bei den Hausaufgaben und bei der Nachhilfe und verbringen dann, wenn noch Zeit bleibt, die Zeit bis zum Mittagessen um 12 Uhr mit Spielen und Armbänderknüpfen. Nach dem Mittagessen nehmen wir uns eine kurze Mittagspause, bevor wir zum Oratorium aufbrechen, das um 14 Uhr beginnt. Bei den Mädchen bleibe ich meistens noch ein wenig länger, helfe ihnen, sich für die Schule fertig zu machen und flechte ihnen die Haare. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass Anna und ich in den Heimen nicht gemeinsam arbeiten. Um Annas Spanisch zu fördern und auch, weil wir in beiden Heimen aktiv sein wollten, arbeiten wir beide in beiden Heimen abwechselnd. Also ich montags bei den Jungs und Anna bei den Mädchen, ich dienstags bei den Mädchen und Anna bei den Jungs, usw.
In dieser kurzen Zeit, die ich täglich, bzw. nur alle zwei Tage, mit den Kindern verbracht habe, fiel es mir schwer, mich an die Kinder zu gewöhnen und mich in den Heimen wirklich wohl zu fühlen. Das fällt mir so allerdings erst im Nachhinein auf, in der Zeit war das alles aufregend und neu. Aber der Fokus unserer Arbeit lag einfach auf dem Oratorium und ich merke jetzt, dass ich mich in der Schulzeit nie richtig in den Heimen einleben konnte. Es kam mir leider sogar manchmal so vor, als würde ich in den Heimen nur Zeit überbrücken, bis ich nachmittags ins Oratorium konnte.

Zum ersten Mal wurde mir das beim Besuch meiner Familie Ende Oktober/Anfang November bewusst. Die Fragen und das Interesse meiner Mutter für die Heime hat bei mir etwas wachgerüttelt. Ich habe durch bloße Nachfragen meiner Mutter in wenigen Minuten mehr über die Realität der Kinder erfahren, als in den anderthalb Monaten, die ich davor schon hier war.  Seitdem habe ich angefangen, mich Stück für Stück näher mit den Kindern zu beschäftigen und zum Beispiel bei Erziehern oder bei Padre Daniel vorsichtig nachzufragen, wenn mich einzelne Kinder sehr beschäftigten. Ich kann nach wie vor nicht glauben, wieviel einige von ihnen in ihren wenigen Lebensjahren schon durchgemacht haben. Es hat meinen Blickwinkel auf die Kinder sehr verändert, ich versuche, zu verstehen, warum die Kinder so handeln und versuche ihnen so oft wie möglich, das zu zeigen und zu schenken, was sie noch viel zu wenig erfahren haben. Liebe und Vertrauen.

Wirklich näher bin ich den Kindern aber erst in den Ferien gekommen. Die Sommerferien hier begannen Mitte Dezember und seitdem hat das Oratorium geschlossen.

Plätzchenbacken mit den Mädels im San José

Wir arbeiten also den ganzen Tag in den Heimen. Das hat einiges geändert. Zwar sind zu Beginn viele der Kinder über die Feiertage zu ihren Familien gefahren, aber dadurch war die Erfahrung mit den wenigen Kindern, die blieben, umso intensiver. Wirklich zusammengeschweißt haben uns letzten Endes aber die Urlaubstage, die wir gemeinsam mit fast allen Kindern aus den Heimen bei den Las Grutas am Strand verbrachten. Dort hab ich nämlich wirklich den ganzen Tag von morgens bis abends mit den Kindern verbracht. Bei den Mädchen sogar auch die Nacht, weil ich mir mit einigen Mädchen das Zimmer geteilt habe. Es waren zwei superintensive Wochen, und ich habe beschlossen, diesen einen eigenen Blogeintrag zu widmen.

Seitdem fühle ich mich auf jeden Fall den Kindern in den Heimen näher als

Im Sommer wird ein kleiner Pool in den beiden Heimen aufgebaut, um die heißen Nachmittage erträglicher zu machen

je zuvor. Das Gefühl, ins Heim „reinzuplatzen“, das ich manchmal hatte, habe ich auf jeden Fall nicht mehr; ich fühle mich als ein Teil dieser Familie, der dazugehört und willkommen ist. Es sind nach wie vor Ferien und auch das Oratorium hat nach wie vor geschlossen, wodurch der Fokus unserer Arbeit ganz auf den Heimen liegt. Das stört mich allerdings gar nicht mehr, ich habe die Kinder wirklich sehr ins Herz geschlossen und verbringe gerne Zeit mit ihnen. Außerdem hatten Anna und ich Lust, kleinere Projekte zu starten. So basteln wir beispielsweise mit beiden Heimen im Moment eine Art Brett, auf dem die Kinder alle Geburtstage vermerken können.

Vor allem die Jungs machen im Moment viele Ausflüge, beispielsweise ins Schwimmbad oder ins Kino, zu denen wir sie auch begleiten. Außerdem gehen die Jungs fast jeden Abend mit einem der Erzieher in die Sierras, wo sie rumklettern und sich austoben können. Anfangs hat es Anna und mich, die wir an verhältnismäßig strenge deutsche Pädagogik gewöhnt sind, ein wenig erschreckt, wie selbstständig der Erzieher die Jungs dort rumlaufen lässt. „Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, der steht mit einem Bein im Gefängnis.“ So heißt es in Deutschland immer, weshalb die Deutschen in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen meiner Meinung nach manchmal zu Übervorsichtigkeit neigen. Ganz im Gegenteil zu hier. Die Kinder aus den Heimen rennen in Kleingruppen, teilweise ohne Begleitung, die Sierras rauf- und runter und das im Alter von 6-16 Jahren. Und ganz ungefährlich ist das nicht. Der Erzieher macht sich allerdings keine Sorgen darüber, ob alle Kinder am Ende wieder heil unten ankommen. Dadurch lernen die Kinder auch von klein an, selbständig zu sein und auf sich selbst aufzupassen. Außerdem bekommen sie darüber ein Gefühl für ihren Körper und ihr Gleichgewicht, was in der heutigen Gesellschaft durch den vielen Medienkonsum oft verloren geht.
Mir hat Klettern schon immer sehr viel Spaß gemacht, weshalb ich die Kinder sehr gerne begleite. Außerdem ist die Aussicht, die man von oben über die Stadt hat, wirklich lohnenswert, besonders dann, wenn gerade die Sonne untergeht.

Ich finde ehrlich gesagt gerade kein wirklich gutes Ende für diesen langen Blogeintrag. Also mach ich‘s kurz: Ich fühle mich in den Heimen sehr wohl, habe die Kinder sehr ins Herz geschlossen und freue mich darauf, viele von ihnen, die gerade bei ihren Familien sind, nach den Ferien wiederzusehen! Genauso, wie ich mich darauf freue, euch weiter von meinen Erfahrungen und Erlebnissen hier zu berichten! Hasta la próxima!