Das Highlight des Jahres ist für viele der Kinder die Urlaubswoche bei den Las Grutas. Jedes Jahr fahren sie für eine Woche in diese Stadt an der Atlantikküste, wo OrEsPa eine Art Herberge hat, in der die Kinder wohnen. Die Heime fahren dabei geschlechtergetrennt, also zum einen die beiden Jungs- und zum anderen die beiden Mädchenheime. Anna und ich begleiteten beide Gruppen und waren so insgesamt zwei Wochen dort.

Es ist ein wirklich sehr schöner Ort, die Atmosphäre dort kommt tatsächlich der der Ostsee im Sommer gleich, was mich sehr erstaunt hat. Aber vermutlich entsteht aus der Mischung Urlaub, Sand und Meer, so verschieden die Kulturen auch sein mögen, an vielen Stränden der Welt eine sehr ähnliche Stimmung. Einige Unterschiede zur Ostsee gibt es natürlich trotzdem. Neben dem hohen Salzgehalt des Ozeans, gibt es bei den Las Grutas sehr starke Gezeiten. Ebbe und Flut sind im ständigen, sehr schnellen Wechsel, ich habe dort sowohl  einen ca. 12m-, als auch einen ca. 70m-breiten Strand erlebt. Außerdem werden die Strandaufenthalte statt von Möwen-, von Papageiengeschrei begleitet.

Der Name „Las Grutas“, der

die wörtlichen „Las Grutas“

übersetzt „Die Grotten“ bedeutet, kommt von Aushöhlungen, die durch die Gezeiten entstanden sind. Sie grenzen den Strand zur Stadt hin ab und spenden so Schatten und kühle Feuchtigkeit.

 

Zwei Wochen, am selben Ort, mit ähnlichem Ablauf, die aber doch sehr unterschiedlich waren. Mit den Mädchen in der ersten Woche hatten wir leider nicht so gutes Wetter, wodurch wir leider weniger baden waren und der Aufenthalt am Strand manchmal ein wenig eintönig wurde, auch dadurch, dass die Mädchen leider nicht besonders begeisterungsfähig für Spielideen waren. Dafür waren die Abende umso schöner. In Kleingruppen haben wir uns abends aufgemacht, durch die Fußgängerzone der Stadt zu laufen, in die Geschäfte hineinzuschnuppern, durch die „Ferias“ (Marktstände auf denen Handwerkskund verkauft wird) zu schlendern und die vielen Straßenkünstler zu bewundern. Die Shows der Straßenkünstler waren wirklich toll gestaltet und sehr unterhaltsam. Ich konnte mich an einigen von ihnen gar nicht satt sehen, obwohl es fast jeden Abend die gleichen waren. Außerdem hatten wir zwei sehr schöne Filmabende, an einem von ihnen konnten wir den Mädchen die tolle deutsch-schweizer Neuverfilmung von Heidi zeigen, der bei Kindern und Erziehern sehr viel Anklang fand. Wer den Film von euch Lesern noch nicht gesehen hat, er ist wirklich sehenswert!
Dadurch, dass ich mit zwei bis drei Mädchen das Zimmer teilte (es gab einen kleinen Wechsel in der Mitte), hatte ich in der ersten Woche leider keinen Rückzugsort, sodass die Woche sehr intensiv und schön, aber auch anstrengend war.

Die Jungs in der zweiten Woche waren doppelt so viele (fast 40 statt 20), was mir im ersten Moment echt Sorgen bereitete. Diese waren allerdings unbegründet, die Jungs zeigten nämlich viel Eigeninitiative und spielten von selbst, worauf sie Lust hatten. Außerdem sind die älteren Jungs für die jüngeren wie große Brüder, sie spielten mit ihnen und alberten herum, wodurch die Kinder nicht so sehr auf uns fokussiert waren, wie die Mädchen in der ersten Woche. Auch

Menschenkicker (ich trage olivgrün, falls ihr mich sucht)

sonst war die zweite Woche mit den Jungs abwechslungsreicher, dafür sorgte die Direktorin, die zwei Ausflüge organisierte.

Zum einen in ein Vogelreservat in der Nähe, zum anderen an einen wunderschönen, menschenleeren Muschelstrand. Derzweite Ausflug war wirklich besonders schön, dort hatten wir im Gegensatz zum anderen Strand viel Platz zum Ausbreiten und Spielen. Außerdem hatte das Meer eine sehr schöne Temperatur und wir konnten beim Sonnenuntergang das Einholen vieler Fischerboote beobachten, was die Jungs sehr begeisterte.

Insgesamt waren es wirklich zwei superschöne, sehr intensive Wochen, die uns den Kindern wirklich sehr nah gebracht hat. Auch zu den Jugendlichen, aus der Casita und der Residencia haben wir in der Zeit mehr Kontakte geknüpft. Mit den Mädchen war dies zwar etwas schwieriger, da ich vor Allem zu den Älteren nach wie vor keinen wirklichen Draht finde, sodass es meistens bei oberflächlichen Uno-Spielrunden blieb, obwohl wir wirklich mehrmals versuchten, sie fürs Wikingerschach zu begeistern. Dennoch glaube ich, dass wir auch ihnen näher gekommen sind, und bei einigen habe ich auch wirklich Lust, in der Schulzeit die Abende mehr gemeinsam zu verbringen. Bei den Jungs fiel es mir wesentlich leichter, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Vielleicht lag das aber auch einfach daran, dass die Jungs wesentlich unternehmungslustiger waren und mehr Motivation fürs Karten-, Fußball-, Volleyball- oder Tejospielen oder zeigten. Tejo ist ein beliebtes argentinisches Strandspiel, das dem Bocha sehr ähnlich kommt. Man spielt es allerdings statt mit Kugeln mit runden Holzscheiben. Auch fürs Wikingerschach ließen sie sich begeistern und  modifizierten es sogar, sodass wir am Ende statt mit den Wurfstäben mit den Tejoscheiben warfen.

Das, was mich den Kindern aus den beiden Heimen der Jüngeren wirklich näher gebracht hat, war das unglaubliche, blinde Vertrauen, dass sie mir in diesen Tagen entgegengebrachten. Das Gefühl, mit Kindern an der Hand die Straße zu überqueren, während diese unbekümmert weiterplappern und sich keine Sorgen darüber machen, ob ich sie sicher über die Straße führe, ist unbeschreiblich. Ebenso schön fühlte es sich an, Kindern, die noch nie zuvor das Meer gesehen hatten, mit Mutmachungen und Spielen die Angst vor den Wellen zu nehmen und sie beispielsweise über die ersten Wellen sicher rüberzuheben. Außerdem bereitete es mir eine unglaubliche Freude, zu sehen, wie die Kinder nicht zögerten, wenn sie mit mir in die für sie tieferen Gewässer schwammen. Sie vertrauten darauf, dass ich sie nicht loslassen und untergehen lassen würde. Ein wenig heldenhaft habe ich mich manchmal dabei schon gefühlt^^.
Vor allem die Mädchen, aber auch die Jungs, haben mir in diesen Tagen oft sehr viel Zuneigung und Liebe entgegengebracht, riefen nach mir, damit ich mich zu ihnen setze, oder kamen zu mir, um mich einfach nur zu umarmen und zu drücken. Mir ist in den Tagen spontan der Ausdruck „abracito enorme“ eingefallen. Für diejenigen unter euch, die kein Spanisch sprechen, ist es leider etwas schwierig, diesen Ausdruck zu übersetzen, am nächsten würde dem vielleicht noch so etwas wie „riesiges Küsschen“ kommen, wenn auch das Wort „abracito“ eine Verniedlichung von Umarmung und nicht von Kuss ist, die ich so im deutschen aber nicht nachbilden kann. Ausdrücken will ich mit diesen zwei Worten eigentlich nur das Gefühl, von zwei zierlichen Ärmchen superfest und liebevoll umarmt zu werden, sodass es letzten Endes trotz des kleinen Menschen etwas Riesiges ist.

2. Woche „Las Grutas“ mit den Jungs