Hallo ihr Lieben,
jetzt sind doch tatsächlich schon drei Monate vergangen, seit wir ins Flugzeug gestiegen sind und wir unserem bisherigen Leben „Good bye“ gesagt haben. Die Zeit ist irgendwie echt schnell vergangen und trotzdem kommt es einem manchmal noch wie gestern vor, als wir unseren Familien Lebe wohl gesagt haben. Besonders jetzt, wo die Adventszeit angefangen hat, fällt uns nochmal besonders auf, was es bedeutet, so weit weg von unseren Familien zu sein.
Wir werden dieses Jahr keinen Weihnachtsmarkt besuchen, nicht auf ein weißes Weihnachten hoffen 😉 und auch Heilig Abend zum ersten Mal nicht Zuhause unter dem Weihnachtsbaum verbringen. Ob uns das schwer fällt? Das können wir beide nur mit einem „Ja“ beantworten. Aber es ist auf der anderen Seite ja auch mal wirklich interessant, eine Adventszeit und ein Weihnachten so komplett anders zu erleben. Und außerdem heißt es ja auch nicht, dass wir auf alle Sachen verzichten müssen. Unser Zimmer haben wir zum Beispiel, dank zweier Pakete unserer Familien und vieler Umwege, schon etwas adventlich mit Lichterkette und Adventskranz (ein kleiner weißer Teller mit vier roten dünnen Kerzen ;)) gestalten können. 🙂
Auch haben wir vor, mit den Jungs in unserer Bäckerei Plätzchen zu backen und letzte Nacht haben wir für sie den Nikolaus gespielt. Jeder von ihnen hat heute morgen eine bemalte Karte und etwas Schokolade neben seinem Kopfkissen gefunden.
Zwar war es in den letzten Tagen sehr viel Arbeit, all diese Karten zu bemalen und als unser Wecker heute morgen um viertel nach vier geklingelt hat, hätten wir uns doch lieber wieder umgedreht und weitergeschlafen, aber schon als der erste Junge sich bedankt hat, wussten wir, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat.
Einen Weihnachtsbaum wird es hier natürlich auch geben… Da sind wir allerdings noch sehr skeptisch, wie er aussehen wird, denn ein echter Tannenbaum wird es wohl kaum und auf die Dekoration sind wir auch gespannt. Zumindest an der Kleidung heißt es hier nämlich: „Je mehr desto besser!“ und erst wenn es richtig glitzert, blinkt und funkelt ist es perfekt.
Auf ein familiäres Zusammensein müssen wir auch nicht ganz verzichten. Nur feiern wir dieses Mal eben mit einer anderen Familie – unserer Don Bosco Familie.
Hier in Indien wird man selten mit seinem Namen angesprochen. Mädchen und junge Frauen werden als Schwestern (Sister oder auch auf Telugu Acka ) , ältere Frauen als Tante (Aunti) und Jungs und Männer als Bruder (Brother oder Ana und Tanmudu) bezeichnet. Somit sind wir hier alle eine große Familie und wir haben unsere Jungs schon wie kleine Brüder in unsere Herzen geschlossen und auch einige der Mitarbeiter wollen wir nicht mehr missen müssen.J Ein lustiges Gespräch hat sich mit einem unserer Jungen zugetragen, das ganz gut zeigt, dass wir mittlerweile Teil dieser riesen Familie sind:
Junge: Ich mag keine Mädchen!
Wir: Aber wir sind doch auch Mädchen….
Junge: Aber das ist doch was anderes, ihr seid ja schließlich meine Schwestern!
Da wir ja beide aus frauendominierenden Familien kommen (lustiger Fakt am Rande: Wir beide haben zwei Schwestern – Sarah ist allerdings die Älteste und Eva die Jüngste – und unsere mittleren Schwestern heißen beide Johanna und auch unsere Väter tragen denselben Namen) ist es mal eine ganz andere Erfahrung, Brüder zu haben. Am Anfang war das gar nicht so einfach, da uns öfters gesagt wurde, dass wir aufpassen müssten, da freundschaftliche Beziehungen zwischen Mann und Frau hier nicht so üblich seien und deshalb besonders die älteren Jungs schnell mal etwas falsch verstehen können. Deswegen wussten und wissen es manchmal immer noch nicht, wie wir uns besonders den älteren Jungs gegenüber verhalten sollen, aber inzwischen haben wir doch unsere eigenen Erfahrungen sammeln können und vor allem in den letzten Wochen hat sich die Beziehung zu den Jungs nochmal stark verbessert. So verraten sie uns Geheimnisse, fragen uns nach Rat wenn es um ein Mädchen geht, sind viel offener und beschützen uns auch wenn wir mit ihnen unterwegs sind. Wie richtige Brüder eben.
Eine Situation die sich am ersten Advent, bei 32° C, knalliger Sonne und blauem Himmel zutrug, zeigt ganz gut, dass auch die Jungs wie eine Familie zueinander halten und füreinander einstehen, auch wenn man sich nicht unbedingt mit allen gut versteht.
An dem Tag waren wir nämlich bei einem großen Sportfest, wo Wettkämpfe in verschiedensten Sportarten ausgetragen wurden. Unter anderem auch in einem typisch indischen Sport der sich Kabaddi nennt. Kaum einer von euch wird es kennen. Wir haben es hier auch zum ersten Mal gesehen, aber es gibt darin sogar Weltmeisterschaften, bei denen die indische Mannschaft fast jedes Jahr gewinnt. Da sind die Inder mächtig stolz drauf. Bei diesem Sport spielen zwei Teams gegeneinander, wobei immer abwechselnd eine Person aus dem gegnerischen Team versucht einen Spieler zu berühren und dann zu einer weißen Linie zu kommen.
Allerdings versucht das andere Team natürlich, ihn davon abzuhalten und dabei können manchmal ganz schön brenzlige Situationen entstehen, wobei der ein oder andere auch mal auf dem Boden landet und fünf gegnerische Spieler auf ihm liegen und festhalten.
Beim Finale der älteren Jungs hat unser Team gespielt und dabei wurde einer unserer Spieler ziemlich mies gefault… Da sind wirklich alle unsere Jungs losgestürmt und wollten ihn verteidigen und beschützen. Auch wenn es dann später fast in einer Schlägerei geendet ist und wir uns ziemlich Sorgen gemacht haben und es natürlich nicht gut finden wenn so etwas mit Gewalt geregelt wird, fanden wir es schon bemerkenswert, wie alle für eine Person aufgestanden sind. Das zeigt wie viel den Jungs an ihrer Don Bosco Familie liegt. Und wir können beide sagen, dass wir ziemlich stolz darauf sind Teil davon sein zu dürfen.
Letzte Woche hat sich unsere Familie allerdings ein wenig verkleinert, zum einen wird einer unserer Freunde, ein Mitarbeiter hier, mit dem wir über alles reden konnten und mit dem wir uns sehr gut verstanden haben, ab jetzt in einer anderen Stadt arbeiten. Allerdings ist diese nur sechs Stunden Zugfahrt entfernt, für indische Verhältnisse also fast um die Ecke und somit werden wir ihn trotzdem an den Wochenenden wiedersehen. Zum anderen wurde aber auch ein Junge, der in Evas Klasse saß und den wir beide sehr gern hatten, nach Hause geschickt. Er war ein sehr aufgeweckter, lieber und lustiger Junge, der allerdings oft nicht dazu bereit war, dass zu tun was seine Arbeit war und somit haben die Fathers von heute auf morgen beschlossen, dass es besser ist, wenn er wieder nach Hause kommt. Sowohl dem Jungen als auch uns fiel der Abschied wirklich schwer. Dass man in „nur“ drei Monaten schon solche Beziehungen aufbauen kann, hätten wir beide nicht erwartet.
Allerdings ist die Vorstellung, dass wir beide uns auch erst vor einem Jahr kennen gelernt und vor Indien nur viermal gesehen haben auch ziemlich verrückt. Schon jetzt teilen wir so viele intensive und einzigartige Erfahrungen und Erlebnisse, dass es uns manchmal so vorkommt, als würden wir uns schon ewig kennen.
So nun wünschen wir euch aber noch eine schöne, besinnliche und hoffentlich nicht so stressige Adventszeit.
Ach, und falls ihr euch zwischendurch mal über das kalte Wetter beschweren solltet, denkt daran, dass wir euch darum ein wenig beneiden. Bei 25-30°C kommt man irgendwie nicht so richtig in Weihnachtsstimmung;)
Bis bald und liebste Grüße aus Hyderabad
Eva und Sarah
P.S. Ihr könnt auch gerne mal bei der Galerie vorbeischauen, dort findet ihr noch ein paar mehr Fotos und kurze Anekdoten. 🙂
Wigbert
Frohe Weihnachten, liebe Eva, wünschen
aus dem Vringsveedel nach Hyderabad
Sabine & Wigbert Oslender