Geburtstagskind

Die Sonne strahlt, die Vögel zwitschern und es ist Dienstag. Meine Mama hätte eigentlich das gute Recht heute ihren 30. Geburtstag zu zelebrieren, aber vorerst halte ich sie von einer feierlichen Stimmung ab. Denn genau jetzt möchte ich das Licht der Welt erblicken. Irgendwann zwischen 8 und 9 Uhr am Morgen ist das kleine Wunder schließlich vollbracht und das angeblich „tollste Geburtstaggeschenk“, verpackt mit dem eigenen Körper, liegt offen da. Und schreit erstmal ganz schön laut! Doch von diesem Tag an feiert meine Mama nie wieder alleine Geburtstag 🙂 Jener 03. Mai. 2005 jährt sich dieses Jahr zum 19. Mal. Wie schön, dass ich ihn heuer nicht mit rund 60 weiteren jungen Menschen in der Turnhalle verbringen und Aufgaben büffeln muss. Wobei ich trotz Matheabi einen sehr schönen 18.ten hatte. Und so sind es heute nicht meine Mitschüler, Lehrer und Familie, die mir ein Ständchen singen, sondern Kinder, Schwestern und Präaspirantinnen. Obwohl ich natürlich auch sehr viele liebe Glückwünsche aus Europa bekommen habe, danke!!! <3

Nachdem ich mich ein bisschen herausgeputzt habe, man wird schließlich nur einmal 19, treffe ich mich gegen 7:00 Uhr mit einer im Foyer lebenden jungen Mutter, um sie zu ihrem nahegelegenen Praktikumsplatz in einem Restaurant zu begleiten. Sie macht aktuell das dreimonatige Praktikum, das alle Azubis im Maison de l´Espérance nach ihrer neunmonatigen Ausbildung machen und es interessiert mich, wo und wie sie das Praktikum verbringt. Danach gehe ich zur Bank und begebe mich an einen Bouilliestand, um zu Frühstücken. Bouillie ist eine Art Brei, wobei die Konsistenz wesentlich flüssiger ist, bestehend aus Wasser und Mehl. Je nachdem welches Mehl man verwendet schmeckt die Bouillie verschieden. Die häufigsten sind wohl Hirse- und Maisbouillie. Aufgepeppt wird das ganze je nach belieben mit Nüssen, Zucker oder Kondensmilch. Dazu isst man oft Baigné, frittierte Bällchen aus Weizenmehl. Und fertig ist das Lieblingsfrühstück der Beniner.

Um ca. 9:30 Uhr kommt dann auch Valerie, die die Nacht, sowie auch die darauffolgende, noch bei ihren Eltern verbracht hat. Und wiederum eine Stunde später startet unsere Session in der alternativen Grundschule: Gruppenspiele mit der Klasse 1B. Noch bevor wir auf den Pausenhof gehen, lässt Valerie die Klasse für mich ein Joyeux-Anniversaire-Ständchen anstimmen, ein schöner Moment. Zwei französische Praktikantinnen, die für sechs Wochen hier arbeiten, helfen uns heute und nachdem wir Spiele wie Affentratzen, Empampi usw. gespielt haben, gibt es noch eine Tanzeinlage, bei der wir ganz schön abgehen. Die Mittagpause verläuft eher ruhig, u.a. mit Atasi und einem Schläfchen. Und auch später im Foyer ist nicht allzu viel los. Allerdings kommen Valerie und ich ins Gespräch mit einer französischen Hebamme, die für zwei Jahre in Benin lebt und dem Foyer an diesem 3. Mai einen Besuch abstattet. Valerie und ich löchern sie regelrecht mit Fragen, aber das Thema ist auch einfach zu spannend. Ich gebe euch mal ein paar Gesprächsinfos mit: „An sich sind die Mittel für europäische Geburten wesentlich ausgebauter, bzw. überhaupt da. Und europäische Frauen sind meist in einem besseren gesundheitlichen Zustand aufgrund der medizinischen Versorgung. Dafür sind beninische Frauen beim Gebären generell entspannter, machen sich also nicht so viele Gedanken, was sich positiv auf die Geburt auswirkt.“ Die Hebamme meint auch, dass Beninerinnen es besser schaffen auf ihren Körper zu hören. Außerdem haben viele Frauen schon mehrere Kinder daheim, was es dann auch vereinfacht. Aber leider flunkern sie oft ein bisschen, bei für die Hebamme wichtigen Fragen, da sie nicht ins große Krankenhaus möchten. Geburtsvorbereitungskurse gibt es in Benin leider kaum.

Als wir das Foyer gegen 18:00 Uhr verlassen und einen Kuchen aus einer Backmischung backen, die uns die Schwestern vor Ewigkeiten geschenkt hatten, stellt sich mir schön langsam die Frage, ob es wohl noch eine kleine Feier am Abend geben würde. Irgendwie hat mir nämlich keine der Schwestern, die ich schon zahlreich gesehen hatte, gratuliert und die Präaspirantinnen wussten auch nur Bescheid, weil Valerie ihnen diese Info zugespielt hatte. Schließlich kommt aber doch noch die Oberschwester auf mich zu, umarmt mich glückwünschend und lädt mich zum Abendessen ein. Die Präaspirantinnen sind im Foyer und eigentlich alle Schwestern sind sehr überrascht, als sie von meinem Geburtstag erfahren, weswegen ich gedanklich ein bisschen enttäuscht schon damit abschließe, was sonst jeden Geburtstag passiert und definitiv das Highlight darstellt. Doch zum Glück wird mir bewiesen, dass ich die Schwestern eindeutig unterschätzt habe und voilà, somit möchte ich euch nun vorstellen, wie Schwestern, Präaspirantinnen und Volontäre in Cotonou Geburtstag feiern:

Nachdem ich mit dem Essen fertig bin und mich gerade mit Sr. C. über das Maison de l´Espérance unterhalte, nehme ich auf dem Gang vor dem Essensraum die Präaspirantinnen wahr. Dann wird es dunkel. Und darauf hin folgt ein von einer Trommel begleiteter Gesang. Die 8 Präapirantinnen und ein Teil der Schwestern tanzen singend in einer Art Polonaise um die Tische. Als alle zum stehen kommen, wird das jedes Mal so euphorisch klingende „Joyeux Anniversaire …“ angestimmt, danach „Happy Birthday“ und zu guter Letzt sogar „Viel Glück…“ (auch wenn beim deutschen Text das Gesangsvolumen nicht mehr ganz so ausgeprägt ist 😉 ). Als i-Tüpfelchen wird mir ein Geburtstagkuchen mit der Aufschrift „Joyeux Anniversaire Tereza“ vor meinen hübsch geschmückten Platz gestellt. Vor Glück grinse ich wie eine ganze Herde Honigkuchenpferde, zumindest merke ich wie meine Backen schon schmerzen. Das Licht wird angeschaltet und ich darf feierlich die Kerzen ausblasen. Darauf hin folgt das Kartenlesen (normalerweise bereiten Valerie und ich auch immer brav eine vor). Zum einen liest mir eine der Schwestern nun eine Karte vor, zum anderen zwei der Präaspirantinnen: „Cotonou, le 03. mai 2024…“. Weil ich ein generell recht tollpatschiger Mensch bin versenke ich kurz vor dem nächsten Programmpunkt erstmal meinen Ärmel in der Sahne auf der Torte, was ich irgendwie zu verbergen versuche. Und dann wird mir mit dem feierlichen „Cadeau“ (Geschenk)-Song das Cadeau überreicht: Eine Tasche aus dem Don Bosco Schneideratelier und Kekse. Nun darf ich den Kuchen anschneiden. Wobei es dazugehört, dass man zuvor ein Wort sagt, dass daraufhin alle gemeinsam Buchstabieren: „Unité“ (Einheit), verkünde ich. Egal welcher Herkunft wir stammen, egal welche Hautfarbe wir haben, wir sind alles Menschen und bilden trotz unserer Verschiedenheiten eine Einheit. Nachdem ich mein Stück Kuchen halb verputzt habe, fordern mich die Präaspirantinnen zu einem Tanz auf. Später nachdem alle Tische abgeräumt und Teller gewaschen sind husche ich ins Foyer. Sogleich finden sich ein paar Mädchen, die mit mir Solo spielen wollen und ich schlittere knapp am letzten Platz vorbei. Beim Abendwort singt das ganze Foyer für mich und lässt den Tag mit all seinen Begegnungen und seiner Liebe ausklingen!

Am nächsten Morgen breche ich nach dem Putzen im Schwesternhaus zum Hotel von Valeries Eltern auf. Mit Zems düsen wir zum einzigen mir bekannten Badestrand und verbringen dort die nächsten Stunden, teils im Trockenen, teils im Wasser. Dann muss ich mich auch schon spurten, denn um 16:00 Uhr ist Party angesagt. Um ca. 15:00 Uhr erreiche ich das Schwesterngelände auf dem der Volontär Johann schon auf mich wartet, er ist extra aus Dassa angereist. Gemeinsam kaufen wir eine große Tüte belegte Baguettes, ich dusche rasch und es werden letzte Vorbereitungen getroffen. Dann kann es losgehen! Die Gäste trudeln nach und nach ein: Sowohl Volontäre als auch Einheimische und Valeries Eltern, die müssen allerdings im Laufe des Abends zum Flughafen. Wir bilden eine nette Truppe von 13 Leuten und das Beste: Ich hatte noch nie so schöne Gäste, denn nicht auch nur einer wagt es gegen den Dresscode „traditionell beninische Kleidung“ zu verstoßen 😉 Die Feier findet auf der großen Dachterasse, dem vierten Stock, der Schule Laura Vicuña statt, weswegen wir einerseits Privatsphäre haben, andererseits einen Bombenausblick. Auf der einen Seite hat man einen wunderbaren Überblick über Cotonou, ja man sieht sogar die Kräne des Hafens im Süden der Stadt. Auf der anderen Seite ist direkt der große See Nokoué, an den im Westen die Gebäude von Calavi und im Osten, ganz weit weg, die Lichter von (vermutlich) Porto Novo zu erblicken sind. Herrlich!

Besonders die beninischen Gäste animieren alle fleißig zum Tanzen und ich selbst fühle mich wie ein Flummi. Der um ca. 19:00 eintreffende Sonnenuntergang malt ein traumhaftes Bild über den Dächern Calavis und dem See. Später spielen wir noch Nicht-Lachen-Gruppenspiele (Valerie und ich sind dabei grandiose Scheiterinnen, ein Blick reicht schon und wir können uns nicht mehr halten) und „Action ou Vérité“ (Wahrheit oder Pflicht). Tatsächlich haben wir das große Glück die Party wegen eines anderen Don Bosco Festes der Schule Laura Vicuña, welches auf dem Pausenhof stattfindet, nicht um 22:00 Uhr beenden zu müssen, sondern können die Festlichkeiten bis Mitternacht ziehen.

Nachdem Johann, Valerie und ich um ca. 2:00 Uhr mit putzen, aufräumen und wischen fertig sind, müssen wir feststellen, dass die Präaspirantinnen den Schlüssel zu unserem Schlafgebäude von innen stecken lassen haben. Wir haben also die Möglichkeit alle mitten in der Nacht mit der schrillen Glocke wach zu schrecken, oder auf der angenehm kühlen Dachterrasse zu nächtigen. Die Entscheidung steht fest und so schlafen wir drei auf Stoffen in Stoffe eingewickelt hoch über den Dächern Cotonous. Ich hätte mir keine schönere Feier wünschen können und würde mich am liebsten einfach mit einem Fingerschnipsen wieder auf dieses Fest teleportieren. Danke an alle die dabei waren und danke nochmal an alle lieben Nachrichten aus Europa!

Fühlt euch gedrückt, eure Teresa.

Vorheriger Beitrag

Alleine mit Mango im Regen

Nächster Beitrag

Wo Sonne ist, da muss auch Schatten sein

  1. Mama

    Für mich bist und bleibst das allerschönste Geburtstagsgeschenk! 😘

  2. Anna Gilg

    Ich freu mich so für dich, dass du einen tollen Geburtstag hattest!! Klingt richtig schön🥰
    LG aus dem Zug, wie versprochen😉

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kommentarformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an info@donboscomission.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Läuft mit WordPress & Theme erstellt von Anders Norén