Ich schreibe diese Zeilen in der Hoffnung, dass ich diesen Blogeintrag noch (auf den letzten Drücker) im Mai hochlade. Falls ich das schaffe, dürft ihr mir einmal kurz auf die Schultern klopfen ;). Nicht einmal mehr drei Monate bleiben mir im bunten Benin, aber ich merke, dass sich das irgendwie ok anfühlt. Klar gibt es Momente, in denen beim Abschiedsgedanken mein kleines Herz zerbricht. Aber gleichzeitig habe ich neulich in der Vorschule auf Klopapier eine Liste gekritzelt, mit Sachen, auf die ich mich nach dem Volontariat in Deutschland/Österreich freue: Und da sind mir jede Menge Punkte eingefallen. Aber trotzdem will ich mein Abenteuer hier auf keinen Fall auch nur um einen einzigen Tag verkürzen!

In den Projekten läuft alles wie gehabt, die Mädels in der Baracke sind zur Zeit sehr verkuschelt und überall in beninischen Schulen werden jetzt Tests geschrieben und die letzten Tage vor den Sommerferien abgesessen. Gut das mit den letzten Tagen vor den Sommerferien trifft jetzt nicht auf die alternative Grundschule zu, deren Schüler müssen noch ein bisschen länger auf die beste Zeit im Jahr eines Schülers warten!

In den letzten Wochen hatte ich drei Ausflüge bzw. Besuche, an denen ich euch in diesem Eintrag gerne ein bisschen teilhaben lassen möchte:

11. Mai 2024: Besuch einer Psychiatrie in Adjarra

Aufmerksame Leser erinnern sich bestimmt noch an die Erzählungen von der französischen Hebamme aus meinem Blogeintrag „Geburtstagskind“. Die Geschichte mit dieser besonderen Freiwilligen ging nach besagtem Eintrag noch weiter und soll nun erzählt werden. Kleiner Reminder: Lilli kommt aus Frankreich, lebt für zwei Jahre in Benin, wird im Sommer heimfliegen und hat ein abgeschlossenes Hebammenstudium. Als solche hatte sie auch die ersten eineinhalb Jahren ihres Volontariats hauptsächlich gearbeitet, doch im November ist sie dann umgestiegen und arbeitet seitdem v.a. in einer Psychiatrie und mit den Kindern von psychisch Erkrankten. Um sie zu besuchen, sind wir erst mit dem Bus nach Porto-Novo gefahren, wo Lili uns mit dem Auto abgeholt und nach Adjarra gebracht hat. Dort angekommen und nach einer kleinen Pause in ihrer Wohnung wurden uns sämtliche Mitarbeiter, Büro- und Untersuchungsräume der Psychiatrie vorgestellt und das Interessante war, dass beinahe alle Mitarbeiter ehemalig psychisch Erkrankte der Psychiatrie gewesen waren. Und dann sind wir schließlich reingegangen in die Psychiatrie. Das folgende Bild zeigt die Psychiatrie von einer Dachterrasse aus.

Verteilt auf dem kleinen Psychatrieglände wohnen an die 100 Menschen. Von Schizophrenieerkrankungen, über Depressionen, bis hin zu geistiger Beeinträchtigung – die Gründe warum die Bewohner dort sind, sind verschieden. Ebenso wie die Dauer, die sie hier verbringen. Zwischen wenigen Wochen bis lebenslang ist alles dabei. Wirkliche therapeutische Unterstützung gibt es nicht. Immerhin bekommen sie Medikamente, die oft schon helfen und den Patienten auch nach der Entlassung noch zur Verfügung gestellt werden. Außerdem gibt es warmes Essen, eine Matte am Boden als Schlafplatz in den Schlafräumen (getrennt für Mann und Frau), Klos/Duschen und Akzeptanz für die Krankheit – das ist schon deutlich mehr als das, was die Erkrankten sonst haben. Die meisten von ihnen kommen nämlich tatsächlich von der Straße. Der Alltag in der Psychiatrie ist nicht allzu spektakulär, aber es gibt die Möglichkeit in der Küche zu helfen und den Haushalt zu erledigen. Die meisten Patienten dürfen nicht raus, wenige stabilere Patienten sind allerdings frei das Psychiatriegelände tagsüber für z.B. Spaziergänge zu verlassen. Die Menschen begegneten uns total erfreut und waren ganz aus dem Häuschen uns zu empfangen. Leider schenkte uns das Wetter nicht allzu viel Zeit und durch einen Regenschauer, der nicht auch nur eine einzige Hautschuppe trocken ließ, flohen wir zurück in die Wohnung von Lilli, die direkt neben der Psychiatrie liegt. Nachdem wir schicke neue Outfits von ihr bekommen (bestehend aus viel zu langem Stoff) und uns gestärkt hatten, bestiegen wir die Dachterrasse – die zahlreichen Dachterrassen sind definitiv einer der vielen Gründe warum ich Benin liebe. Von dort aus hatten wir einen guten Überblick über die idyllische Gegend. Irgendwie fühle ich mich immer, wenn ich nicht in Cotonou bin, wie im Urlaub. Cotonou als größte Stadt Benins ist extrem laut, überfüllt und trubelig (was seine Vor- und Nachteile mit sich bringt). Alle anderen Städte und v.a. Dörfer Benins sind dahingegen richtig heimelig, entspannt und grün.

Später haben wir noch einen Spaziergang gemacht zu einem Kinderwohnheim für Kinder von psychisch Erkrankten, die allerdings nicht in der Psychiatrie in Adjarra untergebracht sind. Außerdem befinden sich auf dem Gelände Ausbildungszentren für ehemalige Psychiatriebewohner (Bäckerei, Konditorei, Weber). An sich sind das natürlich echt gute und wichtige Projekte, aber wie gefühlt überall in Benin fehlt es am Geld. Einerseits ist es schwer genug Spendenpartner zu finden (die übrigens meistens aus Europa kommen). Andererseits sind viele Beniner aber auch nicht die besten Wirtschaftler. Auch ein Problem, das ich nun schon öfters bemerkt habe ist, dass man alles auf eine Person setzt, meist den/die Gründer/in. Und wenn diese Person, bei der alle Fäden des Projektes zusammenlaufen, dann nicht mehr fähig ist das alles zu wuppen, oder gar stirbt, bleiben die Beteiligten ratlos übrig.

16. Mai 2024: Besuch des Espace Eveils in Sô-Ava

Über Don Bosco läuft nicht nur die Vorschule Espace Eveil im Viertel Ladji, in der ich dienstags und donnerstags arbeite, sondern auch eine Vorschule in einem Dorf in Sô-Ava. Die Region Sô-Ava liegt nördlich vom See Nokoué, bzw. teilweise darin, besonders in der Regenzeit. Ganvié, das berühmte Wasserdorf Benins zum Beispiel liegt auch in Sô-Ava. Für den Besuch in der Vorschule sind wir einfach mit dem Verantwortlichen Don Bosco Mitarbeiter mitgefahren, der dort einmal im Monat vorbeischaut. Ebenfalls mitgekommen ist eine Krankenschwester, um einen Sensibilisierungskurs für die Eltern der Vorschüler zu halten. Unser Ausflug begann damit, dass uns der Don-Bosco-Chauffeur nach Calavi gefahren hat, von wo aus es dann mit dem Boot weiterging. Kanäle und der offene See wechselten sich ab und es war ein so magisches Landschaftsbild, dass ich ganz glücklich wurde.

Zumindest bis mit einem PLOPP PLOPP PLOPP und dunklen Wolken plötzlich die bezaubernde Stimmung endete. Und weil es nun richtig zu schütten begann, drehten wir um und warteten in dem nächstbesten Dorf ein ganzes Weilchen, bis wir unseren Weg weiter fortsetzen konnten. Angekommen in dem Dorf, in welchem sich die Vorschule befindet, hielten wir direkt beim Schulgelände, das am Wasser liegt. In der starken Regenzeit werden Teile des Dorfes stärker überschwemmt, aber das war nun noch nicht der Fall. Der Weg führte uns über eine riesige freie Fläche, deren Boden aus schwarzem was auch immer bestand (Schlamm/ Sand/ Erde?): Der Pausenhof. Dann ging es in ein kleines süßes Häuschen, in dem der Unterricht der Vorschule stattfindet. Bis zu dem Zeitpunkt als wir in dieses Häuschen eintraten, waren seit der Abfahrt in Cotonou drei Stunden vergangen. Die Kinder auf dem Pausenhof fanden natürlich besonders Valerie und mich sehr spannend und versammelten sich in Scharren, bis sie eine Weile später zu Pausenende in die Klassen geschickt wurden. Die Eltern der Vorschüler waren noch nicht da und trudelten schließlich so nach und nach ein. V.a. Mütter, aber auch eine paar Väter nahmen an dem Sensibilisierungskurs teil.

Valerie und ich verstanden davon allerdings nicht so viel, da der Vortrag nicht auf französisch stattfand. Als die Krankenschwester nach ca. einer Stunde mit dem Vortrag fertig war, waren wir jedoch noch eine weitere Stunde in dem kleinen Raum gefangen: Unwetter bestehend aus heftigem Sturm und Regen wollte uns noch etwas hierbehalten. Irgendwann hatte sich das Wetter wieder einigermaßen beruhigt und wir konnten den Heimweg antreten. Für diesen gab man uns eine große Plane mit, die wir während der Bootsfahrt über uns halten sollten – denn so ganz aufgehört hatte der Regen noch nicht. Ich war ein bisschen verwirrt über die Kombination Benin und starkes Frieren, das erlebt man durchaus selten. Im Auto verschwand immerhin die Gänsehaut und spätestens zurück auf dem Schwesterngelände konnte ich mich wieder vernünftig aufwärmen.

25. Mai 2024: Besuch eines Kinderheims in Pobè

Das ganze letzte Wochenende war eigentlich relativ lustig. Es begann mit einem Volontärsaustauschtreffen in der deutschen Botschaft am Freitagvormittag, wobei die meisten von uns Beninvolontären eh im ständigen Austausch miteinander stehen. Später am Abend haben wir und fast alle dann schon wieder gesehen. Nicht in Cotonou, sondern in Porto-Novo, wo Geburtstag gefeiert wurde – dort haben wir auch übernachtet. Nachdem wir natürlich fleißig getanzt hatten, begann meine Nacht auf dem Boden einer Dachterrasse und endete – dank eines Unwetters – auf dem Boden im Flur. Kleiner Funfact: Viele Beniner haben gar kein Bett. Auf der einen Seite bringt ein Bett natürlich Kosten mit sich, auf der anderen Seite wollen sie das oft aber auch gar nicht. Dann reicht eine dünne Matte oder Stoff zum darunterlegen auf dem Boden. Gegen Mittag des nächsten Tages (Samstag) sind Valerie und ich dann mit einem überfüllten Sammeltaxi nach Pobè gedüst. Dort wollten wir zwei Freiwillige besuchen, die schon ein paar Stunden zuvor wieder von Porto-Novo heimgefahren sind. Sie sind so alt wie wir und machen einen Freiwilligendienst mit der Organisation „Kinderhilfe Westafrika“ für ein Jahr in dem Kinderheim „Les chants des oiseaux“ (Die Vogelgesänge). Nach ca. eineinhalb Stunden Route wurden wir von den Volontärinnen in Empfang genommen. Sie zeigten uns das Gelände und beantworteten geduldig all unsere Fragen. Für mich war es sehr interessant dieses Kinderheim zu sehen und ein bisschen mit unserem Kinderheim Foyer Laura Vicuña in Vergleich zu setzen. Das Kinderheim „Die Vogelgesänge“ ist für ca. 30 Kinder, sowohl Mädchen als auch Jungs, und der Altersunterschied ist in Summe wesentlich niedriger als bei unseren Kindern. Der Freiwilligendienst der zwei Mädchen ist auch ganz anders als meiner, da sie praktisch nur und dafür sehr intensiv für das Wohnheim da sind. Die Arbeit an den Werktagen spielt sich hauptsächlich morgens und am späten Nachmittag/Abend ab, wenn die Kinder nicht in der Schule sind, aber auch am Wochenende haben die zwei Freiwilligen nicht frei, sondern dann gilt es u.a. die Kinder mit Spielen und Basteln zu unterhalten. Ich finde es jedes mal aufs Neue extrem interessant in die Projekte von anderen Freiwilligen einzutauchen und aus den Erzählungen Realität werden zu lassen. Nach vielen guten Gesprächen, Austausch und Kontakt mit lieben Kindern (die mich beim Memory komplett alt aussehen lassen haben), ging es am nächsten Tag mit dem Sammeltaxi wieder zurück nach Cotonou, pünktlich zum Oratorium.

Voilà soviel ein bisschen zu ein paar besonderen Tagen der letzten Wochen. Und auch die nächsten Wochen sind tatsächlich relativ stark gefüllt. Denn auch wenn noch drei Monate bleiben, muss ich schön langsam gut planen, um am Ende nicht in Stress zu geraten. Wie wollen wir uns in den Projekten und von den Leuten verabschieden? Was wollen wir noch in Benin erleben? Welche Beziehungen wollen wir weiterhin vertiefen? Und auch mit dem Stoffkaufen muss ich dranbleiben, um noch alle Kleidungsstücke, die ich mir in den Kopf gesetzt habe, zu verwirklichen und dann in Benin und Deutschland/Österreich tragen zu können.

Bis zum nächsten Mal und meldet euch gerne bei mir 🙂

Teresa

PS: 31. Mai 2024, 23:54 Uhr – ich drücke bei diesem Blogeintrag auf „Veröffentlichen“. Nur zu blöd, dass mein Laptop die deutsche Zeit anzeigt. Hier in Benin habe ich diesen Blogeintrag also noch im Mai hochgeladen, in Deutschland um eine Stunde zu spät und so schon im Juni 😉