Die wahre Entdeckung der Reise besteht nicht darin, neue Wege zu suchen, sondern darin, neue Augen zu haben.

Von Reisenden, die sich nicht wie Touristen fühlen wollen, Pachamama sowie menschlichen und tierischen Begegnungen

Bolivien, ein Land, das wir bisher auf eine ganz andere Art und Weise kennenlernen durften, als das ein gewöhnlicher Reisender tut, wollten Jule und ich, als sich nach dem Campamento die Gelegenheit ergab, nochmal mit anderen Augen sehen, den Augen eines Reisenden. Unsere Wahl fiel auf Sucre und den Salar de Uyuni, den größten Salzsee der Erde, sowie den angrenzenden Eduardo-Avaroa-Nationalpark.

Nach einer 12-stündigen Fahrt mit dem Nachtbus sind wir am 9. Dezember früh morgens in Sucre, der konstitutionellen Hauptstadt Boliviens, angekommen. Sucre, auch bekannt unter dem Namen „la Cuidad Blanca“ (die weiße Stadt) wegen der vielen Gebäude aus der spanischen Kolonialzeit, die das Stadtbild noch heute prägen, zählt seit 1991 zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als eine der besterhaltenen Kolonialstädte Südamerikas. Wer heute die eher gemütlich anmutende Stadt mit seinen 230.000 Einwohnern sieht, kann sich schwer vorstellen, dass von dort aus die Unabhängigkeitsbewegung auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent angestoßen wurde.

Auch unter einem anderen Namen, „la Plata“ (das Silber; in Lateinamerika auch nach wie vor eine Bezeichnung für Geld im Allgemeinen) sind Sucre und die drei Stunden entfernte Stadt Potosí bekannt, da beide durch die großen Vorkommen an Silber einst zu den wohlhabendsten Städten Südamerikas zählten. Noch heute spiegelt sich in den hoch aufragenden Altstadt-Gebäuden der Reichtum längst vergangener Zeiten wider. Das Departamento Chuquisaca mit seiner Hauptstadt Sucre sowie das Departamento Potosí gelten heute jedoch als die ärmsten Landesteile Boliviens und wer seinen Blick nur ein wenig über die gepflegte und für Touristen mit Cafés, Hotels und Läden ausgestattete Innenstadt hinausschweifen lässt, wird sich dieser Tatsache schnell bewusst. Bolivien ist ein Land der Extreme. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft enorm weit auseinander, was fehlt, ist eine starke Mittelschicht.

Unsere nächste Etappe führte uns über Potosí in das Städtchen Uyuni am Rande des größten Salzsees der Welt. Gäbe es den Salar nicht, würde wohl auch Uyuni schon lange nicht mehr existieren. Durch die ganzjährige Anwesenheit von Touristen und Reisenden aus aller Welt gibt es jedoch zahlreiche Arbeitsplätze, sei es in Hotels, Restaurants oder den Agenturen, welche die ein- oder mehrtägigen Touren auf dem Salar und in dessen Umgebung anbieten, die die Stadt am Leben erhalten. Tourismus – Fluch oder Segen?

Touristen sind hier generell gerne gesehen und werden mit Freundlichkeit behandelt. Allerdings bleibt man als Tourist meist ein Fremder, ein Vorbeiziehender, der nur oberflächlich Land und Leute streift. Auch ohne Kamera um den Hals wird man mit unserem Aussehen in den viel bereisten Gebieten wie ein Tourist behandelt, was mich als Reisende, als Suchende immer ein bisschen traurig gestimmt hat, weil ich mir plötzlich wie eine Fremde in meiner diesjährigen Heimat vorkam. Besonders schön war für mich deshalb die spontane Teilnahme an einem Gottesdienst in Uyuni, weil wir so einen Einblick in das Leben der Einheimischen erhalten durften und eine Stunde in ihre Welt eintauchen konnten.

Tags darauf ging es dann in einem Jeep los auf den Salar. Neben dem bolivianischen Fahrer und Guide Jhedy verbrachten Jule und ich den Großteil der dreitägigen Tour mit einer Gruppe aus zwei weiteren deutschen Volontären sowie zwei Mexikanerinnen und einer Uruguayerin, die allesamt im gleichen Auto Platz fanden.

Vorsicht - Lamas kreuzen

Vorsicht – Lamas kreuzen

In den kommenden Tagen erwarteten uns beeindruckende Landschaften, die einen schnell verstehen lassen, warum der Salar Menschen aus aller Welt anzieht. Ein Meer aus Salz, soweit das Auge reicht, in dessen Mitte sich wie aus dem Nichts, völlig unerwartet, die Insel Incahuasi („Casa del Inca“ = Haus des Inka) mit ihrer Vegetation aus meterhohen Kakteen erhebt.

Die Isla de Incahuasi, die sich inmitten des Salar de Uyunis erhebt

Die Isla de Incahuasi, die sich inmitten des Salar de Uyunis erhebt

Ihren Namen erhielt die Insel dadurch, dass sie den Inka als Rückzugsort vor den spanischen Eroberern diente. Auf einem ehemaligen Versammlungsplatz am höchsten Punkt der Insel begegnete mir das Wort „Pachamama“, Mutter Erde, das mir als liebevolle Bezeichnung für die Schönheit der Natur und unsere Pflicht, unser Mögliches zu deren Erhaltung beizutragen, für die gesamte Reise im Gedächtnis geblieben ist.

Salz, soweit das Auge reicht

Salz, soweit das Auge reicht

Sonnenuntergang ueber dem Salar de Uyuni

Sonnenuntergang ueber dem Salar de Uyuni

... mit der untergehenden Sonne im Blick und dem aufgehenden Mond im Ruecken

… mit der untergehenden Sonne im Blick und dem aufgehenden Mond im Ruecken

Mirador último día

Das erste Salzhotel, an dem wir am ersten  Tag der Tour unser Mittagessen einnahmen

Das erste Salzhotel, in dem wir am ersten
Tag der Tour unser Mittagessen einnahmen

Nach einem wunderschönen und eiskalten Sonnenuntergang am Ausgang des Salars und einer Übernachtung in einem Hotel aus Salz waren meine persönlichen Highlights am zweiten Tag die Aussicht auf zwei halbaktive Vulkane, die mich in ihrer außergewöhnlichen Färbung und majestätischen Größe zutiefst beeindruckt zurückließen, sowie die zahlreichen Lagunen, eingerahmt von Bergketten und bevölkert von Flamingos. Der Tag endete am Eingang des Eduardo-Avaroa-Nationalparks in einer Unterkunft direkt angrenzend an die Laguna Colorada, die farbige Lagune, deren Wasser durch besondere Arten von Algen in der Nachmittagssonne stellenweise weiß und rot erscheint.

Blick auf die Laguna Colorada, die ihren Namen zurecht traegt

Blick auf die Laguna Colorada, die ihrem Namen alle Ehre macht

Wir fielen nach dem Abendessen und einem verfrühten Nachtspaziergang zeitig in die Betten, auch weil wir am nächsten und letzten Morgen der Tour schon zwischen 4 und 5 Uhr morgens aufbrachen, um die Geysire im Licht der aufgehenden Sonne zu sehen. Am letzten Tag genoss ich dann neben der morgendlichen Stimmung noch unsere vom typischen Programm abweichende Route, die unser Fahrer uns vorgeschlagen hatte. Es war schön, die beeindruckende Bergkulisse einmal nicht mit den vorbeifahrenden Jeeps, sondern lediglich mit den grasenden Lamas und Vikuñas zu teilen.

nubes increíbles

Mirador último día

Nach einem Aufstieg auf beinahe 5000 Meter und Tagen in bergiger Kulisse ging es dann zurück ins Tiefland nach Santa Cruz, wo wir dann den Rest des Dezembers und die ersten beiden Januarwochen im Hogar Don Bosco verbrachten. Dazu bald mehr… 🙂