HALBZEIT!

Zwischenseminar und weitere Entwicklungen

Hallo!

Ich hoffe es geht euch allen gut und das Leben in Deutschland ist nicht all zu grau und regnerisch.

Wie bereits in meinem letzten Blogeintrag erwähnt, hatte ich Anfang Februar das Zwischenseminar mit meiner Organisation Don Bosco Volunteers in Hyderabad. 

Hier habe ich alle deutschen Volontäre die sich derzeit in Indien befinden getroffen. Insgesamt waren wir neun Mädels, ein Junge und unsere Betreuer Niklas und Arnes, die wir schon von den vorherigen Vorbereitungstreffen kannten. Das Zwischenseminar dient dazu Fragen und Unklarheiten über Land und Leute zu klären, aber auch um sich mit den anderen Volontären aus verschiedenen Projekten und anderen Teilen Indiens auszutauschen, gemeinsam zu reflektieren und die letzten sechs Monate zu rekapitulieren. Hierbei wird einem erst richtig klar wie schnell die Zeit vergeht, was wir schon alles erreicht haben und welche Entwicklung die Projekte und man selber während des Aufentalts durchlebt hat. 

INDIEN – alle Volos beim Zwischenseminar

Über solche Entwicklungen und Erfolge möchte ich heute berichten.

Angefangen mit dem Shelter, in dem ich jeden Tag arbeite. Das Prinzip des Shelters habe ich bereits in anderen Blogeinträgen detailliert beschrieben. Trotzdessen möchte ich kurz darauf eingehen. Der Open Shelter des Navajeevans dient dazu Jungen von der Straßen und aus Communitys im Alter von fünf bis siebzehn Jahren eine Unterkunft zu bieten und sie registrieren zu lassen. In Indien ist eine Registrierung beim Staat wichtig, um in die Schule gehen oder einen Job ausüben zu können. Während der Zeit, in der sie dort leben, trägt das Projekt die Verantwortung für die Kids. Sollten sie weglaufen, muss dass Navajeevan haften. Aufgrunddessen leben die Jungen 24/7 in einem Raum und dürfen nur ab und zu das Gebäude verlassen. 

 Wir unterrichten die Jungen in Mathe und Englisch und versuchen hierbei möglichst individuell auf die verschiedenen Lernniveaus der Kinder einzugehen. Mittlerweile merkt man die Fortschritte. So kann ein Junge bereits über den Tausender hinweg addieren und subtrahieren und das kleine Einmaleins ist auch kein Problem mehr für ihn. Ein anderer benötigt keine Würfel zum zählen, sondern kann nun mit richtigen Zahlen bis zehn rechnen. Die lateinischen Buchstaben und das englische Alphabet funktionieren auch immer besser. Einige kennen mittlerweile alle Buchstaben, während andere schon ganze Wörter lesen können. Sie alle lernen fleißig dazu, in ihrem eigenen Tempo, mit sehr viel Eifer.

Memory mit englischen Begriffen

Hinzu kommt, dass wir nun mit den Jungen ein bis zwei mal pro Woche nach draußen dürfen. Hier spielen wir Fußball, Volleyball, Federball oder ein bisschen Cricket, außerdem gibt es Springseile, die wir nutzen. Das alles war anfangs unvorstellbar, aber gehört nun fast schon zum Alltag. Auch die Staff Members, welche die Jungen betreuen sind mittlerweile viel entspannter. Auf diese Weise entsteht beim Spielen für alle eine sehr angenehme, fast familiäre Atmosphäre. Ich genieße diese Zeit sehr und freue mich mit und für die Kinder, dass sie nun die Möglichkeit haben, sich auch außerhalb des Raumes ab und zu auszutoben. 

Mitte Februar erhielten wir die Erlaubnis mit den neun Jungen, die derzeit im Shelter leben und zwei zusätzlichen Staff Members in ein Kino zu gehen. Dies war ein echtes Highlight für alle. Die Kinder haben sich extra schick gemacht, neue Hosen und Hemden bekommen und los ging der Ausflug! Für einige war es der erste Kinobesuch. 

Trotz anfänglicher Unsicherheit haben sie sich sehr gefreut. Den Jungen so etwas zu ermöglichen war echt ein toller Erfolg, auch für uns Volontäre. 

Unser aktuelles Projekt im Shelter ist die Gestaltung eines neuen Schlafraumes. 

Vor einigen Wochen haben die Jungen Betten und Matratzen bekommen. Diese stehen derzeit noch in dem Raum, in dem sie gemeinsam leben, lernen und schlafen. Hinter diesem gibt es ein weiteres Zimmer, welches bisher als Abstellkammer diente. Wir haben uns nun dafür eingesetzt, dass dieses ausgeräumt und saniert wird. Die Wände haben wir bereits selber neu verputzt, abgeschliffen und weiß grundiert. Hierbei durften unsere Jungs natürlich etwas helfen. Immer in zweier Teams konnten sie jeweils 15 Minuten streichen. Dies hat ihnen wirklich sehr gefallen. Auch wenn sie manchmal Quatsch machen, wie die Arme komplett in den Farbeimer zu stecken oder versuchen mit unseren Spachteln die Wand zu bemalen, haben sie sich gut benommen und waren bemüht uns zu unterstützen. In der nächsten Zeit soll der ganze Raum blau gestrichen und eine Wand mit Sternen und Planeten bemalt werden. Auf diese Weise möchten wir dazu beitragen, dass die Kinder die auch in Zukunft im Shelter leben einen vernünftigen, gemütlichen Rückzugsort haben. 

Solche Aktivitäten finanzieren wir selber oder über die bereits gesammelten Spenden. Vielen Dank an dieser Stelle an alle die mich hier unterstützen.

Als nächstes möchte ich von dem Slum, der Tadepalli-Community erzählen. Hier arbeite ich an drei Nachmittagen – Montag, Mittwoch und Freitag. Für unsere Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung gibt es ein eigenes Zelt inmitten der anderen Zelte der Community Bewohner*innen. Die Beziehung zu den Kindern wird immer vertrauter und ich kenne mittlerweile fast alle Namen. Auch die älteren Kinder und die jungen Mütter schauen nun ab und zu vorbei. Die jüngeren Mamas sind häufig zwischen 20 und 24 Jahre alt, also im gleichen Alter wie ich, aber haben schon zwei Kinder und sind verheiratet. Für sie ist es unvorstellbar, dass wir keine Kinder und auch noch keinen Ehemann haben. Einige geben ihre Kinder nur noch bei uns ab, um in der Zwischenzeit Wasser zu hohlen, zu kochen oder zu waschen. Das freut mich immer sehr, weil es zeigt, dass sie uns ihre Kinder anvertrauen und wir ihnen ein bisschen freie Zeit verschaffen können. Wenn wir mit den Kindern tanzen, kommen auch viele ältere Menschen dazu, um uns zu zuschauen oder mit zu machen. Das ist ein tolles Gefühl von Gemeinschaft und man fühlt sich angenommen.

Die Menschen in der Communtiy können kaum Englisch. Dies ist kein Problem, denn unser Telugu reicht mittlerweile aus, um ein bisschen mit ihnen zu kommunizieren. Ein kleiner Nachmittags-Plausch ist eigentlich immer drin.

Meine Woche endet sonntags mit der Arbeit im Chiguru. Anfangs war die Arbeit hier wirklich sehr anstrengend. 40 bis 60 Kinder zwischen drei und fünfzehn in ein Programm zu bekommen ist gar nicht so einfach. Mittlerweile haben Anna, Antonia und ich den Dreh raus. Wir haben eine Art Routine entwickelt, um den Tag für alle Jungen und Mädchen spaßig zu gestalten. Natürlich gibt es immer Kinder die aus der Reihe tanzen oder sich die Köpfe einhauen, aber wer sich prügelt muss gehen und wer ärgert kommt an unsere Hand. Es gibt für jede Situation eine Lösung, auch wenn dies anfangs unmöglich erschien.

Die Beziehung zu den Staff Members, also den Angestellten des Navajeevans und den Fathers wird von Tag zu Tag besser. Vor allem mit Jyoshna, der Leiterin des Chigurus, welche erst 21 Jahre alt ist, verstehen wir uns wirklich gut. Es beeindruckt mich jedes Mal wie diese Frau es schafft das größte Projekt des Navajeevans zu koordinieren und gleichzeitig eine super enge Bindung zu den Kindern aufrecht zu erhalten. Father Ratna ist ebenfalls eine sehr präsente Persönlichkeit. Er ist der Direktor des Navajeevans und somit hauptverantowortlich für die Projekte, uns Volontäre und vieles mehr. Mittlerweile hat es sich so eingespielt, dass er jeden Sonntag zur gleichen Zeit wie wir im Chiguru ist. Entweder essen wir dort mit ihm Mittag oder wir trinken gemeinsam einen Chai. Dies ist eine Art Weekly Catch-up, durch die ich mich gesehen und gehört fühle.

Schlussendlich möchte ich noch von meiner persönlichen Entwicklung der letzten sechs Monate erzählen. Vijayawada, die Menschen und die Projekte werden immer mehr wie ein Zuhause, man weiß wo sich was befindet, man kennt die Leute im Restaurant um die Ecke, sowie die Menschen im besten Chai-Laden. Die Security im Club kennt uns so gut, dass sie wissen wer neu ist oder nicht zu unserer WG gehört. Auch wenn alles um 23 Uhr schließt ist jeder Ausflug, jeder Besuch und jede Radtour immer ein kleiner Schritt weiter, Vijiyawada und dessen Bewohner besser kennenzulernen.

Ich habe Menschen in meinem Alter kennengelernt, die mich auf ein großes College-Event mitnahmen. Hier war ich die einzige Person, die nicht Telugu als Muttersprache hat. Natürlich ist ein solcher Ausflug, dann doch etwas Überwindung aber nur so hab ich die Chance mich selber herauszufordern und neue Kontakte zu knüpfen. Papa hat kurz vor meiner Ausreise zu mir gesagt: „Angst entsteht im Kopf, aber das tut Mut auch“.

Liebe Grüße Hanna hehe

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  1. Klaus Dierkes

    Hi Hanna, danke das wir mit dir Indien bereisen und kennenlernen durften, du warst für uns eine super Reiseleitung.
    Die Tage bei euch in Viji habe uns viel Spaß gemacht und uns einen kleinen Einblick in eure Tätigkeit gegeben – die Kinder lernen mit freude mit euch (und auch mit uns 😀).
    Bringt Euch weiterhin ein, seit kreativ und offen für Neues!
    Viel Spaß im bevorstehenden Summer Camp und viel Kondition bei den Temperaturen…..
    Liebe Grüße Papa Klaus

  2. Ulla Fricke

    Liebe Hanna, ich bin schwer beeindruckt von diesem tollen Beitrag. Und ich freue mich, dass ihr Lösungen findet, wo anfangs nur die blanke Verzweiflung herrscht!
    Danke dafür und für dein Engagement!
    Liebe Grüße Ulla

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