Jeder Tag ist anders

Nach mehr als drei Monaten, ist meine zweite Zahnpasta bereits verbraucht, das erste Term vorbei und ich habe das Gefühl, es wird Zeit, dass ich mal meinen Tagesablauf beschreibe.

Jeder Tag ist anders. Dadurch, dass wir keine konkreten Aufgaben zugewiesen bekommen haben, sondern sie uns selbst gesucht haben, hat es eine Weile gedauert, bis ein bisschen Struktur in unseren Tag gekommen ist. Mittlerweile haben wir ein paar feste Punkte während des Tages, dazwischen gucken wir, was sich so ergibt.

05:45 Uhr

Mein Wecker klingelt. Ich würde gerne sagen, dass ich mich an diese frühe Uhrzeit gewöhnt habe, was auch teilweise stimmt, weil die Sonne um kurz vor sechs aufgeht und der Himmel sich innerhalb weniger Minuten von dunkelblau zu hellblau verwandelt, aber es ist dennoch nicht so leicht mein gemütliches Bett zu verlassen.

06:15 Uhr

Morgens findet in der Kapelle auf dem Gelände immer (außer sonntags) eine Messe für die Salesianer statt. Es ist keine klassische Messe, sondern eine Mischung aus Gottesdienst und Vesper. Sie dauert zwischen 45 Minuten und einer Stunde.

Die Kapelle der Kommunität

07:20 Uhr

Ab sieben Uhr fangen die Schüler*innen an, zu kommen. Unser Weg zur Schule ist zum Glück nicht weit, denn das Gelände der Kommunität ist quasi ein ummauerter Bereich auf dem Gelände der Schule und des Oratoriums. Um viertel nach, erklingt die Schulglocke, die ein Metallreifen ist, gegen dessen Wände mit einem Stock geschlagen wird. Alle Schüler*innen versammeln sich dann auf dem Schulhof und stellen sich in Reihen hintereinander auf, für das Mot du Matin. Einer der Salesianer hält dann eine mehr oder weniger kurze Ansprache auf Kinyarwanda, danach wird das Vater Unser gebetet und dann gehen alle Schüler*innen in den Unterricht. Wir gehen zum Frühstück.

Fun fact: Wenn es morgens regnet, sind kaum Schüler*innen da. Sie kommen erst, wenn der Regen aufhört und sie trocken in der Schule ankommen. Dementsprechend findet dann auch kein Mot du Matin statt.

Der Eingang zum Schulgelände

11:00 Uhr

In der Schule ist eine Frau angestellt, die jeden Tag für die etwa 80 Schülerinnen und Schüler kocht. Dafür gibt es zwei riesige Töpfe, die in einem Metallofen über Feuer hängen und so erhitzt werden. In einem Topf wird das Gemüse und die Sauce gekocht, in dem anderen die Beilage. Was es gibt, ist jeden Tag anders, aber es wechselt immer zwischen Reis, Süßkartoffeln, Ubugali (aus Maniok oder Mais) und ganzen Maniokwurzeln. Die Sauce besteht meistens aus roten Bohnen, Tomaten und entweder Spinat oder Auberginen. Manchmal gibt es für jeden noch eine Avocado dazu. Es scheint nicht nur in Deutschland so zu sein, dass Schüler*innen das Schulessen nicht mögen. Aber wenn es Avocados gibt, kommt große Freude vor dem Essen auf, die Süßkartoffeln sind am wenigsten beliebt. Sonja und ich dagegen, lieben das Essen in der Schule. Wenn es Ubugali gibt, dann essen wir immer die Reste aus dem Topf, die nach dem Austeilen übrig bleiben. Der Mais-/Maniokteig wird noch im heißen Topf fest, wodurch eine köstliche, krosse Kruste entsteht.

Die Metallöfen der Schulküche (hier sind die Töpfe schon rausgehoben worden)

Ab elf Uhr gehen wir in die Kantine, um den Essenssaal vorzubereiten. Wir rücken Tische und Bänke zurecht, befüllen die Wasserkaraffen, verteilen sie und holen Becher aus dem Schrank. Danach stellen wir Teller und Besteck im Nebenraum bereit. Wenn das Essen fertig ist, werden die beiden Töpfe reingetragen. Erst stellen wir etwas für die Lehrer zur Seite, dann verteilen wir den Rest auf die Teller. Danach bringen wir das Essen für die Lehrer ins Lehrerzimmer, was nicht ganz unanstrengend ist für meine Armmuskeln.

Der Essenssaal (noch nicht ganz fertig vorbereitet)

Um zwanzig nach zwölf erklingt wieder die Schulglocke und die Schüler*innen kommen zur Kantine. Meistens machen wir es so, dass Sonja mir die Teller anreicht und ich sie dann an die Schüler*innen weitergebe. Wenn jeder Essen hat, wird kurz gebetet, dann gegessen. Manchmal essen Sonja und ich in der Schule mit, aber nur wenn es genug Essen gibt. Ansonsten gehen wir danach zur Kommunität.

12:30 Uhr

Mittagessen.

13:40 Uhr (nur donnerstags)

Wie ich bereits in einem Blogeintrag erzählt habe, geben wir einmal in der Woche Englischunterricht. Jetzt ist das erste Term schon vorbei, aber zu unterrichten bleibt weiter eine große Herausforderung. Unsere Klasse besteht mittlerweile aus circa 60 Schüler*innen, die aus vier verschiedenen Ausbildungen kommen. Alle leise zu bekommen ist dementsprechend schwierig. Da die meisten unserer Schüler*innen vorher kaum Englischkenntnisse hatten, haben wir mit den Basics angefangen. Erstmal ging es darum sich selbst vorzustellen, wie man heißt, wie alt man ist etc. Dann haben wir angefangen über die Personalpronomen und wichtigsten Verben zu sprechen und wie man diese verneint. Außerdem haben wir Zahlen, Wochentage und ganz viele Vokabeln besprochen.

Wir haben immer eine Doppelstunde, also zweimal 40 Minuten, aber die Zeit vergeht immer viel zu schnell. Oft schreiben wir am Anfang einen Vokabeltest, damit die Schüler*innen die Vokabeln auch tatsächlich lernen, aber das ist immer etwas schwierig. Weil unser Kurs so groß ist, ist der Klassenraum überfüllt und alle sitzen so nah beieinander, dass man zwischen den Tischen kaum durchkommt. Wir schaffen es meistens nicht, die Schüler*innen vom reden und abschreiben abzuhalten, aber ehrlich gesagt kann ich die Schüler*innen verstehen. Ich würde mich als Lehrerin auch nicht ernst nehmen.

Gerade haben die Weihnachtsferien begonnen. Vorher mussten die Schüler*innen aber erstmal in jedem Fach eine Klausur schreiben. Auch in Englisch. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals in meinem Leben eine Klausur konzipieren würde, aber wir haben das eigentlich ganz gut hinbekommen. Das Korrigieren war anstrengend und hat ewig gedauert, aber hat sogar ein wenig Spaß gemacht. Für einen der Salesianer, der Französisch unterrichtet, haben wir auch die Französischklausuren korrigiert, um ihm etwas Arbeit abzunehmen. Das war schon komplizierter.

16:00 Uhr

Während der Woche machen wir jeden Tag eine Stunde Kinyarwanda-Unterricht mit einem der Lehrer der Schule. Nach mehr als drei Monaten ist es noch immer so kompliziert, wie am Anfang. Mittlerweile schaffen wir es ein bisschen Smalltalk auf Kinyarwanda zu machen, aber richtige Gespräche sind noch nicht möglich. Ich bin stolz, wenn ich ein paar einzelne Worte verstehe, wenn sich andere Leute unterhalten.

17:00 Uhr

Während der Schulzeit, ist das Oratorium immer nur eine Stunde lang, da die Schüler*innen alle bis spät nachmittags noch in der Schule sind. Aber ab fünf Uhr ungefähr, kommen Kinder und Jugendliche auf das Gelände, um Sport zu machen, sich zu unterhalten oder Musik zu hören.

Schild am Eingang des Geländes

Links: die Grande Salle (Versammlungsraum), Mitte: Atelier de Menuiserie (Schreinerei), Rechts: Volleyball- und Basketballfeld, Hintergrund: Schule

Da wir mit Fußball und Basketball nicht allzu viel anfangen können, spielen Sonja und ich meistens nur beim Volleyball mit. Bei den kleineren Jungs können wir auch beim Fußball mithalten. Wenn wir nicht mitspielen, dann schauen wir zu und unterhalten uns mit anderen. Manchmal werden wir danach gefragt, den Jugendlichen Englisch beizubringen und ein paar Jungs haben sogar auch ein paar Deutsche Wörter gelernt. Im Oratorium kommen wir am besten dazu, unsere Kinyarwanda Kenntnisse zu testen. Viele Kinder müssen lachen wenn wir Kinyarwanda sprechen, weil unsere Aussprache so seltsam ist. Besonders lustig scheint es zu sein, wenn wir Jugendwörter benutzen, die uns Schüler*innen beigebracht haben. Mit kleineren Kindern spielen wir manchmal mit einer Frisbee, oder sie wollen unsere Haare flechten oder mit Haargummis und Klammern irgendwie hochstecken.

Auch im Oratorium ist es so, wenn es regnet, kommt keiner.

Um 18 Uhr ist dann das Mot du Soir. Einer der Salesianer erzählt kurz was, dann wir gebetet und danach gehen alle nach Hause.

18:45 Uhr

In de Kapelle findet ein etwa zwanzig-minütiges Abendgebet statt, danach gehen wir zum Abendessen.

20:00 Uhr (ungefähr)

Nach dem Abendessen gehen die Salesianer zurück in die Kapelle um den Rosenkranz zu beten, Sonja und ich gehen in die Küche. Dort helfen wir beim Spülen, Abtrocknen und Tischabräumen, wobei wir immer Musik oder Radio (was nur funktioniert, wenn das Licht im Esszimmer aus ist) hören, ein wenig singen und auch mal tanzen. Wenn wir denn nicht zu müde sind. Mit dem Koch der Kommunität unterhalten wir uns über unseren Tag oder fragen ihn alles, was wir nicht verstehen. Wenn wir in der Küche fertig sind, gehen wir meistens auf unsere Zimmer, da findet sich immer noch irgendwas was wir machen können.

Gelände der Kommunität; in dem rechten Haus wohnen Sonja und ich

Wie gesagt, ist jeder Tag anders und in den Zeiten, in denen wir keine festen Aufgaben haben, gucken wir was es zu tun gibt. Zum Beispiel sind wir sehr häufig in der Küche spülen, Gemüse schneiden und Reis sortieren, oder wir waschen unsere Wäsche, nähen Löcher in Klamotten zu, bereiten unseren Unterricht vor (meistens irgendwo draußen auf dem Boden, wenn wir nicht in unseren Zimmern sitzen wollen), korrigieren Vokabeltests, lernen Kinyarwanda und machen Hausaufgaben (das ist definitiv nicht meine Lieblingsbeschäftigung) oder setzen uns in den Unterricht und hören einfach nur zu und unterhalten uns mit den Schüler*innen während der Pausen. Auch zu den Gebeten und Messen am Morgen gehen wir nicht immer. Manchmal ist es ganz schön auch mal was länger zu schlafen.

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Was bisher noch passiert ist

  1. Georg Lehmacher

    Liebe Gesine,

    mit Genuss und Freude haben wir deinen tollen Bericht gelesen.
    Jetzt können wir uns dein Leben vor Ort besser vorstellen.

    Wir sind schon sehr gespannt wie du Weihnachten verbringst.

    Wir fahren am zweiten Weihnachtstag mit Barbara nach Hamburg zum Familientreffen und an Neujahr besuchen wir Ruth in Budapest. Diesmal ohne Barbara.

    Dir wünschen wir ein schönes Weihnachtsfest und für das neue Jahr viel Glück und weitere interessante Erlebnisse und Begegnungen.

    Ganz liebe Grüße
    Karin und Georg

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