In der letzten Zeit wurde ich immer öfter gefragt, was ich denn eigentlich den ganzen Tag lang mache. Die letzten Monate habe ich viel erzählt, doch dabei meinen Alltag vergessen.  Deswegen kommt hier mein Ablauf eines Tages ohne Besonderheiten (und die gibt es hier fast täglich 😉 )

5:00 Hahn kräht wie verrückt und der kleine schwarze Affe auf dem Baum vor meinem Fenster beginnt zu schreien
5:30 Der Wecker piepst. (von Montag-Sonntag ohne Ausnahme!)  Meistens bin ich dank des Hahns schon wach. Zeitgleich weckt Irène die Mädchen.
6:15 Ich gehe ins Foyer und trommle die liegen gebliebenen Schlafmützen aus den Betten. Weil es nachts echt kalt ist, sind sie von Kopf bis Fuß zugedeckt und dann geht’s ans leicht rütteln, Namen schreien, Decke wegziehen, kitzeln und wenn das alles immer noch nicht geholfen hat dann werden sie so lange geschüttelt und genervt von mir, bis sie aus dem Bett und vor mir flüchten.
Danach schau ich an der Kochstelle und im Essraum vorbei, bin einfach da und schicke die Mädchen, die vormittags Unterricht haben, in die Schule…
7:20 Frühstück – Baguette in heiße Schokolade tunken
7:40 Mit den Mädchen die Kochstelle, Essenssaal… putzen und alle antreiben, schnell in den Lernraum zu kommen (es klappt nie, dass wir pünktlich das Lernen anfangen, trödeln ist ihr Lebensmotto 😉 ).
8:00 3 Stunden Lerneinheit: bei den Hausaufgaben helfen, Unterrichtsstoff erklären, für Ruhe sorgen… (Weil die Schulen nicht ausreichend Klassenzimmer haben, haben einige Mädchen vormittags (7-12Uhr) Unterricht und die anderen nachmittags (14-18Uhr), also sind rund um die Uhr Mädchen im Foyer.)

Begeistertes Lernen

Begeistertes Lernen

11:00 Blog schreiben, in der Küche helfen, auf den Markt gehen, Alphabetisierungsunterricht und Gruppenstunde vorbereiten…
12:30 Mittagessen mit den Schwestern
13:45 Mittagsschlaf/ Pause
15:00 Die Mädchen lernen erneut für 1 1/2Stunden mit Soeur Lucie. Freitags gibt es statt Lernen Handarbeit (Häkeln, Stricken, Sticken…) Ich habe Zeit, um individuell mit einem Mädchen zu lernen, Freunde zu treffen oder mit Sr. Françoise die Wocheneinkäufe zu erledigen.
17:00 Putzmittel verteilen; Mädchen duschen schicken; beim Kochen vorbeischauen; Telefon verwalten (die Mädchen dürfen keine eigenen Handys haben, sondern können für wenig Geld mit dem Handy des Foyers anrufen); zum Essen, Putzen und Duschen animieren; irgendwie versuchen, das Chaos unter Kontrolle zu bringen 😉

Lieblingsbeschäftigung der Mädels: Hinsetzen, Reden, das Leben genießen und die Zeit vergessen

Lieblingsbeschäftigung der Mädels: Hinsetzen, Reden, das Leben genießen und die Zeit vergessen 😉

18:30 Abendessen
19:00 Die Mädchen putzen und essen. Ich sage ihnen alle 3 Minuten, dass sie sich beeilen müssen, weil die Etude gleich losgeht. Weil kaum einer hier eine Uhr hat kann ich die Zeit immer ein bisschen den Bedürfnissen entsprechend anpassen, deshalb sage ich schon um 19.30Uhr das in 5 Minuten das Lernen losgeht. Denn sonst würden wir niemals pünktlich ankommen. Die Mädchen in den Lernsaal zu treiben, das hört sich einfach an, ist es aber nicht.
20:00 Erneut für 1 ½ Stunden Assistenz beim Lernen.  Ich glaube, es ist schwer vorstellbar, wie laut 54 Mädchen sein können, wenn man das nicht selbst erlebt hat. Oftmals habe ich nach der Zeit vom „für Ruhe sorgen“ Kopf- und Halsschmerzen. Einige Mädchen schlafen auf den Tischen ein, andere reden pausenlos, andere malen, aber zum Glück sind die meisten eifrig und lernen.
21:30 Abendimpuls von einer Schwester + Gebet mit den Mädchen
22:00 Sternenhimmel bewundern und ins Bett fallen

Freitag abends wird die Lerneinheit durch eine Pause ersetzt. Das kann so aussehen:
– Spielen und tanzen auf dem Sportplatz
– Familienkonferenz bei der über Probleme und Aktuelles aus unserem gemeinsamen Leben als Familie gesprochen wird, denn wir sind hier alle Schwestern
– Chorprobe für Feste und Gottesdienste
– Ausbildung zu einem bestimmten Thema. Dazu laden wir Referenten von außerhalb ein. Die Mädchen durften selbst bestimmen, welche Themen sie interessieren und hören wollen. Am Freitag hat uns eine Mama, die bei einer NGO im Gesundheitssektor arbeitet, einen Vortrag über Teenie-Schwangerschaften, Verhütungsmittel,… gehalten.

Vor dem kleinen Fernseher finden alle irgendwie Platz

Vor dem kleinen Fernseher finden alle irgendwie Platz

Aufklärung

Aufklärungsstunde mit viel Getuschel und Gelächter der Mädchen 😉

Mein Mittwoch ist etwas anders als die anderen Wochentage. Vormittags gebe ich im Ausbildungszentrum der Schwestern für 8 Mädchen zwei Stunden Alphabetisierung. Wir kommen nur sehr langsam voran. Manche Mädchen haben zuvor nie die Schule besucht oder nur die erste Klasse. Beim Lesen sehe ich Fortschritte doch wenn ich ihnen Texte diktiere, dann korrigiere ich Blätter, auf denen kein einziges Wort richtig geschrieben ist und ich ohne den Originaltext nichts verstehe. Trotzdem macht es ganz viel Spaß mit den Mädchen. Sie wissen auf jeden Fall, wie wichtig es ist, dass sie Lesen, Schreiben und Rechnen können müssen als zukünftige Konditorinnen oder Schneiderinnen. Wir geben uns Mühe.
Nach dem Mittagessen habe ich eine Gruppenstunde mit 25 Kindern zwischen 2 und 6, die mit mir malen und singen. Auf dem Weg zu unserem Raum habe ich beide Hände mit Kinderhänden voll und mein T-Shirt wird als Schleppe umfunktioniert, an der sich auch noch 2 oder 3 Kinder halten. Zwischen ihnen sind echte Rabauken, die es nicht immer einfach machen, wenn sie aufeinander loszugehen, die Wände zu bemalen, wegrennen, die Bilder der anderen zerreissen und nie zuhören…Doch trotz aller Dummheiten in ihrem Kopf, macht es mich glücklich, sie so fröhlich zu sehen. Und süß sind sie allemal.

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Alltagskleidung

Sonntagskleidung

Sonntagskleidung

Schulkleidung

Schulkleidung

Das Wochenende hebt sich auch von den Wochentagen ab, es gibt bis auf Sonntag abends keine Lerneinheiten. Samstags morgens steht Wäsche waschen und der Großputz auf dem Programm, anschließend können die Mädchen auf den Markt gehen, sich frisieren,… Andere haben Unterricht oder Klausuren. Sobald das Foyer sauber ist, putze ich mein Zimmer. Damit ist dann schon der ganze Vormittag ausgelastet.
Nachmittags bin ich bei einer Gruppe in der Gemeinde mit 100 Kindern und Jugendlichen von 2-25 Jahren dabei. Samstags abends beten wir den Rosenkranz mit den Mädels. Ich esse bei den Brüdern zu Abend. Um 20.00Uhr gibt es einen Filmabend, das ist der einzige Tag in der Woche, an dem sie fernsehen können. Meistens schauen wir Filme mit Weißen, das gefällt ihnen aber nicht, denn sie sagen, sie verstehen das „weiße“ Französisch nicht 😀 Sie wollen Filme mit ihren Schwarzen und ihrem Französisch.
Sonntags ist die obligatorische Messe für alle Mädchen um 7:00Uhr. Nachmittags gibt es dann das Oratorio, wovon ich euch ja schon erzählt habe. Selbst die älteren unserer Mädchen haben einfach Zeit zum Kind sein, rumalbern und spielen.
Und dann geht das ganze Programm wieder von vorne los, doch keine Woche ist hier gleich oder ruhig. Mal haben wir mit Diebstahl, Krankheiten, Unordnung … zu kämpfen. Oft gibt es Feste zu feiern.Also Alltag würde ich das auf jeden Fall nicht nennen 😉

So langsam neigt sich der Harmattan dem Ende zu und die Nächte werden wieder heißer und die Tage noch wärmer als vorher, ich komme ganz schön ins Schwitzen 😉 Ich schicke euch ein paar warme Sonnenstrahlen!

– Franzi