Mit Don Bosco in Duékoué

Franzi in der Elfenbeinküste

18- Ihr habt die Uhr, aber wir haben die Zeit!

Mission Passfoto – Mission Impossible!?
Ich fahre im Februar nach Ghana zum Zwischenseminar. Dort treffe ich die anderen deutschen Don Bosco Volunteers aus Westafrika (4 aus Ghana, 2 aus Togo und 2 aus Benin). Wir werden uns über unsere Erfahrungen austauschen, neue Ideen für die restliche Zeit sammeln…  Anschließend wollen wir noch gemeinsam in Ghana rumreisen.
Dafür brauche ich natürlich ein Visum. Und intelligent wie ich bin, habe ich in Deutschland nicht daran gedacht, Passfotos für das Visum fürs Zwischenseminar mitzunehmen. Also habe ich mich in Duékoué auf die Suche gemacht. In den kleinen Copyshops habe ich schon öfter die Aufschrift „Photo Minute“ gesehen. Also sollte das kein Problem sein. Aus der Minute sind aber bei mir 2 Stunden geworden. Der erste Laden hatte zu, im zweiten Laden konnte man nur kopieren und im Cybershop (Copyshop und Cybercafé in Einem) hieß es erst JA und dann NEIN. Der Inhaber meinte, sie selber können das nicht machen, aber sein Kumpel macht Fotos also soll ich warten und er ruft ihn an. Ich warte und warte. Er ist nicht erreichbar, er fährt grad Roller, da kann er nicht rangehen. Aber er ruft bestimmt gleich zurück. Ich warte und warte und entschließe mich, wann anders wieder zu kommen, weil „gleich“ hier ziemlich relativ ist. Mein Zeitgefühl unterscheidet sich deutlich von dem eines Afrikaners.
Ich mache mich schon deprimiert auf den Heimweg, als ich einen Freund treffe und ihm von meiner missglückten Mission erzähle. Er sagt, dass wir es ja gemeinsam noch bei einem andern Laden, gleich um die Ecke, versuchen können. Also nichts wie hin. Zeit habe ich zwar eigentlich keine mehr, aber das ist hier egal. Gleich um die Ecke waren eher 20 Ecken, aber das war jetzt eh schon zu spät. Dort angekommen wird uns gesagt, dass der Junge, der eigentlich die Fotos macht, gerade nicht da ist. Also gibt Stéphane (meine Begleitung) sein Smartphone her. Damit werde dann nicht nur ich, sondern noch andere wartende Kunden fotografiert. Alles auf den Computer rüberziehen, in Word ein bisschen bearbeiten, irgendwie zuschneiden, fertig. Das ganze hat mindestens 30 Minuten gedauert. Doch nun musste das Bild auf dem Computer noch aufs Blatt gebracht werden. Eine Herausforderung, die wie sollte es anders sein, viel Geduld abverlangt. Beim ersten Druckversuch auf verknittertes Papier hat die Tinte ihren Geist aufgegeben. Patrone wird mit Spritzen nachgefüllt.
Klappe die Zweite: Die Bilder sind viel zu dunkel.
Klappe die Dritte: Die Bilder sind zu klein.
Klappe die Vierte: Die Qualität lässt zwar zu wünschen übrig, aber ich zahle jetzt meine 75 Cent für 4 Bilder und gehe dann. Besser werden die Bilder sowieso nicht mehr.
Ganz so schnell bin ich doch nicht weggekommen, denn die Bilder müssen erst noch ausgeschnitten werden. Erste Herausforderung: Schere finden. Zweite Herausforderung: Die viel zu eng aneinander geklebten Bilder ordentlich auszuschneiden. Das wäre dann nach weiteren 5 Minuten auch geschafft. Also nichts wie weg. Doch wieder muss ich warten. Erst muss noch ein Stückchen Papier gefunden werden, wo meine Bilder eingewickelt werden. Ich kann kaum glauben, dass ich meine Passbilder nun wirklich in den Händen halte. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Botschaft unscharfe Fotos mit Druckerstreifen akzeptiert und ich mein Visum bekomme.
Eine wichtige Sache kann mich Afrika jeden Tag lernen: Geduld.
Und auch, sich Zeit zu nehmen. Nicht auf die Uhr zu schauen. Das machen, was man machen will oder muss. Solange, bis es eben fertig ist. Dieses einfach in den Tag leben ohne Zeitdruck und Terminkalender, das ist das krasse Gegenteil meines deutschen Alltags, wo eine To-do-Liste und ein Termin die nächsten gejagt haben. Es ist etwas, was ich hier wirklich sehr schätze. Und sobald ich auf die Uhr schaue, fangen die Afrikaner an zu schmunzeln: „Ihr habt die Uhr, aber wir haben die Zeit.!“

Ich möchte euch noch vom Oratorium erzählen.
Es ist eine „Erfindung“ von Don Bosco, die es in allen Don-Bosco-Projekten der Welt gibt. In der Regel beinhaltet das Oratorium einen Platz für Kinder und Jugendliche zum Lernen, Spielen, Leben und Beten (Schule/Werkstatt, Spielhof, Haus/Foyer, Kirche/Pfarrgemeinde). Mit dem Ausbildungszentrum, den 2 Foyers für Jungen und Mädchen, der Kirche und dem großen Spielgelände gibt es das alles in Duékoué.
Hier wird als Oratorium die Spielzeit genannt, die  jeden Sonntag angeboten wird. Die Kinder können einfach spielen, glücklich sein, den ( oftmals harten) Alltag vergessen und  es ist ein Ort, an dem sie wirklich Kind sein dürfen.
Normalerweise kommen dann über 150 Kinder aufs Missionsgelände, um an verschiedenen Ateliers wie Basteln, Malen, Tanz, Sport und Theater teilzunehmen. Außerdem können sie Tischkicker, Playstation, Hüpfspiele, Duplo, Brettspiele… spielen. Viele Jugendliche sind Animateure, die die verschiedenen Ateliers leiten oder einfach Assistent sein, denn in der Pädagogik Don Boscos hat das Assistieren, das Einfach-da-Pädagogik Don Boscosellenwert.
Letzten Sonntag haben wir das Bestehen des Oratoriums gefeiert. Denn Don Bosco hat das Oratorium am 8. Dezember 1846 gegründet. Angefangen hat es mit dem Analphabeten und Waisenkind Bartolomäus Garelli. Als Don Bosco ihn gefunden hat, wusste er, dass er dieses und viele andere verwahrloste Kinder nicht einfach unbeachtet lassen kann.  Ihm und seinen Freunde lbrachte er Lesen und Schreiben bei und spielte mit ihnen. Aus wenigen Kindern wurden kurze Zeit später Hunderte.

Kinder sind wie Edelsteine, die auf der Straße liegen. Man muss sie nur aufheben und ein bisschen polieren, schon leuchten sie!

Mit circa 200 Kindern haben wir zur Erinnerung an die Wurzeln des Oratoriums ein großes Staffelspiel gespielt und es wurde an allen Ecken getanzt und gelacht. Meine Aufgabe dabei war es, weinende Kinder zu trösten, verlorene Kinder zu ihren Gruppen zurückzubringen, 10000 Bilder von allen Kindern zu machen (eine Fotokamera hat auf unsere Kinder eine magische Anziehungskraft) und einfach dabei zu sein, den Kindern ZEIT zu schenken.
Hier  ein paar Impressionen von diesem schönen Tag:
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So sehen Sieger aus...

So sehen Sieger aus…

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Wasserspiel

kleine Models

kleine Models

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Unglaublich, wie selbst die Kleinsten tanzen können!

Unglaublich, wie selbst die Kleinsten tanzen können!

Schaut  es euch selbst an! (Um das Video zu öffnen, auf die blaue Schrift klicken)

Danse Oratorio

Nun bin ich schon 150 Tage in der Elfenbeinküste. Am liebsten wäre es mir, die Tatsache zu vergessen, dass mit jedem Tag hier meine Zeit abläuft, denn mir geht’s wirklich wunderbar. Die Zeit soll für eine Weile einfach still stehen.

In diesem Sinne wünsch ich euch gerade in der Adventszeit ein paar Uhren und Terminkalender weniger und dafür ganz viel Zeit!

<3 Franzi

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19 – Weihnachtsgrüße

  1. Liebe Franziska!
    Also brauchen wir uns keine Sorgen mehr machen, dass Du die „deutsche Advents- und Weihnachtszeit“ vermisst – und daher Heimweh bekommst. –
    Deine Erfahrungen mit Zeit sind sehr sehr gewöhnungsbedürftig für Deutsche, aber Du versuchst Dich offenbar gut damit zu arrangieren. Eine gute Schule!
    Von Maria heißt es: „Sie bewahrte alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Du reflektierst alles so gut; bewahre es auch in Dir – für später…!
    Wir hier tun uns schwer, ganz in der Gegenwart zu leben, ganz bei dem zu sein, was wir gerade tun. Du musst das dort lernen, ob Du willst oder nicht.
    Liebe Franziska, wir wünschen Dir noch „ganz neue“ Adventserfahrungen, danken Dir für Deinen Bericht und grüßen Dich sehr herzlich!
    Anni und Kurt

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