Mit Don Bosco in Duékoué

Franzi in der Elfenbeinküste

14- Maçedoine

Im Französischen wird so zum Beispiel Obstsalat oder Mischgemüse genannt.
Maçedoine ist eigentlich Mazedonien- und da es sich aus vielen verschiedenen Stämmen zusammengesetzt hat, nennt man so auch alles andere Zusammengewürfelte und Vermischte.
Dieser Beitrag soll ein kleiner Mischmasch aus vielen kleinen Momenten und Geschichten aus meinem Alltag werden, die es nicht geschafft haben, einen eigenen Artikel zu bekommen. 🙂

Eigentlich sollte schon seit einigen Wochen die Zeit beginnen, in der die Tage sehr heiß und sind und die Nächte ziemlich kalt. Es weht dann ein staubiger und trockener Wind aus dem Norden, der Harmattan. Dieser bringt Wüstensand mit und sorgt dafür, dass Lippen und Haut aufplatzen, das satte Grün weniger wird… Doch dieses Jahr ist die Regenzeit sehr ausgedehnt – sie will einfach nicht mehr aufhören (Moskitos freuen sich darüber, sie sind für mich eine echte Plage).
Die letzten Wochen hatten wir manchmal stundenlang Dauerregen.
Wir haben alle Eimer geholt, die wir finden konnten, unter Regenrinnen platziert und das Wasser dann zum Putzen benutzt. Putzen macht hier übrigens echt Spaß, weil nicht gewischt wird, sondern Wasser eimerweise ausgekippt und es danach in die Abflussrinne geschoben wird.

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Wasserauffangstation 😉

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Regenwasser zum Kochen

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…oder zum Teller abwaschen

Bei krassem Regen sitzen die Mädchen ganz vermummt im Lernraum, um sich vor der Kälte zu schützen- für mich sind die Temperaturen bei Regen angenehm erfrischend. Endlich mal nicht schwitzen.

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„Franziska, wir können nicht lernen. Es ist viel zu kalt und der Regen viel zu laut.“

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Mathe ist für die meisten Mädchen ein großes Problem. Ich habe rausgefunden, dass es sich für sie viel leichter rechnet, wenn es sich nicht um bloße Zahlen, sondern um Orangen handelt. Dann ist alles nicht mehr so abstrakt. Denn Einkaufen, das tun die Mädels jede Woche. Sie kennen jeden Preis auf dem Markt und wissen, an welchem Stand sie die besten Orangen, Tomaten oder was auch immer ihr Herz begehrt, bekommen.
Charlène sollte folgende Aufgabe lösen: 7:2. „Also, wir haben 7 Orangen und teilen sie zwischen uns beiden auf. Wie viele bekommt jeder?“ Ihre Antwort: „Ich nehme 4 Orangen und du kriegst 3!“ Ja, so kann man dieses Problem auch lösen 😀
Auch wenn ich mein Lachen nicht unterdrücken kann, ist es letztendlich doch ziemlich traurig, dass sie die Matheaufgabe immer noch nicht kann, nachdem wir schon 10 nach dem gleichen Schema bearbeitet hatten.
Mit einem Mädchen in der 9. Klasse rechne ich Matheaufgaben. Irgendwann sind wir an einem Punkt angekommen, wo sie mich verzweifelt anschreit, und ich nur noch lachen kann. Ich bin zu blöd, um zu verstehen, dass 2+1=5 ist. Ich konnte sie bis erst davon überzeugen, dass 3 logischer ist, nachdem sie alle Freundinnen um Rat gefragt hat und ich ihr versichert habe, dass ich das in Deutschland in der Schule gelernt habe. Man braucht hier eine Menge Humor und Geduld.
In einem Französisch-Aufsatz über Ebola hab ich eine interessante Schreibweise von Schimpanse (chimpanzé) gefunden: chien pensé (gedachter Hund). Da jedes Mädchen hier ihre Stammessprache zuerst gelernt hat und fast nur diese in der Familie gesprochen wird, ist Französisch nicht immer ganz so leicht für sie. Es ist eben ihre 2. Sprache, obwohl es die Amtssprache der Côte d’Ivoire ist. Manchmal entdeck dann sogar ich Fehler 😉

Während der abendlichen Lerneinheit gehe ich durch die Reihen. Es ist wie so oft, viel zu laut. Auch der Stillefuchs, verzweifelte „SILENCE“ & „Taisez-vous“-Rufe bringen nichts. Mein Kopf tut schon weh vom Schreien und Geräuschpegel. Manchmal ist es einfach nur anstrengend und hoffnungslos, 55 Mädchen unter Kontrolle zu bekommen. Ich mache eine rasche Handbewegung, um meinen Finger auf die Lippen zu legen “ Psst“. Das habe ich heute schon mindestens 10 Mal gemacht. Aber dieses Mal passiert etwas Unerwartetes. Es bleibt laut, nur ein Mädchen wird ganz leise. Ich stehe neben Rose. Sie schreckt zusammen, hat Angst. Was hab ich falsch gemacht? -Meine schnelle Handbewegung! Rose dachte, ich würde ausholen, um sie zu schlagen, weil sie nicht still war. Nachdem ich ihr erklärt habe, dass es mir niemals einfallen würde, ihr  absichtlich wehzutun, fällt alle Anspannung von ihr ab. Doch allein dieses Zucken und die Angst in ihren Augen sprechen dafür, dass Gewalt, Schläge und Angst vor Strafen nichts Fremdes für sie sind.

Jeden Mittwoch freue ich mich auf 25 Kinder zwischen 4 und 6 Jahren, mit denen ich male und bastle. Ganz süß ist es dann immer, wenn sie mich nach den Stiften fragen. Oft verwechseln sie die Farben noch, doch bei braun sind sie sich immer sicher: „Ma sœur, je veux chocolat!“ (Meine Schwester, ich möchte „Schokolade“.) Wenn das ein Kind mit großen Augen zu mir sagt, dann schmelze ich wirklich dahin.
Nach der Gruppenstunde warte ich noch mit zwei Kindern auf ihre Mamas. Ich stehe etwas in der Sonne und die zwei Kleinen im Schatten eines Baums:
-„Willst du nicht unter den Baum kommen?“
– „Ich bräune mich ein bisschen“  Bräunen, das Wort existiert anscheinend nicht im Wortschatz eines afrikanischen Kindes.
Grace-de-Dieu schlussfolgert: „Ah, du willst noch heller werden.“
– „Nein, ich kann nicht noch heller werden. Ich bin ja schon fast ganz weiß.“
– Immanuel durchschaut die Situation: „Du willst genauso schwarz werden wie wir.“ 😀

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Stromausfälle gehören auch zu meinem Alltag.
Tagsüber nerven sie mich – meistens gibt es genau in dem Moment keinen Strom mehr, wenn ich in den kleinen Laden geh, um Photokopien machen zu lassen. Dann muss ich eben später wiederkommen. Manchmal wird der Strom von morgens um 7 bis abends um 9 einfach abgestellt. Ganz schön praktisch, dass die Schwestern hier mit Gas kochen und das meiste auch ohne Elektrizität einigermaßen funktioniert.
Aber nach Einbruch der Dämmerung habe ich Stromausfälle lieben gelernt. Sobald der Strom weg ist, fangen alle Mädchen an zu schreien und verfallen in Panik. Und ich, ich schaue  zum Himmel rauf. So einen Sternenhimmel kann man in Deutschland wegen den vielen Lichter und Lampen wohl nie sehen. In Duékoué sieht man die Sterne jede Nacht ziemlich gut, weil die Lichtverschmutzung viel geringer ist. Aber wenn in Duékoué alles zappenduster ist, wenn nicht mehr mal das kleinste Lichtlein brennt, weil der Strom mal wieder weg ist, dann funkeln Millionen Sterne am Himmel um die Wette *_*

Meiner ersten Schlange durfte ich  diese Woche begegnen, direkt vor meiner Haustür. Ich bin letzte Woche in ein anderes Haus gezogen, weil mein altes Zimmer zu heiß und moskitofreundlich war 🙂 Das neue Haus ist ein bisschen me hr im „Busch“, also ein guter Lebensraum für Schlangen.  Sie war wirklich lang, groß, angsteinflößend und ich glaube grün (vor lauter Aufregung hab ich das vergessen). Vor Spinnen und sonstigen Krabbeltieren habe ich keine Angst, aber Schlangen! Eine Riesenspinne schläft schon seit drei Nächten neben mir an der Wand. Aber sie tut mir nichts und ich ihr nicht – ich glaube wir könnten Freunde werden ;).
Zum Glück hatte die Schlange mindestens genauso viel Panik vor mir wie ich vor ihr und so hat sie sich schnell vom Acker gemacht. Wir gehen lieber getrennte Wege.

Mich beeindrucken jedes Mal aufs Neue die Frisuren und Haare der Afrikaner. Fast jeden Tag finde ich in irgendeiner Ecke des Foyers ein paar Mädels, die sich gegenseitig frisieren. Das hat hier Tradition, ist Bestandteil des Alltags, gehört zur Kultur. Dabei wird der neuste Klatsch und Tratsch ausgetauscht.
Die meisten Schulkinder tragen ihre Haare kurz, weil es in der Schule nicht erlaubt ist, sich die Haare etwas länger wachsen zu lassen. Doch an einigen Schulen ist das auch etwas lockerer und das wird dann gerne ausgenutzt, um die Haare zu flechten oder mit Fäden zu kleinen Zöpfen zusammen zu binden.

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Meine absolute Liebslingsfrisur – ein kleiner Alien

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Die Mädels haben auch meine Haare afrikatauglich gemacht. Simone, ein Mädchen aus dem Foyer, hat mir 10 kleine Zöpfe geflochten- und das hat nicht einmal eine Stunde gedauert.
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Nach einer Woche hab ich es wieder aufmachen lassen. Normalerweise kann man das mindestens 4 Wochen lassen, aber meine Haare sind dafür zu weich und außerdem ist es nicht die schönste Vorstellung, was sich nach einem Monat in so kleinen Zöpfen alles verirren kann.
10 Hände in meinen Haaren und auf meinem Kopf um die Frisur zu zerstören- was eine schöne Massage. Und dann hab ich den ersten Löwen in Afrika gesehen – mich 😀

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Ich mach den Löwen schon Konkurrenz, oder?

 

 

Liebe Grüße von euren weißen Freunden 😉 (Ja, Puder wird hier in Massen verwendet!)

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Wer ist denn nun hier die Weiße?

 

 

 

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  1. Mama und Papa

    Liebe Franzi-Löwin, schöne Geschichten erzählst du aus deinem Alltag. Das hat mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Auch wenn deine Lehrmethoden anscheinend für Westafrika nicht tauglich sind, so bist du sicher eine gute Mädchen-Versteherin! Ich freue mich, dass du so manche Schwierigkeit mit Humor zu tragen versuchst. iUnd ch hoffe, die Schlangen verschwinden auch weiterhin vor dir, pass gut auf dich auf!
    Mama
    PS: Wie gerne würde ich mal wieder in deiner Löwenmähne kraulen!

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