Franzi in Indien

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Sommer, Sonne, Strand und Mehr

Während in Deutschland das Wetter typisch für den April verrückt spielte und teilweise wieder Schnee lag, erreicht der Sommer hier gerade seine Hochphase. Am heißesten ist es in Tamil Nadu nämlich Ende April und im Mai. Seit ein paar Wochen steigen die Temperaturen somit jeden Tag auf 40°C oder sogar noch darüber hinaus und auch in der Nacht kühlt es nicht mehr wirklich ab. Auch bei der täglichen Games Time merkt man den Temperaturanstieg, denn barfuß spielen ist zur Zeit nicht mehr drin, weil der Boden einem die Füße verbrennt. Ohne Sonnencreme, Ventilatoren, der Klimaanlage nachts und dem ein oder anderen Mittagsschlaf, würde ich die Hitze nicht überstehen. Ich bin aber froh, dass nicht nur mir die Sonne so zusetzt, sondern auch den Menschen hier. Zwischen 9 und 16 Uhr  wird eigentlich von allen die pralle Sonne ,so gut wie möglich, gemieden. Uns gegenüber haben sich die Fathers des Öfteren beschwert, dass der Somme wohl dieses Jahr besonders warm ist. Anscheinend war der Winter nämlich nicht so „kalt“ wie sonst und auch der Regen war nicht ausreichend. Besonders hier im Care Home blieb der Regen lange Zeit aus. Und zwar sehr lange Zeit. Letzten Freitag hat es hier das erste Mal seit Anfang Dezember richtig geregnet. 5 Monate kein Regen! Ich finde es immer noch verrückt, dass es so lange war. Verständlicherweise haben die Menschen hier auch eine ganz andere Sichtweise auf Regen. Während man sich bei uns oft über Regen beschwert, wird er hier als ein Segen angesehen. Am Geburtstag ist nicht Sonnenschein wünschenswert oder ein gutes Zeichen, sondern eben Regen. Nachdem ich hier diese endlos erscheinende regenfreie Zeit miterlebt habe, kann ich diese Einstellung sehr nachvollziehen. Wie schön war doch das Gefühl, als einem endlich wieder Regentropfen aufs Gesicht fielen und natürlich ist es auch für viele der Menschen hier, die auf die Landwirtschaft angewiesen sind, überlebenswichtig, dass es regnet.

Nachdem die Jungs dann alle ihre Examen hinter sich hatten und das Schuljahr vorbei war, wurde im Care Home am 14. April das Summer Camp mit einer kleinen Zeremonie eröffnet.


Neben Spiel, Spaß und verschiedenen Wettkämpfen stand jeden Vormittag auch ein bisschen Unterricht auf dem Plan.
Für Hannah und mich bedeutet das, dass wir mit den 9. und 10. Klässlern ein bisschen Grundlagen in Englisch auffrischten und Schreiben, Sprechen und Lesen übten. Der Unterricht war lustig, chaotisch und teilweise auch recht anstrengend, aber hat mir im Großen und Ganzen Spaß gemacht. Ich fand es besonders schön, dass ich mal mehr mit dieser Altersgruppe zu tun hatte. Doch damit war der Vormittag für uns noch nicht vorbei. Nach der Englischstunde ging es nämlich zu der jüngeren Gruppe (1.-8. Klasse). Hier gaben wir aber zum Glück keinen Englischunterricht, was bei dieser großen Altersspanne nämlich sehr kompliziert geworden wäre, sondern gaben Kunstunterricht. Nachdem wir ganz zu Beginn gemeinsam ein „Arts Class“ Plakat gestalteten, ging es danach weiter mit Schlangen basteln, Tiere malen, Armbänder knüpfen (was nur mäßig gut geklappt hat), Mandalas ausmalen und Abschiedskarten für zwei Fathers basteln( dazu nachher noch mehr). An einem Vormittag verlagerten wir die Arts Class kurzerhand nach draußen und die Jungs konnten sich mit allem, was sie in der Natur fanden, kreativ ausleben. Was ich nicht erwartet hatte, war, dass die Jungs anfingen ganze „Häuschen“ zu bauen.

Natürlich kam aber auch der Spaß im Summer Camp nicht zu kurz.

Zu Beginn des Summer Camps wurden die Jungs in vier Teams eingeholt. Die drei Wochen über konnten die Jungs in den Klassen, bei Wettkämpfen oder auch anderweitig Punkte für ihr Team sammeln. Jeden Morgen wurden dann bei der Versammlung die Punkte vorgelesen und der Captain des führenden Teams durfte die Teamflagge hissen. Da die Jungs zur Zeit die Cricket IPL (India Premier League) gespannt verfolgen, war es wohl keine Überraschung, dass die Teams alle wie Cricket Teams hießen. So traten MI (Mumbai Indians), KKR (Kolkota Knight Riders), RR (Rajastan Royals) und CSK (Chennai Super Kings) gegeneinander an. Ich möchte hierbei natürlich erwähnen, dass sich mein Team (MI) den Gesamtsieg sicherte. Darüber, ob mein Mitwirken maßgeblich  zum Sieg beigetragen hat, lässt sich vermutlich streiten (Die Antwort wäre höchstwahrscheinlich Nein), aber ich wurde auf jeden Fall immer von meinem Team mit einbezogen, was mich sehr gefreut hat. Wie bereits erwähnt, gab es das Summer Camp über immer wieder verschiedene Wettkämpfe. Hier mal eine kleine Übersicht:

-Fußball-, Basketball-,Cricket- und Volleyballturnier: Das Fußballturnier startete etwas verspätet, weshalb es schon recht dämmrig war und die Sicht somit nicht die Beste war. Letzten Endes musste das Finale dann auch auf den nächsten Tag verlegt werden, weil man beim letzten Spiel von außen nicht mal mehr den Ball sah. Das Cricketfieber hat mich leider noch nicht erfasst, aber ab und zu mal hier bei den Jungs zuzuschauen oder auch mitzuspielen (wobei ich einen großen Teil der Zeit auch nur rumstehe), macht mir dann schon Spaß. Natürlich spiele ich nur noch ohne Brille, nachdem diese mein erstes Cricketmatch nicht überlebt hatte.

-Kabbaddi: Ich habe ja schon einmal in meinem Blogeintrag über Pongal erzählt, was Kabbadi ist. Und obwohl Hannah und ich dabei nicht mitspielen können, hab ich mich den ganzen Tag schon darauf gefreut. Das Zuschauen ist nämlich auch super lustig und außerdem wird hier so selten Kabbaddi gespielt, dass es einfach was Besonderes ist.

-Fancy Dress Competition: Als der Kostümwettbewerb angekündigt wurde, hätte ich nicht gedacht, dass es alle sooo ernst nehmen. Doch als wir kurz vor Programmstart durch das Care Home liefen, sah man überall Jungs, die sich gegenseitig mit Farbe anmalten und ihren Kostümen den letzten Schliff verpassten. Von einem Mini Gandhi, über Cricketspieler und Joker, bis hin zu einer Katze, war einfach alles dabei. Danach musste jeder einzeln auf einem Laufsteg sein Outfit präsentieren und jeder gab wirklich 100%, was teilweise super lustig war. Hannah und ich verkleideten uns gemeinsam mit Sara, einer ehemaligen Freiwilligen, die für eine Woche zu Besuch da war, als Typen und gingen logischerweise vollkommen in unserer Rolle auf.

-Short Film: Auch wenn ich die Handlungen aufgrund der Sprachbarriere nur begrenzt verstanden habe, war es doch sehr unterhaltsam. Die Jungs haben sich aber auch alle sehr viel Mühe gegeben und Ewigkeiten mit dem Drehen und Schneiden verbracht (dramatische Slow-Mo Szenen gab es definitiv genug. Da haben sich die Jungs sehr an den Tamil Filmen hier orientiert).

-Sing- und Tanzwettbewerb: Während ich beim Singwettbewerb noch drumherum kam, Solo zu singen und gemeinsam mit Hannah und Sara „Mamma Mia“ performte, konnte ich beim Tanzwettbewerb einen (improvisierten!!) Solotanz leider nicht verhindern und musste mich meinem Schicksal ergeben. Sehen wir es positiv: Nach dem Jahr ist mir auch nichts mehr peinlich!

Das Highlight des Summer Camps war aber für mich und vermutlich auch viele der Jungs, der Ausflug nach Velankanni und Thanjavur. Am Dienstag ging es abends um 11 Uhr mit dem Bus los. Wir waren zuvor schon vorgewarnt worden, dass im Bus nicht geschlafen, sondern nur gefeiert werden würde. Ich hatte erwartet, dass einfach laut Musik gespielt werden würde und alle auf den Sitzen mitsingen. Nichts da. Nachdem wir das Care Home unter lauten Geschrei und Gepfeife verlassen hatten, startete die Musik, die im Bus eingebauten Disco Lichter gingen an und die Jungs begannen im Gang wie wild zu tanzen. Das Feiern ging aber zum Glück nicht die ganze Nacht. So viel Spaß es gemacht, wollten alle dann doch zumindest ein bisschen Schlaf bekommen. Ich saß neben dem sechsjährigen Ravi*, der quer auf dem Sitz liegend (da wäre man gerne auch mal wieder so klein) einschlief und dabei mit dem Kopf auf meinem Bein lag und sich an meinen Arm klammerte. Es war wirklich richtig süß und herzerwärmend. Das sind wirklich die Momente, die diesen Freiwilligendienst und meine Arbeit so besonders und wunderschön machen. Und auch wenn ich selber nicht wirklich schlafen konnte, weil er bei jeder Bewegung von mir fast aufwachte, war es das definitiv wert!

Der erste Stopp war ein College, welches von den Salesianern geleitet wird und wo unser Rektor vom DBCH im Mai hin wechseln wird. Dort hatten alle die Möglichkeit noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, bevor es nach einem Frühstück gestärkt weiterging. Wirklich erholsam war die Nacht aber nicht und ich war überrascht, dass vor allem die kleinen Jungs den folgenden Tag so motiviert und energiereich überstanden haben. Daran waren aber vermutlich die ganzen Snacks schuld, die es den Tag über immer gab und deren Zucker die Jungs wach hielt.

Zuerst einmal ging es ans Meer, was ich und ein Großteil der Jungs nicht trocken überstanden habe. Bei der Hitze kommt einem eine Abkühlung aber immer recht, nur der Sand und das Salz, dass danach überall in meinen Klamotten war, hätte nicht sein müssen. Nachdem genug Bilder geschossen wurden, eine Sandburg vollendet wurde und Hannah von einem der Jungs mit einer toten Krabbe verfolgt wurde, ging es mit dem Bus weiter nach Velankanni.

Velankanni ist aufgrund dreier Marienerscheinungen einer der wichtigsten christlichen Wallfahrtsorte in Indien. Auf einer relativ großen Fläche sind Kapellen, Kirchen und Gebetsräume verteilt, die alle weiß verputzt sind und daher in der starken Mittagssonne richtig strahlen. Ich hatte zuvor schon einige Male von Velankanni gehört, ging aber fälschlicherweise immer davon aus, dass es nur eine einzige Kirche sei. Ich fand es sehr interessant das Gelände zu erkunden und die Kirchen und Kapellen, die in Vielem unseren Kirchen daheim gleichen, dann aber auch doch anders sind, zu besichtigen. Die Nachmittagssonne war nur sehr, sehr stark, weshalb der Besuch des klimatisierten Gebetsraums sehr angenehm war.

Auf dem Rückweg legten wir in Thanjavur einen letzten Stopp ein und statteten dem Brihadishvara Tempel einen Besuch ab. Hannah und mich hatte zuvor das Pech bei Tempelbesuchen verfolgt. Viermal standen wir schon vor verschlossenen Toren, wenn wir einen großen Tempel besuchen wollten. In Thanjavur war das Glück aber endlich auf unserer Seite und es schien, als wolle sich das Schicksal für die erfolglosen Besuche zuvor entschuldigen, denn wir konnten den Tempel nicht nur betreten, sondern es gab an diesem Abend auch eine Live Show mit Musik und dem traditionellen Tanz Bharatanatyam. In Sayalkudi hatten Hannah und ich uns auch schon einmal an Bharatanatyam probiert, sind aber kläglich gescheitert. Ich fand den Besuch des Tempels sehr beeindruckend und einprägend. Die Live Show, der im Dunkeln erleuchtende Tempel und die ausgelassene, freudige Stimmung der Menschen sorgten für eine nahezu magische Atmosphäre. Insgesamt finde ich die Stimmung in Tempeln immer sehr eindrucksvoll.

Im Summer Camp kam ein Brother von extern ins Care Home, um dieses mit zuleiten. Im Gespräch mit ihm erfuhren wir, dass dieser in der 10. Klasse der Kongregation beigetreten ist. Als wir in Thanjavur in einer Don Bosco Einrichtung zu Abend aßen, begegneten wir dort auch einigen Jungs, die anstreben Brother/Priester zu werden und deshalb dort in der Einrichtung leben und zur Schule gehen (Die richtige „Ausbildung“ zum Priester beginnt dann nach der 12. Klasse). Klar können die  Jungs die Kongregation immer noch verlassen, aber das ist natürlich bei einigen nicht der Fall. Ich fand das total beeindruckend, aber auch unvorstellbar, dass man in so einem jungen Alter (manche gingen erst in die 8. Klasse), schon so eine weitreichende Entscheidung für sein Leben treffen kann. Schließlich ist das keine Entscheidung, die sich nur auf das Berufsfeld auswirkt (in Deutschland beginnen ja auch schon viele mit 16 eine Berufsausbildung), sondern auch auf alle anderen Lebensbereiche. Denn man lebt nachher ja auch in der Community und widmet sein ganzes Leben Gott und der Mission der Salesianer. Auch die Entscheidung niemals zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen, find ich so früh echt heftig.

Wie vorher bereits erwähnt, haben wir in unserer Arts Class Abschiedskarten für zwei Fathers gebastelt. In Indien ist es nämlich üblich, dass die Salesianer so gut wie jedes Jahr ihre Einsatzstelle wechseln. Nur der Rektor bleibt immer drei bzw. sechs Jahre, wen die Einsatzzeit verlängert wird, an einem Ort. Das sechste Jahr unseres Rektors im DBCH ist nun aber vorbei, weshalb er in Kürze gehen wird. Außerdem gehen die beiden Brothers und ein weiterer Father, womit nur zwei „alte“ Father dableiben werden. Obwohl der Wechsel erst am 24. Mai ist, war die Verabschiedungsfeier schon am Ende des Summer Camps, da am folgenden Tag ein Großteil der Jungs nach Hause bzw. zu Verwandten fuhr. Ich habe schon einige Programme im Care Home miterlebt, aber die Verabschiedungsfeier war bisher mein absolutes Lieblingsprogramm. Insgesamt gab es fünf Tänze, ein Song, ein Drama und mehrere Dankesreden, wobei jeder der Jungs an einem Programmpunkt beteiligt war, was ich echt schön fand. Da die Jungs die ganzen Tage zuvor sehr viel Zeit zum Proben bekommen haben, waren die Tänze wirklich wirklich gut. Ich bin immer wieder aufs Neue beeindruckt wie gut. Hannah und ich haben gemeinsam mit drei der Mitarbeiter getanzt, wofür wir die Abende zuvor immer extra lange aufblieben und geprobt haben. Es hat aber auch mega viel Spaß gemacht und der Tanz war am Ende auch echt nicht schlecht.
So schön die Feier auch war, fand ich es dann doch auch traurig. Alle vier sind in der Zeit über wichtige Bezugspersonen für mich geworden, an die ich mich bei Fragen und Probleme wenden konnte und mit denen ich auch unzählige lustige Gespräche hatte. Dass sie nun alle gehen, find ich extrem schade und ich bin auch ein bisschen unsicher, ob das Verhältnis zu den neuen Salesianern wieder so gut wird.  

Dance Crew

Den Wechsel bekommen Hannah und ich aber gar nicht direkt mit, wir fahren nämlich am Montag in den Urlaub und kommen erst Anfang Juni wieder zurück. Da freu ich mich schon sehr drauf und hoffe, dass alles -zumindest weitestgehend- gut verläuft.

Ich sende ganz liebe Grüße aus Indien.
Franzi

*Den Namen habe ich zum Schutz geändert.

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