Obwohl der Alltag immer weiter einkehrt, ist in den letzten Wochen doch sehr viel passiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Deshalb heute mal ein kunterbuntes Durcheinander.
In meinem Blogeintrag zu Diwali hatte ich am Ende ja schon kurz erwähnt, dass wir leider aus verschiedenen Gründen nicht mit in die Grundschule können. Als wir das erfahren haben, hat mich das Ganze erstmal etwas enttäuscht und demotiviert. Am meisten ärgert es mich, dass man sich auf etwas einstellt und besonders auch darauf freut, nur um dann enttäuscht zu werden. Vor unserer Ausreise, wurde uns gesagt, dass wir (wie auch alle Voluntäre zuvor) im DBCH Englisch unterrichten werden. Hier angekommen haben wir nach zwei Tagen Verwirrung erfahren, dass seit Corona kein Unterricht mehr im Projekt stattfindet und alle Jungs in die Schule gehen. Der Englischunterricht fiel also weg. Getröstet haben wir uns mit der Vorstellung, dass wir nach einem Monat mit in die Grundschule können. Für uns hatte es nämlich so geklungen, als wäre das ziemlich sicher und es müssten nur noch Einzelheiten geklärt werden. Tja, nach drei Monaten in Indien hab ich gelernt, dass die deutsche und indische Kommunikation sich etwas unterscheidet. Während es für meine deutschen Ohren klingt, als wäre alles fix und sicher, hab ich das Gefühl, dass es für Inder und Inderinnen nur heißt, dass es vielleicht so sein könnte und man sich mal drum kümmern könnte. Wir haben uns aber ziemlich schnell damit abgefunden, dass wir nicht in die Grundschule können und ich bin auch happy so wie es jetzt ist. Die Vormittage sind trotzdem sehr gut mit allem Möglichen gefüllt. Da wir nämlich jetzt jeden Abend mit den jüngsten acht Jungs während der Study Time rausgehen, um Englisch zu üben und Spiele zu spielen, nutzen wir die Vormittage um ein bisschen was vorzubereiten. Acht Arbeitsblätter per Hand vorzubereiten oder ein Memory zu malen, frisst dann doch einige Zeit.
Auch wenn Weihnachten nur noch wenige Tage entfernt ist, so wirklich Weihnachtsstimmung will bei mir nicht aufkommen. Bei strahlendem Sonnenschein und 30°Celsius Außentemperatur, fühlt es sich für mich aber auch immer noch an wie Sommer und überhaupt nicht wie Mitte Dezember. Auch auf das gemütliche Schlendern über den Weihnachts- und Mittelaltermarkt in Esslingen, Gutzle (Plätzchen)backen und Punsch trinken, muss ich dieses Jahr verzichten. Zum Glück fällt aber nicht alles, was die Advents- und Weihnachtszeit ausmacht, ins Wasser. Wie auch daheim gibt es einen Adventskranz (in guter indischer Tradition natürlich mit bunt blinkenden Lichterketten verschönert) und seit einigen Wochen wird fleißig an der Krippe gebastelt, auf die ich schon sehr gespannt bin. Außerdem verbringen Hannah und ich zurzeit die Vormittage, wie auch den ein oder anderen Abend, mit Weihnachtsdeko basteln. Nur, dass wir dafür Papier in Neonfarben bekommen haben, find ich weniger passend ( Weihnachtsfarben sind schließlich ganz klar rot, grün und Gold! ). Wenn man die Deko hier in zwei Worten beschreiben will, trifft es eigentlich ein „Kunterbuntes Durcheinander“ am Besten (Um auch nochmal schön auf meine Überschrift zurückzukommen). Überall bunte Lichterketten, Sternen mit Mustern und bunten Farben und nun noch unsere neonfarbene gebastelte Dekorationen. Ganz meinen Geschmack trifft es ehrlicherweise nicht.
Außerdem haben wir beiden Volos einen Adventskalender für die Jungs gemacht. Jeden Tag bekommen zwei von ihnen ein kleines Geschenk in Form eines Kullis und zwei Lollis. Auch wenn jeden Tag das Gleiche drin ist, fiebert ein Großteil der Jungs ihrem Tag entgegen und uns wird morgens schon von einem strahlenden Kind erzählt, dass es heute Abend endlich dran ist.
Obwohl mich das Weihnachtsfieber noch nicht ganz gepackt hat, freu ich mich trotz allem auf die Weihnachtsfeier gemeinsam mit den Jungs. Denn auch wenn es ein altbekanntes Fest ist, wird Weihnachten dieses Jahr wohl doch eine komplett neue Erfahrung.
Am 1. Dezember war der „World AIDS Day“. Für uns ging es dafür mit den College Boys und paar anderen der älteren Jungs nach Salem zu einer Kundgebung. (Typisch Indisch haben wir erst am Morgen eine halbe Stunde vor Abfahrt davon erfahren). Überraschend für mich fand die Kundgebung nicht zu Fuß statt, sondern am Startpunkt erwarteten uns Tuk-Tuks, in die alle einsteigen. Meine allererste Tuk-Tuk Demo. Wirklich spannend war die Demo aber nicht, weil man eigentlich nur im Tuk-Tuk saß und nur eine Person ein Plakat rausgehalten hatte. Sprüche und Lärm, um auf sich aufmerksam zu machen, gab es leider nicht. Vermutlich würde es im indischen Straßentrubel eh untergehen. Nach der Kundgebung stand erstmal langes Warten an, was wir aber durch Gespräche mit den Jungs gut überbrückt haben, bis mehrere Reden gehalten wurden. Da die Reden alle auf Tamil gehalten wurden, war es für mich natürlich nur mäßig spannend ( Meine Tamil Kenntnisse beschränken sich nämlich immer noch auf einen sehr geringen Wortschatz). Meine volle Aufmerksamkeit hatte der letzte Redner aber, als er auf einmal auf Englisch anfing über Hannah und mich zu reden. Er bedankte sich bei uns, da wir dafür sorge würden, dass die Veranstaltung zu einem „internationalen“ Event wird und sprach seine Bewunderung für unseren Einsatz aus. In Sekunden war die gesamte Aufmerksamkeit von über 200 Leuten auf uns gerichtet, was mir etwas unangenehm war. Doch damit noch nicht genug. Ehe ich mich versah, standen wir beide mit Miikrofon auf der Bühne und ich durfte eine kurze Rede halten. Wobei „Rede“ es nicht ganz trifft, sondern es handelte sich eigentlich nur um ein paar Dankesworte. Trotzdem raste mein Puls vor Nervosität, weil ich ja völlig unvorbereitet vor einer riesigen Menschenmenge etwas auf Englisch sagen musste. Ich hab’s aber recht gut überstanden und vermutlich wäre es egal, was ich gesagt hätte, da sich die Menschen einfach gefreut haben, dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Im Anschluss durften wir dann noch für ein Bild nach dem anderen posieren, bis meine Wangen von dem ganzen Lächeln wehtaten. Mein „Highlight“ war, als wir nach dem Essen auf einmal wo hin gerufen wurden, um dort ein Bild zu machen, wie wir zwei Männern das Essen servieren. Wenigstens durfte ich mir danach nochmal eine Süßigkeit nehmen.
Eigentlich stört es mich nicht mega, wenn die Leute Bilder mit uns machen wollen, weil man sie meistens mit diesem kleinen Gefallen echt glücklich machen kann. Nur manchmal wird es dann doch zu viel, weil man von einer Person zur anderen geschoben wird und es gefühlt gar nicht mehr aufhört. Manche haben auch gar keine Hemmungen und ziehen einen einfach am Arm her oder Hannah wurde vor kurzem in der Stadt von einer Frau einfach im Gesicht berührt. Am meisten stört mich aber, dass wir immer auf eine Ebene gehoben werden, auf die wir gar nicht gehören. Wie eben nun wieder beim World AIDS ( wir saßen schließlich einfach nur im Publikum).
Das bei der Kommunikation nicht immer alles glatt läuft, soll diese kurze Geschichte aus meinem Alltag verdeutlichen:
Vergangene Woche durfte ich lernen, dass Cricket nicht ganz zu meinen Talenten gehört. Als der erste Ball auf mich zuflog, dachte ich noch ganz selbstbewusst, dass ich den jetzt easy fangen werde. Tja, so viel kann ich sagen. Da hab ich ziemlich falsch gedacht. Der Ball traf mich nämlich volle Kanne im Gesicht(mir ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert) und auf einmal hielt ich eine verbogene Brille in der einen Hand und ein Brillenglas in der Anderen. Als logische Konsequenz musste ich nun natürlich zum Optiker, was ich auch den Fathers mitteilte. Wir sollten dann mit einem der Fathers mit zu einem Optiker, der ihnen von der Krankenschwester, die jede Woche nach den Jungs schaut, empfohlen wurde. Zumindest dachten wir das. Umso überraschter waren, als wir nicht geradeaus in den Optiker reinliefen, sondern abbogen und durch eine Tür in die Augenpraxis liefen. Man weiß nicht ganz was bei der Kommunikation schief gelaufen ist, aber aus irgendeinem Grund, dachten die Fathers, dass ich meine Augen durchchecken lassen will. Nach viel Gelächter, einem Sehtest für Hannah und mich und kurzem Warten, sind wir dann doch beim Optiker gelandet, der mein Glas wieder ins Gestell machen konnte. Das unangenehmste an der ganzen Situation war mir aber, dass ich Kontaktlinsen drin hatte, weil ich eben nicht wusste, dass es zum Augenarzt geht. Natürlich war ich auf vollkommen unvorbereitet, hatte also weder Kontaktlinsenlösung oder -behälter dabei, noch wusste ich von welcher Marke meine Kontaktlinsen sind. Den Sehtest mit meinen Kontaktlinsen konnte ich natürlich auch easy „bestehen“, schließlich habe ich erst seit ein paar Monaten neue Linsen. Die Arzthelferin hat sich also vermutlich auch gefragt, warum zur Hölle ich einen Sehtest machen will. Meine Brille ist aber immer noch verbogen, weshalb ich vermutlich ein neues Gestell kaufen muss. Da bin ich auch mal gespannt, weil alle indischen Brillen, die ich bisher gesehen haben, überhaupt nicht meinem Geschmack entsprechen.
Was mir den Alltag des Öfteren versüßt sind die „Schweinestallgespräche“. Als „Schweinestallgespräche“ bezeichnen Hannah und ich jene Unterhaltungen, die wir nun schon paarmal mit den College Boys hatten, während diese die Schweine versorgen. Da setzen wir uns dann manchmal einfach dazu und wir fangen an über alles Mögliche zu reden und zu lachen. Aber nicht nur über witzige Themen wird geredet, sondern zum Beispiel auch darüber, wie es den Jungs hier im DBCH gefällt bzw, was ihnen auch nicht gefällt. Mich machen diese Gespräche (wie natürlich auch alle andere Gespräche mit den anderen Jungs) immer mega glücklich. Es freut einen dann doch, dass trotz der teilweisen recht großen Sprachbarriere, immer wieder auch längere Unterhaltungen zustande kommen. Ich habe auch das Gefühl, dass die unterschiedliche Sprache mich mittlerweile deutlich weniger beeinträchtigt und stört, als zu Beginn noch. Das liegt vermutlich aber auch daran, dass man alle einfach deutlich besser kennt und wenn man sich die Zeit nimmt, dann doch einiges versteht ( wir helfen einfach immer mit Händen und Füßen und ein paar Bruchstücken Tamil nach).
Das war`s mit dem etwas länger gewordenen Update aus meinen letzten Wochen im DBCH. Im nächsten Blogeintrag kann ich dann hoffentlich über viele neue Erfahrungen und Orte berichten, denn für Hannah und mich geht’s am Samstag los mit einer zehntägigen Reise durch Tamil Nadu.
Ich wünsche euch allen frohe und besinnliche Weihnachten, sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr!!
Zum Abschluss noch ein paar Bilder aus der letzten Zeit:
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