Als ich vor ungefähr sechs Wochen in das Flugzeug nach Argentinien stieg, hatte ich wenig bis keine Vorstellungen von dem, was mich hier erwartet. Eins wusste ich jedoch, nämlich, dass sich so einiges in meinem Leben verändern wird. Nun muss ich feststellen, dass gleichzeitig gar nichts, aber doch so viel jetzt anders ist.
Ich konnte mich nun schon etwas einleben und meine Tage bekommen eine Routine. Ich muss jedoch auch feststellen, dass das mit der Routine gar nicht so einfach ist, da immer neue Dinge passieren und mein Alltag im Oratorio oft von Besuchern oder Festen unterbrochen wird. Ein Ereignis der letzten Wochen, war das Fest, bei dem Schüler aus einer anderen Schule vormittags das Oratorio besuchten und ich zum ersten Mal die traditionellen Folklore-Tänze bestaunen konnte. Noch überraschter war ich, als plötzlich auch die Jungs, die hier leben, zu tanzen begannen. Später lernte ich jedoch, dass so gut wie jeder hier die traditionellen Tänze beherrscht, denn sie sind ein Teil des Musikunterrichts an den Schulen.
Mittlerweile ist es für mich auch viel einfacher Kontakt mir den Jungs aufzunehmen. Nicht nur weil mein Spanisch immer besser wird, sondern auch weil die Jungs immer mehr auftauen und so sitze ich oft nach dem Mittag- oder Abendessen mit ihnen zusammen und wir spielen UNO und hören die von den Jungs ausgewählte Musik, zu der sie ausgelassen tanzen und überraschend textsicher sind. Besonders habe ich mich gefreut als zwei der Jungen uns zu ihrem Schulfest eingeladen haben. Neben zahlreichen Aufführungen verschiedener Sportkurse auf die die Teilnehmenden sichtlich stolz waren, gab es auch eine Anerkennung für ein paar der Jungs, bei der sie ein kleines Geschenk bekommen haben. Bei dessen Übergabe kamen anders als bei den Mitschülern der Jungs, nicht ihre Familien auf die Bühne um ein Foto mit ihnen zu machen, sondern wir vier Freiwilligen durften diesen besonderen Moment mit den Jungs miterleben. Dieser Moment war für mich sehr besonders, da mir dadurch erst richtig klar geworden ist, dass wir jetzt zumindest unter der Woche eine Art Familie für die Jungs darstellen, was nicht nur ein schönes, sondern auch ein trauriges und vor allem angsteinflößendes Gefühl ist. Natürlich ist es schön, dass die Jungen hier die Chance auf ein Leben in der Stadt mit der Möglichkeit auf eine Schulbildung bekommen, aber so weit weg von der eigenen Familie leben zu müssen ist sicher nicht leicht. Gleichzeitig wurde mir auch bewusst, welche Verantwortung wir tragen müssen und ich bezweifle, dass man dieser je wirklich gerecht werden kann. Nach diesem Abend, der mich teilweise auch an Schulveranstaltungen aus meiner Schullaufbahn erinnert hat, ging es am nächsten Tag gleich morgens auf in unsere erste kleine Reise.
Da das letzte Wochenende dank zwei Feiertagen lang genug für einen kleinen Trip war, ließen wir uns die Chance nicht nehmen und buchten ein Hostel im zwei-Stunden-entfernten San Miguel de Tucumán. Auf dem Weg, konnten wir das erste Mal den Luxus der Reisebusse miterleben, nicht nur waren die Sitze auffällig gemütlich, man konnte den Sitz auch so verstellen, dass es fast unmöglich war, nicht einzuschlafen. Angekommen in Tucumán machten wir uns zuallererst auf den Weg zu unserer Unterkunft, auf dem wir bei einem Markt vorbeikamen, der hier zwar nicht selten ist, aber dennoch bis dahin noch unbekannt für uns. So versuchten wir direkt alle Eindrücke aufzunehmen, schafften es aber trotz vieler Angebote von allen Seiten, ohne etwas zu kaufen wieder rauszukommen. Als wir nach einem kleinen Moment der Angst, in dem wir dachten, unser Hostel existiert gar nicht, dieses dann doch gefunden hatten, waren wir heilfroh, als die Rechnung beglichen war und wir zu unseren Betten, die sich im gemischten Schlafsaal befanden, geführt wurden. Nach einer kleinen Pause im Hostel, gingen wir ins Zentrum los. Wir folgten der Empfehlung der Rezeptionistin und gingen zum Stadtkern, wo wir ein Touristenzentrum auffanden, indem wir nach Empfehlungen für die nächsten drei Tage fragten. Nachdem wir daraufhin Buskarten für den kommenden Tag kauften, machten wir uns auf den Weg in ein Restaurant, um den Abend noch etwas ausklingen zu lassen. Am nächsten Tag ging es dann auf nach Tafi de Valle, welches ein kleines Dorf ist, zu dem wir wieder mit einem der komfortablen Reisebusse gelangten. Nach der zweistündigen Fahrt erkundeten wir den Ort, der voller Touristen und kleinen Läden, sowie Märkten war. Ein Highlight war für mich die Landschaft um das Dorf, die wir schon auf dem Weg im Bus bestaunen konnten. Nachdem ich zu Beginn der Fahrt meine Augen für eine Weile geschlossen hatte, kam mir beim nächsten Öffnen ein knalliges Grün entgegen. Die Fahrt führte aber wieder aus dem Wald heraus, in eine Landschaft, die eher braun als grün, aber umso unnatürlicher wirkte. Wir waren nun in den Bergen angekommen. Den ganzen Tag schaute ich immer wieder hoch und bewunderte die braunen Berge im Kontrast mit dem blauen Himmel. Es sah fast wie gemalt aus und man konnte sich wie man so schön sagt, nicht satt sehen an diesem Ausblick. Auf der Fahrt kamen wir auch an einem See vorbei, den wir gerne auch näher betrachtet hätten, aber leider nur beim Vorbeifahren genießen konnten. Den Tag in Tafi de Valle verbrachten wir mit Spazierengehen, Essen und damit, die kleinen Läden zu besuchen, wobei wir ein ganz neues Südamerika-Feeling zu spüren bekamen und sehr genossen.
Am nächsten Tag machten wir uns mittags auf den Weg zu einem nahegelegenen See wo es gleichermaßen von Touristen wimmelte. Auch hier fragten wir zuallererst bei der Informationsstelle nach Tipps des Tages, denen wir dann mit Vergnügen nachgingen. Wir fuhren mit dem Sessellift auf die Aussichtsstelle und konnten von einem Berg aus, die Aussicht genießen. Leider war die Hitze an diesem Tag fast unerträglich, wodurch wir uns bald wieder auf den Weg nach unten zum See machten. Dort besuchten wir ein Museum, indem es einerseits um den See und interessante Funde im See ging, aber auch über die Geschichte Argentiniens wurde hier aufgeklärt. Nachdem ich mich noch mit dem Mitarbeiter des Museums unterhalten hatte, und ihm etwas auf Deutsch beibringen sollte, da laut ihm auch manchmal deutsche Touristen zu Besuch kamen, setzten wir uns mit Blick auf den See in ein schattiges Plätzchen und warteten auf die Aufführung der Artisten, die uns empfohlen wurde und an dem Abend in dem lokalen Amphitheater stattfinden sollte. Nachdem wir die Show, die wirklich beeindruckend war für eine halbe Stunde beobachten konnten, machten wir uns mit dem letzten Bus des Tages, der dementsprechend überfüllt war auf den Weg zurück in die Stadt.
Am letzten Tag des Ausflugs hatten wir nicht mehr viel zu tun, da uns zum einen die Hitze plagte und die meisten Geschäfte wegen des Feiertags geschlossen waren. Wir suchten also einen geeigneten Platz im Park und warteten, bis Padre Silvio, der das Wochenende auch in Tucumán bei seiner Familie verbracht hatte, uns wieder mit zurück nach Santiago nehmen konnte. Die Fahrt verging dank einiger sehr spannender Gespräche wie im Flug und war ein schöner Abschluss dieses ersten kleine Urlaubs hier in Argentinien.
Nach dem langen Wochenende ist nun langsam wieder die Routine zurück und so sitze ich gerade in meinem Estudio und muss alle halbe Stunde die Bitte nach Musik ablehnen.
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