Die letzten zwei Wochen sind wie im Flug vergangen. Am Montag den 18. September sind 25 Jungs (mit einem Father und einem Brother) nach VEMBU gekommen. Sie sind alle auf dem Weg, Brüder (also Brothers) zu werden, und später dann Pater (Fathers). Die Ausbildung der Jungs zu Brüdern findet in der Kleinstadt Dindigul statt (Dindigul liegt nördlicher als Vilathikulam, aber immer noch in Tamil Nadu), und die zwei Wochen hier in Vilathikulam und Umgebung sind so etwas wie eine Felderfahrung: In der ersten Woche hier sind sie Abends täglich in umliegende Dörfer gefahren, um durch „awareness-programs“ auf Probleme wie Abfallentsorgung auf der Straße aufmerksam zu machen. Zwei mal sind wir dann Abends mitgefahren, und allein schon die Fahrt zu den Dörfern war ein Highlight. Der kleine Bus war mit den Brothers-to-be, Leuten aus VEMBU und uns immer mehr als voll besetzt, und dann haben die Jungs indische (oder tamilische?) Charts so laut abgespielt, dass alle Verständigung unmöglich war. Zusammen mit dem Fahrtwind eine optimale Kombi!

Blick aus dem Bus

Blick aus dem Bus

Im Dorf angekommen, sind wir mit den Jungs erstmal eine Runde rumgelaufen, weil sie mit einer Trommel Leute für das „awareness-program“ (Vorsicht Wortspiel) zusammengetrommelt haben. Als der Rundgang beendet war, haben sich die Jungs dann ziemlich geschickt mit „motivation-songs“ (zum Beispiel „If you‘re happy and you know it“ auf Tamil) die volle Aufmerksamkeit der Kinder gesichert, bevor es an die „ernsteren“ Themen ging, die durch kleine Theateraufführungen nicht nur an die Kinder, sondern gleichzeitig auch an die Erwachsenen herangeführt wurden. Bei größeren Dörfern haben die Jungs das Programm an verschiedenen Plätzen aufgeführt, die Kinder sind aber oft einfach alle mitgekommen, um es nochmal anschauen zu können.

Die Jungs singen einen Song mit den Kindern aus dem Dorf

Nach dem Abendessen haben wir dann manchmal noch einen Film oder eine Doku mit den Jungs angeschaut (da wollten wir immer möglichst direkt unter dem Ventilator sitzen).
In der zweiten Woche sind die Jungs in einem Dorf geblieben, sie waren nur manchmal zum Mittagessen hier. Daher haben wir in dieser Zeit auch leider nicht mehr so viel von ihnen mitbekommen… erst am Wochenende ihrer Abreise sind sie aus dem Dorf zurück nach Vilathikulam gekommen.
Was mich ziemlich stark beeindruckt hat, war das Alter der Jungs. Die meisten sind zwischen 18 und 21 Jahre alt, und ich könnte mir persönlich nicht vorstellen, in meinem Alter schon die Entscheidung zu treffen, dass ich Pater sein möchte (natürlich unter der Annahme, dass ich ein Junge wäre). Pater ist kein Job, den man Zuhause auch mal ablegen kann. Für die Pater hier in VEMBU ist der „Job“ ihr ganzes Leben: Sie tragen das Projekt, wohnen im Projekt, leben das Projekt. Wenn man sich andererseits anschaut, wie die Jungs mit den Kindern umgehen; wie sie sie begeistern können, kann ich mir wiederum gut vorstellen, dass Pater-Sein ihre Lebensaufgabe sein könnte und sein wird. Zumindest für die meisten – wie überall gibt es natürlich auch hier wieder Aussteiger: nicht alle werden später einmal Pater sein.
Es war ziemlich komisch, von den Brothers-to-be als Autoritätsperson angesehen zu werden. Ich sehe mich selbst eigentlich als ein gerade mal volljähriges Mädchen; die Jungs sind alle gleich alt oder sogar älter als wir, und sie befinden sich auf dem Weg, Geistliche zu werden (ich nicht, für alle, die jetzt unsicher sind :D), wissen also schon genau, was sie mit ihrem Leben anfangen (das trifft auf mich leider auch nicht zu). Und alle haben uns trotzdem im Gang immer schön mit „Good morning/afternoon/evening, Sister“ gegrüßt (von den Kids werden wir übrigens auch durchweg „Sister“ genannt). Allerdings erst, nach dem wir ihnen offiziell von Brother Soosai in einem Sitzkreis am Abend vorgestellt wurden. Als wir uns zu ihnen setzten, begrüßte und Brother Soosai (er ist schon seit ein paar Jahren Bruder und war für die Jungs als Begleiter dabei) mit den Worten: „Die Jungs trauen sich nicht, euch anzusprechen“. Da es mir umgekehrt ebenso erging, fand ich die Vorstellungsrunde super. Und gegen Ende der zwei Wochen war das Eis dann auch größtenteils gebrochen und ich konnte mich auch einfach mal entspannt mit einzelnen Jungs unterhalten. „Sisters“ blieben Annette und ich jedoch für die Jungs bis zum Schluss.
So vergingen also zwei ereignisreiche Wochen, und gestern (am Sonntag, den 1. Oktober) sind dann alle wieder mit Sack und Pack abgereist…