„Obruni!“

Das erste Mal wurde ich mit diesem Wort konfrontiert, als ich nach meiner Ankunft in Accra, der Hauptstadt Ghanas, aus dem Flughafen trat.  Ich war völlig überfordert von der großen Menschenmenge, die vor dem Ausgang wartete und mich  neugierig und offen heraus betrachtete.  Obwohl ich es  eigentlich wusste, wurde mir erst beim Anblick all dieser dunkelhäutigen Menschen klar, dass ich mit meiner hellen Hautfarbe ab jetzt  zu einer großen Minderheit gehören und dadurch ohne es zu wollen immer anders  sein würde. Eine Weiße eben! „Obruni!“, wie mir gleich von einem der zahlreichen Taxifahrer klar gemacht wurde,  der mich zusammen mit seinen Kollegen freundlich aber etwas überfallsartig in Empfang nahm.

Seit meiner Ankunft in Ghana ist seit eineinhalb  Monaten kein Tag vergangen, an dem mir nicht „Obruni!“ entgegen gerufen wurde. Fremd fühle ich mich immer noch und daran wird sich wahrscheinlich nie etwas ändern. So fremd wie an jenem ersten Tag am Flughafen, fühle ich mich aber längst nicht mehr.

Abgesehen von vielen Erzählungen anderer Freiwilliger und dem gelegentlichen Lesen im Ghana-Reiseführer,  wusste ich  vor meiner Abreise nicht was mich erwarten würde. Das Land und dessen Kultur, die kulturellen Verhaltensweisen, die Mentalität der Menschen, die Sprache, die Salesianer der Community, das Projekt, meine Arbeit, so viel was für mich offen und nicht greifbar war.  Vieles was mir vor einem Monat noch neu war, ist mir jetzt schon viel vertrauter geworden.  Ich lerne immer mehr mich der ghanaischen Kultur anzupassen und mich wie ein „Bibini“  zu verhalten, was so viel  wie „Afrikaner“ oder „Mensch mit dunkler Hautfarbe“ bedeutet.  Oft komme ich mir dabei vor wie ein kleines Kind, das  gerade erst geboren wurde und nun beginnen muss alles von Anfang an zu lernen.

Etwas was in der ghanaischen Kultur hoch  geachtet wird und sehr wichtig ist, ist das sich gegenseitige Grüßen. Es ist selbstverständlich zu grüßen, wenn man sich begegnet. Grüßen ist ein Zeichen des Respekts und der Wertschätzung gegenüber der anderen Person. Wenn man eine Person nicht grüßt, kann das schnell als verletzend empfunden werden. Gegrüßt wird sich je nach Tageszeit mit „Good Morning“, „Good Afternoon“ oder „Good Evening“. Meistens wird danach noch ein „How are you?“ angehängt, worauf man mit „Fine!“ antwortet. Bei dieser Frage handelt es sich um eine Floskel, weswegen keine ehrliche Antwortet erwartet und nicht auf das wahre Befinden eingegangen wird. Da ich die letzten drei Jahre in einer Stadt gelebt habe, wo man eigentlich nur die Menschen grüßt, die man wirklich kennt, war ich es anfangs nicht gewohnt so viel zu grüßen.  Aber ich mag diese Art anderen Menschen Aufmerksamkeit zu schenken. Man geht nicht mit Scheuklappen  von A nach B, den Blick nur auf das Ziel gerichtet, sondern lässt andere Menschen ein Teil des Weges werden. Egal wo ich hingehe, mittlerweile gehört es einfach dazu, sich Menschen zuzuwenden, ihnen zuzuwinken und  einen Gruß zuzurufen. Oft auch mit Handschlag. Da passiert es schnell, dass man ins Gespräch kommt und die Zeit auch mal verquatscht… 🙂 Das ist es was ich hier so gerne mag, dass man so unkompliziert mit anderen Menschen in Kontakt kommt. In Deutschland ist es beispielsweise in der U-Bahn oder im Zug schon beinahe zu privat überhaupt Blickkontakt zu einer anderen Person aufzunehmen. Mit einem fremdem Menschen ein Gespräch anzufangen, da muss häufig eine große Hürde überwunden werden.

Vor ein paar Tagen sind Manuel und Julian, zwei Österreicher, und ich von Odumase zum Don Bosco Compound gelaufen. Auf dem Weg bin ich einer älteren Frau begegnet. Im traditionellen bunten Gewand gekleidet und eine Schüssel auf dem Kopf. Die Jungs voraus, kam ich mit der Frau ins Gespräch. Die Herausforderung war, dass die Ghanaerin kein Wort Englisch sprach und ich mit meinen begrenzten Twi-Kenntnissen leider auch nicht viel zu bieten hatte.  Trotzdem, mit Händen und Füßen und ein bisschen Twi kann man doch über eine Menge reden: Begrüßungen, Name, Zahlen, Essen und Fufu. Bei Fufu handelt es sich um das Nationalgericht der Ghanaer. Täglich wird es hier bestehend aus Yam, einer Art Wurzel, die eigentlich wie Kartoffel schmeckt, und Kochbananen traditionell zubereitet. Zusammen mit einer Soup, die dem Ganzen Geschmack verleiht, schmeckt Fufu richtig gut. Fufu wird mit den Fingern gegessen. Irgendwie schaffte ich es der Frau klar zu machen, dass ich Fufu mag. Und kurzerhand  versprach sie mir, mit Hilfe von ein paar twisprechenden Jungs, die übersetzten, das Gericht für mich zuzubereiten.  Am nächsten Abend stand sie wie vereinbart vor der Community und überreichte mir mit strahlendem Lächeln eine Kiste mit Fufu und Soup. Ich war überrascht, denn ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass sie kommen würde. Aber sie war da und ich hatte keine Ahnung wie lange sie schon auf mich wartete. Es hat mich beeindruckt, wie wichtig es der Frau war mir eine Freude zu machen und wie glücklich sie aussah, als ich die Kiste mit einem „Medase“ (ist Twi und heißt „danke“) entgegen nahm.  Auch ich war glücklich. Erstens weil ich so herzlich beschenkt wurde und  zweitens weil das Fufu einfach nur gut war :-). Dieses Erlebnis spiegelt sehr schön wieder wie einfach hier ein kleines Gespräch,  beginnend mit einem Gruß, zu einer freundschaftlichen Beziehung  werden kann.  Gestern gab es übrigens Banku, ein anderes traditionelles Gericht, von derselben Frau… 🙂

„Akwaba!“

Willkommen! Auch dieses Wort hat mich seit meinem ersten Tag begleitet. Mit offenen Armen wurde ich hier in Ghana in Empfang genommen. Von den Salesianern in meinem Projekt, von meinen österreichischen Mitvolontären, all den freundlichen Menschen und natürlich von den Kindern im Oratory. Den ersten Tag dort werde ich wohl nie vergessen. Begrüßt von vielen kleinen Kinderhänden, die über meine Haut streichelten, ständig begleitet von „Fa me!“ „Nimm mich!“. Von großen braunen Kinderaugen gemustert, für die es doch immer wieder spannend ist jemanden mit weißer Haut zu sehen. Ich freue mich jeden Tag wieder zum Oratory zu gehen. Obwohl es sehr viele Kinder sind, die täglich ins Oratory kommen und somit auch die ein oder andere Herausforderung entsteht, gehe ich trotzdem sehr gerne hin. Als Freiwillige den Kindern einen Ort bieten zu können, an dem sie einfach Kind sein können, lässt mich jeden Tag wieder erfüllt nach Hause kommen.

Auf meine Arbeit im Oratory, auf meinen Alltag und vieles mehr werde ich in den kommenden Artikeln weitereingehen. Es tut mir leid, dass ich mich so spät mit meinem ersten Artikel melde. Da ich nach über einem Monat längst nicht mehr auf alle Erlebnisse eingehen kann, hänge ich ein paar Bilder an.