Die ersten zwei Monate in Medellín

Mittlerweile haben Justus und ich schon fast zwei Monate in unserem Auslandsfreiwilligendienst verbracht. In diesem zweiten Blog möchte ich meine bisherigen Erfahrungen über das Leben in Medellín mit euch teilen.

Als Justus und ich vom Flughafen abgeholt wurden, hat uns direkt Medellíns warme Nachtluft begrüßt. Obwohl es schon sehr spät war, waren die Straßen gut gefüllt, sogar Bauarbeiter arbeiteten noch.
Auf unserem Weg zur Ciudad fuhren wir durch einen Tunnel, der offensichtlich nicht belüftet war, denn man konnte vor schlechter Luft kaum atmen. Als wir den Tunnel verließen, zeigte sich uns zum ersten Mal der wunderschöne Blick auf die Skyline von Medellín.
Angekommen in der Ciudad, wurden wir von Patrick empfangen, einem anderen Volo aus der Schweiz. Vor lauter Erschöpfung sind wir aber erstmal schlafen gegangen.
Am nächsten Tag empfing uns unsere Betreuerin und Koordinatorin Laura, um mit uns eine Tour über das Gelände zu machen und wir wurden dem Personal sowie den Einrichtungen der Ciudad vorgestellt. Wenn ihr wissen wollt, wie die Ciudad Don Bosco aufgebaut ist, schaut gerne in meinen anderen Blogeintrag.

In der Ciudad Don Bosco leben insgesamt zurzeit sechs Volontäre. Eine Woche vor Justus und mir kam Leo aus Österreich an. Schon seit einem Jahr ist Patrick hier, der in nächste Woche zurück in die Schweiz geht und von einem neuen Volo aus Belgien ersetzt wird. Unter der Woche arbeiten Emilio und Lucas in einer anderen Stadt und kommen daher nur am Wochenende in die Ciudad. Das Zusammenleben funktioniert einwandfrei und wir verstehen uns untereinander sehr gut.

alle Volontäre der Ciudad Don Bosco

Die erste Woche verlief sehr entspannt. Als Phase der Eingewöhnung hat uns Laura freigegeben, aber mit dem Auftrag uns unter die Kinder zu mischen und uns mit ihnen zu unterhalten. Unser Spanisch reichte am Anfang auch noch nicht aus, um in den Projekten zu arbeiten, mittlerweile kommen wir aber immer besser rein. Die Kinder freuen sich aber sehr, dass wir da sind. Obwohl wir anfangs noch Schwierigkeiten hatten uns zu unterhalten, wurden wir oft gefragt, ob wir z.B. Uno oder Volleyball mitspielen wollen. Allgemein finde ich, dass wir sowohl von den Kindern, als auch den Betreuern und Lehrern sehr gut aufgenommen wurden, sodass uns die Eingewöhnung leicht fiel.

Die viele Freizeit anfangs verbrachten wir sehr gerne in unserem Gemeinschaftsraum, der mit einer Küche, Waschmaschine und am wichtigsten, mit einem Fernseher ausgestattet ist, auf dem wir wirklich jeden Streamingdienst haben.
Die Lebensumstände sind eigentlich insgesamt sehr ähnlich zu Deutschland, wir vermissen eigentlich nichts in unseren Zimmern oder im Gemeinschaftsraum.
Oft spielen wir auch Karten, am liebsten Wizard. Das spielen wir mittlerweile so regelmäßig, dass wir eine Siegesstrichliste eingeführt haben.
Ich habe auch angefangen Gitarre zu lernen, und gehe zusammen mit Leo oft gerne zum Musikunterricht in der Ciudad, unterstützen entweder den Lehrer oder probieren selbst verschiedene Instrumente aus.
Jeden Tag gibt es auch die Möglichkeit Fußball, Volleyball oder Basketball zu spielen, sowie ins Gym zu gehen, langweilig wird es also nicht.

In den darauffolgenden Wochen haben wir den Englischlehrer im Unterricht begleitet und, soweit es möglich war, unterstützt. Unsere Aufgaben bestanden dann meistens daraus, englische Wörter ins Spanische zu übersetzen, da keiner von den Kindern Englisch kann. Überhaupt ist der Englischlehrer die einzige Person des Personals, die Englisch spricht. Meistens haben die Kinder englische Kreuzworträtsel bekommen oder Vokabellisten, die sie zuerst übersetzen und dann zeichnen sollten. Der Unterricht war meistens ab dem Mittagessen vorbei und so stand uns der Nachmittag zur freien Verfügung. Dann haben wir meistens im Gemeinschaftsraum Karten gespielt oder die Zeit beim Sport mit den Kindern verbracht.
Wenn der teacher unsere Hilfe mal nicht benötigt, verbringe ich am liebsten Zeit bei den „semillas“ (die Kleinsten in der Ciudad). Dann spielen wir oft Fußball, Brettspiele oder Schule und bringen uns gegenseitig Deutsch und Spanisch bei. Die „semillas“ freuen sich immer sehr, wenn wir mit ihnen spielen. Eher unschön ist dagegen, dass sie sich oft prügeln und es schon zu ernsthaften Verletzungen gekommen ist. Viele der Kinder haben in der Vergangenheit Gewalt durch ihre Eltern erfahren und sind daher auch sehr gewaltbereit und verlieren schnell die Kontrolle.


An manchen Tagen hatten wir auch komplett frei, sodass wir einige Ausflüge unternommen haben. Einmal sind wir zum Beispiel mit der „metrocable“ (Gondel) auf einen nahegelegenen Berg zum „Parque Arvi“ gefahren und durch einen fast urwaldähnlichen Wald spaziert.

Die „metrocable“


Vor ein paar Wochen sind wir zum ersten Mal über zwei Tage weggefahren, nach Guatapé und San Rafael. In Guatapé sind wir auf den „Piedra de Peñol“ gestiegen, ein 200m hoher Felsen, von dem man eine gute Aussicht auf den See von Guatapé hat. Auf diesem sind wir danach noch Motorboot gefahren, was auch eine sehr cooles Erlebnis war.

Aussicht vom „Piedra del Peñol“


Stadtzentrum von Guatapé

Unser zweiter Stopp war in San Rafael, wo wir nur waren, um die Badestellen in den benachbarten Flüssen zu besuchen. Wir hatten Glück und außer uns war niemand da, sodass wir den restlichen Tag dort verbrachten. Abends sind wir dann wieder zurück nach Medellín gefahren, jedoch wurde aus einer dreistündigen Fahrt eine Sechsstündige, da auf der einzigen Straße Stau war.
Der Trip hat sich wie wir finden sehr gelohnt, weil wir für wenig Geld weiter schöne Orte in Kolumbien kennenlernen konnten, die ganz anders als das Großstadtleben in Medellin sind.

ein Fluss nahe San Rafael

Letztes Wochenende haben wir zum ersten Mal die Luft der Medelliner Clubszene geschnuppert. Im Rahmen von Patricks Verabschiedung haben wir zuerst eine Bar aufgesucht. Das war schon früh am Abend eine komplette Reizüberflutung, da links und rechts der Straße überall Clubs und Bars waren, die alle so laut Musik spielten, dass man sich kaum unterhalten konnte. In der Bar haben wir medellíner Rum bestellt, eine Spezialität, die zudem auch echt nicht teuer war. So wie die Flasche geleert war, saßen wir auch schon im Taxi auf dem Weg in ein anderes Viertel der Stadt, um dort in einen Club zu gehen. Anfangs war es etwas gewöhnungsbedürftig, da kolumbianische Clubs sich sehr von deutschen unterscheiden. Es wird nur spanische Musik gespielt und die meisten Lieder kennen wir noch nicht. Ich habe die ganze Zeit gehofft ein paar englische Lieder zu hören aber das wurde nichts. Zu „reggaeton“ wird dann überwiegend „perreo“ getanzt, ein sehr körpernaher Tanz, der aber nicht viel Können erfordert. Um 3 Uhr sind wir dann mit dem Taxi zur Ciudad gefahren, erschöpft aber doch sehr zufrieden über den schönen Abend.

„La 70“ – Partymeile in Medellín

Bisher habe ich Medellín immer als sehr sicher wahrgenommen. Auch wenn ich alleine in der Stadt unterwegs bin, fühle ich mich nicht unwohl.
Wenn man aber ein paar Regeln beachtet, passiert einem nichts. „No dar papaya“, zum Beispiel bedeutet, dass man möglichst seine Wertsachen nicht in der Öffentlichkeit zeigt, um keine Angriffsfläche zu bieten. Die meiste Zeit sind wir aber sowieso mindestens zu zweit unterwegs und bleiben, wenn es dunkel wird, auf den belebten Hauptstraßen.

Die Menschen, die ich bisher in Medellín kennengelernt habe, waren alle immer sehr freundlich und hilfsbereit und wir wurden als Ausländer noch nicht schlecht behandelt. Kolumbianer sind auch sehr offen und direkt, es ist ganz normal zum Beispiel mit der Kassiererin im Supermarkt oder dem Taxifahrer über private Sachen zu plaudern: Und wirklich jedes Mal werden wir gefragt, wie wir die kolumbianischen Frauen finden. Allgemein sind Kolumbianer sehr gesprächsfreudig und immer gut gelaunt. Allerdings haben sie ein anderes Verständnis von Pünktlichkeit, so kann zum Beispiel das Wort „ahora“ (wörtl. jetzt) bedeuten, dass man sich jetzt trifft, in 15min oder auch in einer Stunde. Seitdem wir das verstanden haben, nehmen wir das auch gelassener mit der Pünktlichkeit.

Momentan können wir noch nicht in unseren eigentlichen Projekten außerhalb der Ciudad Don Bosco arbeiten, da unser Führungszeugnis noch vom kolumbianischen Familienministerium geprüft wird. Sobald das erfolgt, wird geht es für uns entweder nach „Derecho a soñar“ oder „Capre“. Was diese Projekte sind, habe ich auch im anderen Blogeintrag kurz erklärt.

Wie die Arbeit im Projekt sein wird, erfahrt ihr im nächsten Blog.

Adios und bis bald!

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Dezemberzeit ist Partyzeit

  1. Brigitte Barlage

    Toll, was du über deine Arbeit und deine Freizeitmöglichkeiten schreibst. Weiterhin so eine gute Zeit in eurer schönen Gemeinschaft. Bald ist dein Geburtstag – auch für das neue Lebensjahr alles Liebe und Gute die Gitta aus Holzkirchen

    • Yannik Köberl

      Hallo liebe Gitta, vielen Dank für die netten Worte, ich wünsche dir auch weiterhin alles Gute!

  2. Sehr cool freut mich für dich.
    Ein spannendes Projekt.
    Wer hat den Blog erstellt?
    Grüße Markus

    • Yannik Köberl

      Hallo Markus, ich habe den Blog geschrieben, falls das deine Frage beantwortet.

  3. Lieber Yannik, das hört sich sehr aufregend an, du hast das alles sehr schön beschrieben und tauchst ja richtig ins kolumbianische Leben ein👍ich wünsche dir noch eine schöne Zeit LG Martina Mama von Juri

  4. Alexandra Geditz

    Das klingt toll und sehr spannend! Genieße die Zeit und sammle noch viele aufregende Erfahrungen!
    Liebe Grüße
    Alex, Jacob, Simon und Hannah

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