Buenaaas!
Anfang Januar ging es für mich und die Jungs auf das Campamento – eine Art Ferienlager, das für die jüngeren Jungs aus den Gruppen „San Francisco de Asis“ sowie „Miguel Magone“ (also die Jungs von ca 6-13 Jahren) organisiert wird. Naja… beziehungsweise eher improvisiert wird, denn erfahren haben wir vom Abfahrtstag entspannte drei Tage vorher. Das liegt daran, dass das Projekt so starke Geldprobleme hat und deshalb lange nicht sicher war, ob man sich das Campamento leisten kann. Zum Glück konnte aber doch einiges an Geld gesammelt werden, um die Jungs raus aus ihrem Alltagstrott zu bringen und ihnen eine Freude zu machen. Gemeinsam mit zwei Educadorinnen und zwei Mitvolontären haben wir dann innerhalb einer Stunde zu fünft ein Programm für die ganze Woche auf die Beine gestellt – da war einiges an Kreativität gefragt, aber Improvisation war das Motto dieses Campamentos.
Der Starttag des Campamentos war der Mittwoch: Die wenigen Tage davor hatten wir schon gemeinsam Matratzen, Bettdecken, Handtücher, einiges an Putzmaterial, Zahnbürsten, Seife und ganz ganz viel an Essen zusammengesucht – das musste dann erstmal alles im Viehtransporter Platz finden. Hat alles reingepasst und zusätzlich wurden ein Gasherd, ein Motorrad und ein ganzes Schwein (tot natürlich) mitgenommen – „Willkommen in Bolivien“ sag ich dazu nur! Der restliche Platz des Viehtransporters wurde dann mit Jungs aufgefüllt, da nicht alle im Bus des Hogars Platz gefunden haben. In den Viehtransporter wurden zum Aufpassen glücklicherweise die anderen beiden Volontäre, Roberto aus Italien und Rodrigo aus Spanien, geschickt, sodass ich bei dem kurzen Regenschauer die schöne Wärme im Bus genossen habe, während die anderen eine kleine Gratisdusche nehmen durften.
Gefahren sind wir drei Stunden nach San Carlos, ein Dorf, das gute 100km von Santa Cruz entfernt ist. Dort angekommen, bin ich dann ganz schnell in die Küche gehuscht und habe angefangen, dort zu putzen, damit wir schnell Mittagessen konnten – die Jungs hatten Hunger, ein gefährlicher Zustand für deren Gemütslage, da wollte ich kein Risiko eingehen. Nach dem Mittagessen haben wir dann erstmal die Zimmer bezogen und die Zimmer geputzt. Es gab genau zwei Zimmer, eines für die Kleinsten (Gruppe „San Francisco“), mit denen auch ich in einem Zimmer geschlafen habe, und eines für die Mittleren (Gruppe „Miguel Magone“). Da am Mittwoch noch einiges an Einrichtungsarbeit gefordert war und auch wir als Leitergruppe uns erstmal organisieren und zurechtfinden mussten, wurde der Nachmittag dann noch mit Fußballspielen verbracht, bevor die Jungs abends hundemüde ins Bett gefallen sind.
Je früher man ins Bett geht, desto früher steht man ja auch wieder auf – eigentlich logisch, für mich aber trotzdem eine leeeeeiiiiiichte Qual um 6 Uhr morgens von dem strahlenden Isaias* aufgeweckt zu werden, der mir ins Gesicht pustet und mir die Augen mit seinen Fingern öffnet. Naja, so schlimm war es auch nicht, ich fand es eher süß und dann hab ich den Tag halt mit Augenringen gestartet, gibt auch Schlimmeres. Nach dem Frühstück sind wir dann mit den Jungs in das Dorf gelaufen und haben uns nach einer kurzen Besichtigung des Zentrums auf den Weg zu einem Spielplatz gemacht. Dort gab es Guaven- und Acerolabäume – frische, reife Guaven zu verspeisen, die man selbst gepflückt hat – ein Traum, den Bolivien ermöglicht! Neben dem Spielplatz gab es einen kleinen Bach, an dem dann begeistert versucht wurde, zu fischen. Hat so semi-gut geklappt, aber unseren Spaß hatten wir! Nachmittags haben wir den Jungs dann den Tag versüßt, indem wir ihnen Steinschleudern in die Hand gedrückt haben – dann ging es auf den Weg in den Wald, wo versucht wurden, Vögel zu erschießen. Hat nicht ganz geklappt, aber wir haben Affen gehört (leider nicht gesehen) und Bambusstämme gesichtet, an denen die Jungs dann fleißig rumgesägt haben, um den Stamm mitzunehmen. Für abends hatte ich dann noch Stockbrot vorbereitet, also wurden die Jungs zum Holz sammeln geschickt und der Spaß konnte losgehen!
Am Freitag haben wir uns auf die Pick-Up-Ladefläche eines befreundeten Salesianerbruders aus San Carlos geschwungen und sind nach „Buen Retiro“, einem kleinen Wallfahrtsdorf neben San Carlos, gefahren. Die Hinfahrt war sehr angenehm, bei strahlendem Sonnenschein ist uns der Wind durch die Haare gefahren und wir konnten den Ausblick genießen. Tja, das hat sich dann aber schnell gewendet und die Rückfahrt wurde ziemlich stürmisch. Es war wirklich unglaublich lustig, alle zusammengekauert auf der Ladefläche des Pick-Up zu sitzen, während wir mit aller Kraft versuchen, dass der Fahrtwind uns nicht die Plane aus den Fingern entreißt, mit der wir uns notdürftig abgedeckt haben. Und Spoiler: wir sind trotzdem komplett durchnässt zuhause angekommen, aber das hat unserer guten Laune keinen Dämpfer verpasst. Vor dem Ausflug nach Buen Retiro haben wir allerdings gemeinsam den Teig für die Pizza vorbereitet, die es zum Abendessen geben sollte – da wir jedoch nichtmal Tomatensoße hatten, haben wir spontan Tomaten geschält und auch die Soße einfach selber gemacht. Aber auch der Ofen für die Pizza hat gefehlt, also bin ich kurzerhand mit zwei Jungs ins Dorf zu der Köchin gefahren, die uns mit ihrem Lehmofen weiterhelfen konnte. Tja, dass ich mal um 9 Uhr abends in dem Haus einer fremden Frau in einem bolivianischen Dorf enden würde und durchnässt die leeren Backbleche mit Regenwasser reinigen würde, hätte ich auch nicht gedacht, aber in Bolivien ist alles möglich :))
Der Samstag war dann leider auch noch ein bisschen regnerisch, weshalb wir den Vormittag mit Brett- und Kartenspielen und Armbänderknüpfen verbracht haben. Nachmittags haben Rodrigo und ich dann ein Workout mit den Jungs gemacht, um sie ein wenig auszupowern. Bisschen faul waren sie aber schon und haben sich nach dreißig Sekunden Plank erschöpft ins Gras fallen lassen und Rodrigo und mir zugeschaut, wie wir uns in der Plankzeit gebattelt haben – deshalb hat das mit dem wirklichen Auspowern aufgrund Motivationsknappheit nicht ganz so gut geklappt hahah. Als die Jungs danach dann wieder mit ihren Steinschleudern losgezogen sind, kamen die Kleineren auf einmal mit einem Babyvogel angelaufen, der wohl aus seinem Nest gefallen ist. Um den haben sich dann aufgeregte Kinderhände gekümmert, er wurde gestreichelt und gefüttert – ob er sich dadurch aber beruhigt hat und nicht noch mehr Angst bekommen hat, wage ich mal zu bezweifeln hahah.
Sonntags sind wir im Dorf in die Messe gegangen und danach wieder auf den Spielplatz im Dorf, wo es dann natürlich erneut auf Fischjagd ging. Während ich dort mit den beiden Erzieherinnen auf die Jungs aufgepasst habe, haben sich Rodrigo und Roberto heimlich davongestohlen, um eine von uns geplante Schatzsuche im Haus bzw. auf dem riesigen Gelände dort vorzubereiten. Die Schatzsuche war ein voller Erfolg und hat den Jungs erneut ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Auch wenn ich den ganzen Sonntag über unglaublich müde war (die letzten Tage hingen mir in den Knochen – die tägliche 24-Stunden-Betreuung verlangt einem schon einiges ab), war die Freude in deren Augen Bezahlung genug. Abends haben wir noch einen Origami-Wettbewerb veranstaltet, an dem Kreativität gefragt war. Neben Füchsen, Fischen, Booten und Vögeln wurden sogar die Bibel und ein Läusekamm (ja, die Jungs haben alle unbesiegbare Läuse – zu meinem Leidwesen ich also auch, für alle, die sich die Frage schon gestellt haben) gebastelt.
Montags sind wir mit Mittagessen, Tellern, Bechern und selbstgemachtem Kuchen im Gepäck auf dem Pick-Up des Salesianerbruders nach Buena Vista gefahren, an den Fluss Surutú, wo wir bis zum späten Nachmittag geblieben sind. Es war so schön, mit den Kleinen im Fluss um die Wette zu rennen, sie in Sand einzubuddeln und sich gegenseitig mit Wasser nasszuspritzen! Zum Aufpassen haben Esther, die Educadorin, und ich uns dann in den Schatten an den Rand des Wassers gestellt und dabei aus der Ferne auch noch einer indigenen Kommunität dabei zugeschaut, wie sie im Fluss irgendein Ritual vollzogen haben: sah aus wie eine Taufe, aber ganz so sicher, was die da fabrizieren, waren wir uns beide nicht. Abends haben wir dann als Abschluss noch Salchipapa für die Jungs gemacht (frittierte Kartoffeln mit frittierten Würstchen – alles andere als gesund und für meinen Geschmack vieeeeel zu fettig, aber die Jungs saßen glücklich dran und haben sich das genüsslich mit den Fingern in den Mund geschoben). Neben den Salchipapa haben wir eine „Noche de talento“ (Nacht der Talente) veranstaltet – die Jungs haben zu selbst ausgewählten Liedern getanzt und gesungen und dabei haben sich auch einige Jungs als besonders talentiert hervorgetan.
Dienstag ging es dann für uns fünf (Educadores und Volontäre) nach Hause, nachdem wir den Teamwechsel mit den drei anderen Volos und den zwei Educadores vollzogen haben – das Campamento geht nämlich zwei Wochen, aber das wäre eine Zumutung, deshalb der Teamwechsel nach einer Woche :))
Campamento – ein Fazit:
Auch wenn ich ziemlichen Respekt vor dem Campamento hatte und es unglaublich viel Arbeit war, hat es sich als eine der bisher schönsten Wochen und auch Erfahrungen gemeinsam mit den Jungs entpuppt. Diese Jungs mal außerhalb des Alltags und der gewohnten vier Wände zu sehen (der gute alte Tapetenwechsel, wie Mama jetzt sagen würde), war so etwas Besonderes und diese dauerhafte Zufriedenheit und Glücklichkeit der Jungs hat auch mich glücklich gemacht – Kinder haben echt eine ansteckende Lebensfreude. Auch war es irgendwie auf seine eigene, ganz spezielle Art und Weise magisch, mit so vielen kleinen Kindern zusammen in einem Raum zu schlafen – abends sich noch gemeinsam eine gute Nacht zu wünschen, dann doch mitten in der Nacht aufzuwachen, weil Alejandro* sich aufgrund eines Hustenanfalls neben mir fast übergibt (hab ihn mit zusammengekniffenen Augen ins Bad dirigiert) und morgens von den genuschelten Worten: „Buenos días Sofía“ (Korrektur ist zwecklos, ich bin und bleibe hier Sofía hahah) oder von dem Reim: „En Sofía se confía“ (Sofía wird vertraut) geweckt zu werden. Einmal aufgeweckt (meistens in aller „Herrgottsfrühe“ – habe beschlossen, meinen Wortschatz ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten, schaumermal, was wird), ging es immer sofort raus in die Natur und wir hatten direkt zwitschernde Vögel, aber auch Kühe und Schweine vor der Nase, die vor unserem Haus geweidet haben – ich wurde zwar von den Jungs geweckt, ein ruhiger Start in den Tag war es aber also meist trotzdem :)) Auch 24/7 mit den Jungs zu verbringen, mit ihnen zu spielen, zu reden, ihnen zuzuhören, ein paar besondere Schlafmützen wachzukitzeln, die Kleinsten (eingeschlafen beim Filmmarathon) ins Bett zu tragen, mit ihnen ihre Wäschen zu waschen, ihnen ihre Medikamente zu verabreichen, ihnen Shampoo auf den Kopf und Zahnpasta auf die Zahnbürste zu geben und mit ihnen einen Lachanfall zu haben, während einem der stürmische Fahrtwind ins Gesicht schlägt und man komplett durchnässt wird – das alles sind so wertvolle Erfahrungen, die zusammenschweißen. Viele Ex-Volontäre hatten uns schon von dem Campamento erzählt und dass die Bindung zu den Jungs gesteigert wird – und sie hatten wirklich Recht! Und man muss auch zugeben, dass die Jungs wirklich fleißig geholfen haben, dass dieses Campamento ein Erfolg wird – jeden Tag müssen halt Küche und Bad geputzt, Teller gespült und viele weitere Aufgaben erledigt werden, und das haben die Jungs (meist) ohne „Wenn und Aber“ erledigt und sich auch freiwillig als Helfer gemeldet, so waren wir wie eine große Familie, in der alle zusammenhelfen und sich gegenseitig unterstützen. Denn auch die Größten haben sich um die Kleinsten gekümmert, ihnen geholfen und sie in die Spiele integriert – das hat mir vor Augen geführt, dass wir nicht nur wie eine große Familie waren: Nein, wir sind eine große Familie!
Danke fürs Lesen meines Blogs und liebe Grüße!
Hasta luego!!




















*Name geändert
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