Liebe Leser und Leserinnen,

Ich melde mich mal wieder aus Kara. Ich sitze gerade in meinem Zimmer im Mädchenheim und es ist Freitagnachmittag. Endlich habe ich einen schönen Ausblick auf den Hof, letzte Woche habe ich mein Zimmer ein bisschen umgestellt: jetzt sehe ich bunte Handtücher, die in der Sonne trocknen, einen großen Mangobaum unter dem ein paar Mädchen Siesta halten und daneben eine Frau, die Tomaten verkauft und gerade auch eine kleine Pause bei uns einlegt. Zusätzlich höre ich Stimmen, einen Besen, der über den Hof gleitet und meinen Ventilator im Hintergrund.

Und seid ihr angekommen in meinem Zimmer? Dann los geht`s…

Ich spule einmal zurück. Am 19. August 2001 wurde ich in unserer Gemeinde in Mainz getauft. Das war also die „Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen“. Die christlichen Werte, die ich täglich vermittelt bekommen habe, begegnen mir auch hier in einer christlichen Einrichtung – aber auf eine ganz andere Art und Weise. Jahre später, am 7. August 2017 stand meine zweite Taufe an: ich kann mich noch sehr gut an diesen Montag erinnern, an dem ich in Seibersbach auf dem Zeltplatz von so vielen guten FreundInnen zur Neuleiterin getauft wurde. Das war also die „vollständige Aufnahme in eine ganz besondere Jugendgruppe“. Und jetzt kommt meine dritte Taufe, die ja etwas mit Togo zu tun haben muss: Am 18. November 2018 – ich dachte morgens, es sollte doch nur der Geburtstag von meinem Papa bleiben – wurde ich zur Togolesin getauft. Und wie schafft man das? In dem eine ganz kleine, sehr gemeine Mücke ihren Stachel unter deine Haut setzt und dir heimlich Malaria einschleust.

Da lag ich also in meinem Bett (glücklicherweise war ich an diesem Sonntagmorgen – bevor alles anfing – in mein Zimmer ins Centre gefahren), eine halbe Stunde frierend, die andere halbe Stunde schwitzend, mal mit Fieber, mal mit Schwindel und mit allem was man sich nur vorstellen kann, nur nicht mit einem Hauch von gesunden Gedanken. Da ich es nicht kenne, zum Arzt zu gehen und ich nicht weiß, wie man eigentlich krank ist, wartete ich auf Jeremias, der sich noch vor der Kirche befand, sich dann aber dazu entschloss, doch nicht in die Messe zu gehen, sondern sich um seine Mitfreiwillige zu kümmern. Dem schon längst getauften Jeremias kamen die Symptome nur zu bekannt vor und er begleitete mich in die Krankenstation, in der ich – nachdem man einen schnellen Bluttest machte – von Malaria überrascht wurde.

kurzer Besuch auf der Krankenstation für Infusion und Spritze

Für mich bedeutete das jetzt drei Tage lang, jeden Morgen eine Infusion und eine dicke Spritze, die mich wieder gesund machen sollten. Da mich die tropische Infektionskrankheit zum „Nichts-Tun“ zwang, war ich super glücklich, Jeremias dabei zu haben, der mich unterstützte. Jeden Morgen kam er ins Centre gefahren, begleitete mich in die Krankenstation, brachte mir das Mittagessen bis ans Bett, besorgte mir aus meinem Zimmer im Foyer Unterhosen & T-shirts und leistete mir Gesellschaft. Tatsächlich hatte ich nach vier Tagen wieder Appetit, konnte in der Nacht schlafen, ohne sieben Mal aufzuwachen und mein Kopf brummte nicht mehr. Es ging also mittwochnachmittags für mich ab ins Foyer, in dem sich alle Mädchen auf mich freuten.

Ein langer Weg

An diesem Mittwoch erzählte ich beim „Good Night“ im Hof eine Geschichte. Alle lauschten gespannt:

„Ich habe eine Großmutter und die ist schon sehr alt. Trotzdem backt sie für ihre Enkelkinder zu Weihnachten immer Plätzchen und schickt sie in einer Blechdose nach Mainz. Dieses Jahr habe ich mich dazu entschieden, über Weihnachten in Togo zu sein und muss wohl auf die Plätzchen verzichten. Aber das ist kein Problem für mich, hier kann ich andere leckere Sachen essen, wie Pate oder Foufou. Heute Mittag, nachdem ich mich im Centre endlich auf den Weg machte zu Euch, kam ich an der Post vorbei und der Angestellte drückte mir ein Paket in die Hand. Und wisst ihr was drin war? Plätzchen von meiner Oma.“

Alle Mädchen fingen an zu klatschen und konnten es nicht wirklich glauben, dass meine Oma noch Plätzchen selbst backt, geschweige denn, sie bis nach Togo schickt. Ja, eine bessere Medizin hätte es an diesem Tag nicht geben können. Manche Mädchen machten mich auch darauf aufmerksam, dass noch gar nicht Weihnachten sei und es ein zweites Paket bestimmt noch schaffen würde, hier anzukommen. Drei Abende lang konnte ich alle damit beglücken. Liebe Oma, ein Highlight für alle & geschmeckt haben sie natürlich auch genial. Dankeschön!

von Drewer bis nach Kara

Christ Roi

Es ist an der Zeit: auch ich kann mal von einem Fest berichten. Nachdem ich Tage lang von Diwali in Indien geträumt habe und ein wenig neidisch wurde, stand bei uns am Sonntag die Feier für „Christ Roi de l’univers“ an. Der Sonntag vor dem ersten Advent bildet den Abschluss des katholischen Kirchenjahres und es wird für Jesus Christus, der König des Universums gefeiert, getanzt und gesungen. Nach einem „normalen“ Gottesdienst am Morgen war das Spannenden, die Prozession am Nachmittag. In unserem Stadtviertel wurden fünf „Stationen“ – in Form von kleinen Häuschen – aufgebaut. Wir – die Gemeinde, als riesige Menschenmenge – zogen durch die Straßen und hielten an jeder Station für eine Lesung oder ein Gebet an. Auf dem Weg wurde getanzt und gesungen, es gab weiter vorne einen Chor, weiter hinten lief eine Blaskapelle. Natürlich waren alle bunt angezogen und grüne Zweige wurden in Richtung Himmel geschwungen. Alle waren zufrieden, konnten auf den Straßen tanzen und „danke“ sagen. Mit Sand in der Nase, verschwitztem Kleid und dreckigen Füßen machten wir uns nach drei Stunden auf den Weg nach Hause.

unsere letzte Station


Ich wünsche euch Allen einen guten Start in den Dezember, genießt die gemütliche Zeit vor Weihnachten und falls ihr mir ein kleines Geschenk machen wollt, schaut doch mal auf meiner Spendenseite vorbei, mit einem kleinen Beitrag unterstützt ihr mich, das Projekt und meine Mädchen.

Bis bald, Sophie