Ready for Togo

über meinen Auslandsfreiwilligendienst in Kara

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Neunzehn Jahre und vierunddreißig Grad

Liebe Leser und Leserinnen,

In fast jedem Buch findet man gleich nach der Titelseite eine Widmung. Die Funktion einer Widmung ist laut Wikipedia „der Ausdruck freundlicher Verbundenheit“. Jetzt denkt nicht es wird kompliziert, nein, ich möchte diesmal nur eine Widmung aussprechen.

Ich widme diesen Beitrag der Zeppelinstraße, meinen wohl treusten LeserInnen. Danke für eure Unterstützung, eure Glückwünsche und all die schönen Bilder, die ich von Euch bekommen habe.


Ja, Anfang November sollte es wieder soweit sein. Ich feiere Geburtstag – nicht in Mainz, sondern in Kara. Nicht bei Kälte, sondern bei Hitze. Nicht während der Schule, sondern während der Arbeit. Nicht wie die letzten 18 Jahre, sondern anders.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich Angst vor meinem Geburtstag hatte. Ich kann dieses Gefühl nicht wirklich beschreiben. Vielleicht war es die Angst, dass es nicht so wird, wie es immer war. Vielleicht aber auch die Angst, dass ich Heimweh bekomme, da ich an diesem Tag viel Kontakt nach Hause haben werde. Ich weiß es nicht, aber am 4. November wache ich morgens auf und bin krank. Ich war sehr enttäuscht von mir selbst und dachte an meine Kindheit zurück: ein Tag vor meinem Geburtstag wurde ich krank. Nachdem ich kurz mit meiner Mama schrieb und sie mir bestätigte, dass ich nicht krank bin, sondern alles „psychisch“ sei, glaubte ich an die schnelle Genesung. Der Sieg der Mainzer gegen Bremen trug dazu bei, dass ich am nächsten Morgen – an meinem Geburtstag – fit wie ein Turnschuh war.

Der 5. November

Um 4:55 klingelt der Wecker. Es ist der erste Tag, an dem ich über die Nacht alle wichtigen Schlüssel in meinem Zimmer verwahrt habe und pünktlich um fünf das Tor aufschließe, damit sich die „Ganzfrühen“ schon auf den Weg in die Schule machen können. Anschließend setze ich mich gemütlich in die Küche und warte darauf, dass alle Mädchen kommen und ich ihnen einen großen Berg Reis mit scharfer Tomatensoße in ihre Brotbox füllen kann. Alle Mädchen, die auf das „College“ gehen, sind weg und ich dusche mich schnell, um die Kleinen in die Grundschule zu bringen. Zur Feier des Tages trage ich mein erstes, maßgeschneidertes Kleid.

Um circa 7 Uhr setze ich mich in Höhe der Grundschule auf ein Motorrad-Taxi und mache mich auf den Weg ins Centre Don Bosco, wo ich eine sehr wichtige Aufgabe zu erledigen habe. Pere Wilfrid, der mich beim Eintreten in die Kommunität erwischt, mir ein Ständchen singt und mich einmal feste in den Arm nimmt, hatte mich schon an meinem zweiten Tag hier in Kara darauf angesprochen, ob ich denn backen könnte und wann ich eigentlich Geburtstag habe. Diese Anspielung unseres Direktors nahm ich mir zu Herzen und stehe gegen 7:30 in der Küche, um einen „Marmorkuchen alla Susanne“ vorzubereiten. Trotz fehlender Waage ist das Ergebnis genießbar.

Pünktlich um 12:30 stürmen alle sechs Peres der Kommunität und Jeremias in den Essensraum, um mir zu gratulieren, für mich zu singen und mit mir anzustoßen. Vorbereitete Namensschilder und ein danebenliegender, grüner Frosch sorgen erstmals für Verwirrung, nachdem ich aber jedem einzelnen, abgesehen von Jeremias, erkläre, dass das kein Spielzeug sei, sondern essbar ist, klärt sich das Problem und wir beginnen mit einem leckeren Essen und einem Geburtstagssekt. Koffi – der Koch der Kommunität – wollte die Idee mit dem „einfachen“ Kuchen wohl toppen und überrascht mich diesem Kunstwerk:

Geburtstagskuchen aus Reis

Zum Nachtisch – ich glaube an dieser Stelle hat Pere Guillermo im Voraus Absprache mit Koffi gehalten – gibt es frisch aufgeschnittene Ananas und nach einem herzlichen „Merci“ falle ich vollgegessen und sehr glücklich ins Bett für einen kleinen Mittagsschlaf.

Lange kann ich aber nicht von Reiskuchen, Ananas und singenden Peres träumen, denn auch für meine Mädchen im Foyer wollte ich für das Abendessen etwas Kleines vorbereiten. Es sollte „frittierten Käse auf Spagetti mit Tomatensoße, serviert mit einer kalten Fanta“ geben. Also teile ich den – nicht wirklich gut zu beschreibenden – Käse in knapp dreißig kleine Stücke, schneide Tomaten, rote und grüne Peperoni, Ingwer, Knoblauch und Zwiebeln. Rachida hilft mir, dass Feuer an zu machen und so brodelt meine absolute Lieblingstomatensoße vor sich hin, bis sie am Abend zum Einsatz kommt.

Der Käse – noch unfrittiert…

Was wäre ein Geburtstagsessen ohne Nachtisch? Ein Tag zuvor machte ich mich mit unserem Direktor Pere Wilfrid – höchstpersönlich – auf den Weg zum Markt um Melone und, wer hätte es gedacht, Ananas zu kaufen. Das Ergebnis: „Ein Berg von Melonensplittern, umzingelt von dreireihig geschichteten Ananashalbkreisen.“

Pünktlich um 20 Uhr will ich alle Mädchen zum Essensraum bitten, werde aber schon von zwei Schlangen hintereinanderstehenden Mädels empfangen, die lautstark „Joyeux anniversaire“ für mich singen. Ich öffne die Tür vom vorbereiteten Speiseraum und alle suchen gespannt ihren Namen auf dem Tisch. Kurz wird gebetet – ich übernehme das und bete auf Deutsch, was zu sehr viel Gelächter führt – und anschließend stürmen sich alle auf Spagetti, Käse und Fanta. Es war schön, mit einer Kleinigkeit, die Mädchen glücklich zu machen.

mhm… wo steht nur mein Name?

Ich bin zu diesem Zeitpunkt so langsam müde und mal wieder vollgegessen, aber das Essen sollte noch nicht das Ende sein. Bei dem alltäglichen „Good Night“ auf dem Hof wird noch dreimal für mich gesungen, der Nachtisch aus Früchten serviert und ich puste die kleine Kerze auf der Spitze des Melonenberges aus, während alle mir zujubeln und mir Roberta bei verschlossenen Augen ein Paket in die Hand drückt. Die Mädchen hatten ein tolles Geschenk für mich vorbereitet: zwei verschiedene Stoffe, aus denen ich mir etwas Schönes schneidern lassen werde.

Die Uhr schlägt schon fast 22 Uhr und damit verabschiede ich mich zum zweiten Mal an diesem schönen Tag mit einem „Merci“ und kann nur träumen von leckerem Essen, vielen Glückwünschen und strahlenden Gesichtern.


Was wäre ein Blogeintrag von Sophie ohne eine Passage, die nachdenklich macht?

Wie ich am Anfang schon erwähnt habe, hatte ich ein komisches Gefühl vor meinem Geburtstag. Man sagte mir, hier feiert man diesen Tag nicht, viel wichtiger seien Feiertage der katholischen Kirche oder anlässlich des Gedenkens an Don Bosco. Die Gründe waren für mich am Anfang schwer zu begreifen, denn einer der schönsten Tage im Jahr ist doch der Tag, an dem alle nur dir gratulieren und an dich denken. Aber wenn ich die Mädchen fragte, wann sie Geburtstag haben, sagten sie mir, sie wüssten es nicht. Ich fragte mich, was denn wohl auf dem Pass stehen würde, denn jedes Mädchen besitzt zumindest einen. Nachdem ich ein wenig nachforschte, stellte ich fest, dass viele Mädchen am genau selben Tag Geburtstag haben. Wenn man den Termin also nicht kennt, wird man eben kreativ, oder eher unkreativ: am 31.Dezember zum Beispiel, feiern wir gleich fünf Mädchen..

PS: Man könnte meinen, ich sei schon fast Togolesin. Zusätzlich zu meinen vielen bunten Stoffen, meiner großen Leidenschaft, Mototaxi zu fahren und Ananas zu essen, stattete mich Jeremias anlässlich meines Geburtstags mit Togo- Trikot und – Hose aus. Jetzt kann nichts mehr schief gehen!


Die Zeit fliegt und ich zähle schon 72 Tage hier in Togo. An alle, die mich vermissen: 1/5 ist schon vergangen. An alle, die sich freuen, dass ich weg bin: ich habe noch 4/5 vor mir.

Diese Woche haben Jeremias und ich uns ein Bürozimmer für donnerstags, unseren freien Tag, eingerichtet. In meinem Zimmer im Centre sitzen wir uns gegenüber mit unseren Laptops vor der Nase und schreiben an unseren Blogs oder Rundmails für die Familien. Ich würde gerne von so vielem berichten, aber es ist so schwer, alles, was ich erlebe in Worte zu fassen. Manchmal habe ich ganz viele Gedanken im Kopf, doch finde keinen Satz, der diese Gedanken richtig ausdrücken könnte. In den nächsten zehn Monaten werde ich aber sicher noch über spannende Themen, Erlebnisse und Begegnungen berichten: im Dezember wird es viel zu feiern geben, wie die Don Bosco Conception, Weihnachten und Silvester, Anfang Januar dann den Geburtstag von Jeremias und im Februar werden wir uns beide auf den Weg nach Ghana zu unserem Zwischenseminar machen.

Ich freue mich auf die kommenden Tage und bin sehr gespannt auf eine sicher ganz andere Vorweihnachtszeit. Wenn ihr euch mal auf dem Weihnachtsmarkt oder auf der Piste befindet, dann trinkt einen heißen Kakao für mich mit, den werde ich hier nämlich nicht finden.

Ich grüße Euch aus Kara

Sophie

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