Weiß sein = Auffallend sein?
Egal wo wir hingehen, wir fallen auf. Wir versuchen, uns anzupassen, tragen indische Kleidung und flechten unsere Haare wie die Inderinnen in einem Zopf nach hinten. Aber das alles ändert nichts daran, dass wir auffallen. Denn unsere helle Haut sieht man von weitem. Und hier, in unserem kleinen Dorf und auch der nahegelegenen Stadt, sieht man so gut wie keine „Weißen“.
Daher schauen uns Kinder meistens mit großen Augen an, manche winken uns sogar zu. Und auch Erwachsene schauen, wenn auch manchmal etwas unauffälliger. Bei einem Zoobesuch haben wir schon Späße darüber gemacht, dass wir uns ja gleich selbst hinter Gitter stellen und anschauen lassen können.
Weiß sein = Interessant sein?
Durch unser Auffallen ziehen wir nicht nur Blicke, sondern auch Interesse auf uns. Wer sich traut, spricht uns an. Und so werden wir oft gefragt, woher wir kommen, wie wir heißen, wie lange wir in Indien bleiben und was wir hier machen. Und manchmal gehen die Fragen weiter über die Namen unserer Eltern, unsere Lieblingsfarbe, unseren Lieblingsfilm, unser Lieblingsessen und vieles mehr.
Weiß sein = Fotomodell sein?
Mit so viel Aufmerksamkeit, wie wir hier durch unsere Hautfarbe bekommen, fühlen wir uns manchmal schon fast wie Promis. Vor allem, wenn die Inder dann massenweise Fotos und Selfies mit uns machen wollen. Da ich aber nicht weiß, was mit den ganzen Fotos passiert und ich darauf verzichten kann, unbewusst auf jeder Menge indischen Facebook Profilfotos zu posieren, mache ich mittlerweile nur noch Fotos mit Leuten, die ich kenne und mit Sponsoren. Die Reaktionen, wenn man ein Foto verneint sind dabei ziemlich unterschiedlich. Manche laufen sofort verunsichert weg, andere fragen noch 10mal nach und wollen die Hoffnung auf ein Foto einfach nicht aufgeben. Akzeptieren müssen es früher oder später dann aber alle.
Weiß sein = Ehrengast sein
Oft werden wir als Weiße sofort wie Ehrengäste behandelt. In einem Einkaufszentrum wurden uns zum Beispiel Stühle und Trinken angeboten und sogar auf der Polizeistation wurden uns gleich Kekse und Kaffee gebracht. Und auch private Personen haben sich schon öfter bei uns bedankt, dass wir in ihrem Land einen Freiwilligendienst machen, und haben uns Essen geschenkt.
So eine besondere Behandlung finde ich auf der einen Seite zwar oft schön, auf der anderen Seite will ich aber auch nicht besser behandelt werden, nur weil ich eine andere Hautfarbe habe.
Weiß sein = Gesprächsthema sein?
Doch nicht jeder, der uns interessant findet, spricht uns auch an. Oft bekommen wir auch ganz genau mit, wie wir plötzlich zum Mittelpunkt anderer Gespräche werden. Sind die Gespräche auf Tamil, verstehen wir manchmal einige Wortfetzen und wissen deshalb, dass es um uns geht. Aber auch wenn sich Inder auf Hindi, Telugu, Kannada oder anderen Sprachen unterhalten, ist es meist nicht schwer zu erkennen, dass wir mal wieder das Hauptthema sind. Denn dafür reichen auch schon die nicht immer ganz unauffälligen Blicke und Zeigefinger, die auf uns deuten, aus.
Weiß sein = Schön sein?
In Indien schön gefunden zu werden, ist für uns zugegebenermaßen meistens nicht gerade schwer. Dafür reicht meistens schon unsere Hautfarbe. Wenn wir dann aber auch noch ein indisches Outfit anhaben oder sogar Blumen in unsere Haare stecken sind wir für die Inder noch schöner.
Weiß sein = Reich sein?
Leute wissen, dass wir in Deutschland mehr verdienen, verstehen aber nicht, dass auch alles viel mehr kostet. Kinder wollen Süßigkeiten gesponsert bekommen und auch der Brother scherzt darüber, dass wir ihm doch eine Reise nach Deutschland zahlen sollen. Dann versuchen wir immer zu erklären, dass auch in Deutschland das Geld nicht auf den Bäumen wächst, nicht jeder reich ist und wir genauso für unser Geld arbeiten müssen. So ganz kommt das aber leider trotzdem nicht bei allen an.
Weiß sein = Anders sein!
All diese Situationen waren für uns am Anfang zugleich ungewohnt und lustig, eigenartig aber auch schön. Mittlerweile haben wir uns schon fast daran gewöhnt, einfach immer aufzufallen. Und wenn wir ganz selten einen anderen „Weißen“ sehen, schauen wir ihm wahrscheinlich schon genauso ungläubig hinterher wie die Inder.
Was wir auf jeden Fall immer wieder neu merken, ist die große Herzlichkeit der Inderinnen und Inder. Noch nie hat uns jemand blöd angemacht oder uns sonst in irgendeiner Art und Weise schlecht behandelt. Im Gegenteil. Egal wo wir sind, jeder will uns alles Recht machen und jeder will, dass es uns gut geht. Und wenn wir mal ein paar Worte unseres sehr verbesserungsbedürftigen Tamils auspacken, werden wir in den meisten Fällen gleich angelächelt.
Manche erzählen uns auch stolz, dass sie schon in Europa waren. Aber die allermeisten waren noch nie außerhalb Indiens, kennen nur indisches Essen, indische Filme, indische Musik, indische Kleidung und die indische Hautfarbe.
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