Stimmengewirr, lachende Kinder, oft ist der Wecker überflüssig und ich wache von den Geräuschen des täglichen Hofkehrens der Jungs auf. Während die sich schon am frühen Morgen ab ca. 6 Uhr topfit und gutgelaunt ihren Aufgaben im Haushalt widmen, schlafe ich noch eine Runde weiter (soweit das bei einer Zimmertemperatur von mindestens 30 Grad noch möglich ist).

Doch dann heißt es kurze Zeit später auch für mich: Raus aus den Federn und auf geht´s in den neuen Tag. Um 8.30 Uhr begeben sich Jule und ich zu Fuß auf den 30-minütigen Weg zur Baracke auf dem Markt „Ouando“. Vorbei an kleinen Boutiquen, ganz vielen leckeren Obstständen, Essensständen mit Baguette, Nudeln oder Reis (das geht immer, ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen), Bars, die schon am Morgen Gute-Laune-Musik laufen lassen, freundlich grüßenden Menschen, freilaufenden Ziegen und Hühnern, hupenden Motos und beninischen Tankstellen… geht es, bis wir dort freundlich von den Jungs in Empfang genommen werden (zumindest meistens). Die sind nämlich gerade damit beschäftigt den Boden zu kehren oder schon so vertieft in das Tischkickerspiel, dass sie unsere Ankunft erst gar nicht bemerken. Jetzt heißt es aber Zeit für das „Mot du jour“, also „Wort des Tages“. Der Erzieher gibt kurze Ratschläge, Denkanstöße oder stellt Fragen zu wichtigen Themen, wie Alphabetisierung, Schule, Geduld, Wünsche, Träume, Arbeit,… Auch wir geben den Kindern noch Einblicke von unseren Erlebnissen mit. Nach dem schönen ruhigen Moment des Beisammensitzens wird es dann wieder laut in der Baracke. Wir spielen gemeinsam Karten, Klatschspiele, malen, knüpfen Armbänder oder bewundern, wie die Jungs singen, tanzen und tam-tam spielen. Bis jetzt bin ich hier noch niemanden begegnet, bei dem es scheint, als ob er keinen Rhythmus im Blut habe. Da viele Jungs, die in die Baracke kommen noch nie zur Schule gegangen sind und leider nicht lesen und schreiben können, steht auch Alphabetisierung auf dem täglichen Programm. Das ist nicht einfach, da Geduld und Disziplin oft fehlen, aber wir sind dabei, die Jungs anzuspornen und zu motivieren.

Alles ist bunt in den Gassen vom Markt „Ouando“

Jeder Tag in der Baracke steckt voller Überraschungen, da alle Kinder Willkommen sind: Straßenkinder, Kinder die auf dem Markt arbeiten und kommen, um sich auszuruhen, Auszubildende oder Schüler, die Probleme haben und Rat suchen. Ich freue mich bereits schon am Abend vorher auf den nächsten Vormittag in der Baracke, um Zeit mit den Jungs zu verbringen.

Gegen 12 Uhr machen wir uns wieder auf den Rückweg zum „Centre“. Der Pünktlichkeitswahrnehmung der Afrikaner nähern wir uns immer mehr an und so wird 12 Uhr manchmal ganz schnell zu 12.30 Uhr oder noch später. So passiert es also, dass wir nicht immer mit den Brüdern gemeinsam zu Mittag essen, weil jeder hier sein ganz individuelles Zeitmanagement besitzt und das Motto „Doucement, doucement“ (Langsam, langsam) gilt. Was allerdings jeder macht ist die sogenannte „Sièste“ bis 15 Uhr. Für die kurze Pause am Nachmittag bin ich sehr dankbar und bei der afrikanischen Hitze kommt sie sehr gelegen, um neue Kraft für den weiteren Tagesverlauf mit den Jungs aus dem „Centre“ zu sammeln.

Von 15 Uhr bis 17 Uhr gehen die 11-16- jährigen Jungs zur obligatorischen Lernzeit, die 3 Mal die Woche stattfindet. Die Jüngeren und die Älteren sind jeweils in einem Raum mit einem Lehrer. Es werden Unterrichtsinhalte vom Vormittag besprochen, Hausaufgaben oder Übungsaufgaben gemacht. 15 Uhr Beginn heißt selbstverständlich nicht automatisch 15 Uhr Beginn. 15.00 Beginn bedeutet, dass die Jungs ab 15.15 Uhr noch ganz zerknautscht vom Mittagsschlaf allmählich in die Klassenräume eintrudeln. Und was ist mit den Lehrern? Die lassen sich noch später blicken… Was sind denn auch schon 30 Minuten Verspätung? Jule und ich sind auf jeden Fall immer anwesend und haben teilweise die alleinige Aufsicht bei den jüngeren Jungs. Dann wird gerechnet, das Alphabet spielerisch wiederholt, oder ein Diktat gemacht.

Lernen macht (manchmal sogar) Spaß

Dienstags haben die Jungs am Nachmittag frei und es ist Spielzeit, freitags steht anstatt der Lernzeit Katechismus auf dem Programm.

Von 17 Uhr bis 18 Uhr ist jeden Tag Freizeit. Dann reicht ein Fußball und schwupps, alle Jungs sind glücklich, Kartenspiele sind aber auch sehr beliebt. Anschließend ist das tägliche Abendprogramm angesagt: Kehren, duschen, lernen und Abendessen. Für Jule und mich geht es um 20 Uhr auch zum Abendessen gemeinsam mit den Frères. Anschließend findet um 21 Uhr (das kann natürlich auch wieder 21.30 Uhr bedeuten) das „Mot du soir“, also „Wort des Abends“ statt. Alle Jungs sind versammelt und ein Frère gibt einen kurzen Impuls mit anschließendem Abendgebet. Bis 22 Uhr können die Jüngeren noch spielen, bevor es ab ins Bett geht. Die Älteren müssen noch Hausaufgaben machen oder lernen. Da heißt es für Jule und mich- Achtung, Gehirnsport! Denn wir helfen meistens bei den Englisch Hausaufgaben und das ist gar nicht so leicht immer von französisch auf englisch zu switchen. Mittlerweile bin ich schon so tief in der französischen Sprache versunken, dass ich 2 Mal länger über einfache englische Wörter nachdenken muss.

Jeder Wochentag ist anders und abwechslungsreich. Manchmal haben wir, wenn die Jungs ihre Arbeiten erledigen müssen, frei. Dann haben wir natürlich schon vorgesorgt und Obst vom Markt mitgenommen, das wir auf dem Dach genießen oder wir schauen im Atelier des einen Pères vorbei. Dort können sich die Jungs in ihrer Freizeit kreativ entfalten. Sie lernen dort, wie man aus Naturmaterialien, wie z.B. Kokosnussschalen oder Samen, Ohrringe, Ketten, Armbänder, Holzlöffel oder Dekoration macht. Das sieht zwar einfach aus, kostet aber viel Geduld und Präzision

Im oberen Stockwerk befindet sich das Atelier
Neben Fußballschuhen und unter frisch duftender Wäsche schmeckt das Obst noch besser

Zu guter Letzt fehlt noch das Wochenende. Das haben wir zum Glück frei, denn während die Jungs den Samstag putzen, aufräumen, ihre Wäsche mit der Hand waschen und wie so oft anpacken müssen, entdecken Jule und ich die Gegend oder treffen uns mit den zwei lieben Mitvoluntärinnen aus Cotonou. Am Sonntag gehen wir um 9 Uhr zur Messe (der Gottesdienst beginnt sogar meist pünktlich). Die Bänke in der Kirche sind immer gefüllt von netten Menschen mit bunten Stoffen und alles blüht vor Leben. Der Chor singt französische Lieder und Lieder auf „Goun“, einer der Sprachen, die man in Porto-Novo finden kann und die Gemeinde klatscht fröhlich mit. Nach der Messe, die ca. 1h 30 dauert, nutzen Jule und ich die Möglichkeit die Kleidungsstücke der Afrikanerinnen zu bewundern und überlegen, was für ein Modell wir uns als nächstes gerne schneidern lassen möchten. Wenn wir unsere Begutachtungen vollendet haben, nehmen wir an der Chorprobe teil und versuchen so gut es geht, die Liedtexte richtig auszusprechen. Nach dem Mittagessen und der „Sièste“ beginnt das Oratorium. Kids aus der ganzen Umgebung können kommen und an Angeboten, wie Volleyball, Fußball, Basketball, Tischkicker oder Tischtennis teilnehmen. Ab ca. 18 Uhr heißt es für 2 ältere Jungs im „Centre“ kochen für 17 Pränovizen, 26 hungrige Kameraden, 4 Pères und 2 Frères. Sonntags müssen das die Jungs nämlich immer abwechselnd selber übernehmen. Gekocht wird im Freien, in einer überdachten Küche über offenem Feuer. Selbstverständlich gilt auch hier immer: Wenn das Essen um 20 Uhr fertig sein soll, beginnen um diese Uhrzeit erst die Vorbereitungen, wie Tisch holen, Geschirr und Besteck (das ist nur für die Erwachsenen, die Jungs essen alle mit der rechten Hand) verteilen und das Essen gerecht aufzuteilen. So kehrt dann um ca. 20.30 Uhr nach dem Tischgebet Ruhe ein, weil alle den sonntäglichen Reis genießen.

Wenn es regnet wird die Wäsche einfach hängen gelassen bis zum nächsten Sonnenschein
Der Reis muss für 50 hungrige Münder reichen

So, das war´s eigentlich soweit zu unserer Woche. Ich sende euch ganz liebe Grüße in die Heimat und freue mich, dass ihr alle an meinen Erfahrungen teilhaben wollt. Noch kurz was zum Schluss: Ich hab hier schon einiges gelernt. Was mir gerade durch den Kopf geht ist, wie viel ein gutes Wort und ein ehrliches Lächeln bewirken können, um deinem Gegenüber das Herz ein bisschen fröhlicher zu machen.

In diesem Sinne

A bientôt

Und denkt immer daran „Doucement, doucement“, nur keinen Stress.

Eure Lea