Bienvenidos a Medellín

Herzlich willkommen zu meinem ersten Blogeintrag.

Mittlerweile bin ich schon seit fast drei Wochen in Kolumbien und habe daher schon einiges erlebt. Ich versuche hier möglichst viele meiner ersten Eindrücke und Erfahrungen mit euch zu teilen, weshalb dieser Blogeintrag ziemlich ausführlich sein wird.

Am 05.09. sind Yannik (mein Mitvolontär aus Mainz) und Ich von Frankfurt aus nach Bogotá geflogen. Der Flug dauerte zwar über 11 Stunden, aber dank der großzügigen Filmauswahl an Bord, verging die Zeit wie im Flug.

Als uns die Kabinen der Flughafentoiletten nur bis zur Brusthöhe gingen, merkten wir das erste Mal, dass wir in Südamerika waren.

Von Bogotá aus sind wir dann schließlich nach Medellín geflogen, wo wir um ca. 23 Uhr Ortszeit und 6 Uhr deutscher Zeit ankamen und von einem Mitarbeiter der Ciudad Don Bosco abgeholt wurden.

Die Ciudad Don Bosco (Don Bosco Stadt) ist die Institution, in der wir das nächste Jahr arbeiten und wohnen werden. Das Gelände liegt am westlichen Rand Medellíns auf ca. 1.800 Höhenmetern, etwa 400 Meter höher als das Stadtzentrum.

Von hier oben haben wir einen unglaublichen Ausblick auf die zweitgrößte Stadt Kolumbiens.

Unser Ausblick von der CDB

Nach der anstrengenden Reise haben wir uns besonders gefreut, als wir am nächsten Morgen schon um 6 Uhr von lauter Reggaeton Musik aufgeweckt wurden.

Am ersten Tag wurden wir von Laura, unserer Volontärsbeauftragten, auf dem Gelände der Ciudad Don Bosco (CDB) herumgeführt. Dabei haben wir bemerkt, dass unsere Spanischkenntnisse gar nicht mal so überragend sind.

Die CDB ist eine Art Campus eines Jungen-Internats für Straßenkinder in einem Barrio am Rande Medellíns. Auf dem Gelände gibt es neben den Büros für die Sozialarbeiter, Psychologen, etc., Dormitorios (Schlafsäle) für die Jungs, woher die schöne Morgenmusik täglich zwischen 5 und 6 Uhr ertönt, Klassenzimmer, wo die Jungs zur Schule gehen, eine Sporthalle mit Tribüne, welche die Jungs Colosseo nennen, mehrere Fußball- und Basketballplätze, Spielplätze, eine Mensa, ein Gym, eine Kirche/Kapelle, das Haus der Salesianer Don Boscos, unser Volontärshaus und das Beste: Einen Pool.

Der Blick von der Mensa aus auf den Pool und die Stadt

Außerdem gibt es auf dem Gelände verschiedene Werkstätten, wie z.B. eine Metallwerkstatt, eine Lehrküche, einen Frisörsalon oder eine Textilwerkstatt, wo sowohl Jungs als auch Mädchen eine Ausbildung absolvieren können.

Zurzeit sind außer Yannik und mir noch vier weitere Volontäre hier. Drei Österreicher und ein Schweizer, wobei zwei der Österreicher unter der Woche in einem Dorf südlich von Medellín arbeiten und nur am Wochenende in der CDB wohnen.

Jeder von uns hat hier ein kleines Zimmer mit Bad. Außerdem haben wir einen Gemeinschaftsraum mit Küche, Waschmaschine und Fernseher.

Wir Volontäre können gemeinsam mit den Jungs der CDB zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen gehen. Zum Frühstück, was schon um 7:00 Uhr beginnt, gibt es Arepa (Eine Art Maisfladen, der wie Maiswaffel mit einer Konsistenz von sehr dicken Pfannenkuchen schmeckt und sehr typisch kolumbianisch ist) mit Käse und wenn man Glück hat noch etwas Rührei. Mittags und abends gibt es immer Reis mit irgendeiner Beilage und Fleisch. Typisch für Kolumbien sind die sogenannten Plátanos (Kochbananen), welche mir persönlich noch nicht so gut schmecken, ich werde mich aber dran gewöhnen müssen.

Was mich etwas stört ist, dass es das Abendessen hier um 17 Uhr gibt (Um 18 Uhr wird es hier schon dunkel). Daher kochen wir uns später abends in unserer Küche immer nochmal Nudeln als zweites Abendessen.

Da das Frühstück von der Menge her nicht ausreicht und mir 7:00 Uhr zu früh ist, mache ich mir meistens auch mein Frühstück selbst.

Am zweiten Tag sind wir mit Laura und Leo (ein Volo aus Österreich, der auch erst seit ca. 4 Wochen hier ist) das erste Mal raus aus der CDB ins Barrio gegangen, um einen Bus zu einem Außenprojekt der CDB namens „Capre“ zu nehmen. Die Busfahrt glich – dank der sehr steilen Straßen im Barrio, welche immer wieder mit Schlaglöchern und Hubbeln versehen sind und dem chaotischen Verkehr – einer Achterbahnfahrt. Zum Verkehr in Medellín werde ich aber gleich noch etwas schreiben.

Das Capre, was uns an diesem Tag vorgestellt wurde, ist ein Projekt, in welchem ehemalige Kindersoldaten leben, zur Schule gehen und psychologisch betreut werden. Noch ist unklar, ob in Zukunft einer von uns in diesem Projekt arbeiten wird. Vermutlich müssen wir erst einmal unser Spanisch verbessern, da diese Jungs und Mädels häufig aus Gebieten kommen, in denen ein Akzent gesprochen wird, der schwerer verständlich ist.

Abends sind wir mit Patrick, dem Schweizer Volontär, der schon seit einem Jahr hier ist, in eine Shoppingmall gefahren, um Geld abzuheben und eine kolumbianische Sim-Karte mit Internet zu besorgen.

Kolumbianer sind extrem offene und entspannte Menschen, die sehr gerne und viel reden. So auch der Sim Karten Verkäufer, der sich mit Patrick erst einmal eine gute halbe Stunde unterhalten hat, bevor er seiner Arbeit nachging. So Mancher würde da vermutlich die Geduld verlieren, aber ich empfinde diese Lebenseinstellung als äußerst positiv und freue mich schon darauf, in einigen Monaten, wenn mein Spanisch besser ist, auch an den Gesprächen teilnehmen zu können

Da ein Euro – je nach Kurs – zwischen 4100 und 4400 Kolumbianische Pesos Wert ist, macht das Umrechnen besonders Spaß. Mittlerweile habe ich mich aber einigermaßen dran gewöhnt. Insgesamt sind die Preise in Kolumbien aber sehr niedrig, solange man keine europäischen Produkte kauft. Für 55GB Internet haben wir z.B. umgerechnet 9 Euro gezahlt und für eine halbe Stunde Taxifahren zahlen wir weniger als 4 Euro. Ein kleiner Parmesan aus dem Euroladen kostet hingegen fast 8 Euro und Nutella im 140g Glas über 3 Euro.

Das 140g Nutella Glas

Taxis sind für uns hier das Haupt-Fortbewegungsmittel. Auf den Straßen Medellíns fahren gefühlt nur Motorräder und Taxis.

Der Verkehr in Medellín funktioniert folgendermaßen: Rote Ampeln zählen nur an viel befahrenen Kreuzungen, Zebrastreifen sind nur zur Dekoration der Straße gedacht, Geschwindigkeitsschilder werden auf freien Straßen als Mindestgeschwindigkeit interpretiert, Einsatzfahrzeuge mit Sirene sind irrelevant und werden nicht vorgelassen, wer zuerst hupt hat Vorfahrt und wenn man sich die Vorfahrt nicht nimmt, kommt man in der Stadt nicht vom Fleck.

Eine 20 Meter entfernte Ampel, die gerade erst rot geworden ist, wird mit Vollgas angesteuert, um ernüchternd feststellen zu müssen, dass die Ampel nicht sofort wieder grün geworden ist und eine Vollbremsung von Nöten ist. Die meisten Taxis haben die Anschnallgurte ausgebaut, um den Kunden den Spaß nicht zu verderben.

Wenn man schnell durch den Verkehr kommen möchte, dann ist man auf ein Motorrad angewiesen. Damit kann man durch die engsten Lücken fahren und wenn die Straße mal verstopft ist, gerne auch über die baulich getrennte Gegenfahrbahn überholen. Fehlen eigentlich nur noch die heiligen Kühe, die über die Straße laufen und man würde sich wie in Indien fühlen.

Und trotzdem habe ich hier bisher erst einen leichten Unfall gesehen, weil die Kolumbianer einfach gut darin sind, so zu fahren, wie sie es tun.

Am Freitag, unserem vierten Tag, durften wir (Leo, Yannik und Ich) bereits bei einem Ausflug des Teams, bestehend aus Lehrern, Sozialarbeitern, Psychologen, etc. in einen Freizeitpark in Rionegro (ein Dorf knapp 2 Busstunden von der CDB entfernt) mitfahren. Bei den dortigen Fortbildungs-Teambuildingspielen wurde unser Spanisch erneut auf die Probe gestellt – ohne Erfolg.

Besonders gut hat die Kommunikation funktioniert, als bei einem Spiel komplexe Fragen, wie „Was bedeutet Freundschaft für dich“ gestellt wurden. Da kamen wir dann mit unserem „Sí, muy bien“, Daumen hoch und nettem Lächeln leider nicht mehr weiter. Der Rest des Ausflugs hat aber großen Spaß gemacht.

Freizeitpark in Rionegro

Am Samstag sind wir mit den Jungs der CDB in den Pool gegangen, haben Volleyball gespielt und uns erstmal von der überaus harten Arbeitswoche erholt.

Sonntags haben wir mit Emilio und Lucas, die nur am Wochenende da sind, einen Ausflug auf den Berg „Cerro de las Tres Cruces“ gemacht.

Yannik und Ich, den Berg in Jeans hochsteigend, weil wir dachten, dass Kolumbianer auch beim Sport Jeans tragen.

Am Mittwoch der nächsten Woche sind Leo, Yannik und Ich mit einem Lehrer in das Projekt „Derecho a Soñar“ (Recht zu Träumen) in der Comuna 13 gefahren. Dort kommen hilfsbedürftige Familien mit Kindern hin und werden unterstützt und sozial beraten.

Die Comuna 13 war in den 80er und 90er Jahren unter der Herrschaft von Pablo Escobars Medellín Kartell und litt unter einer der höchsten Mordraten weltweit. Heute ist es eins der sichersten Viertel Medellíns, aber die in Armut lebende Bevölkerung trägt bis heute viele Narben davon.

Comuna 13

An dem Tag als wir dort das Projekt „Derecho a Soñar“ kennengelernt haben, gab es für die Kinder und Mütter eine Art Flohmarkt, bei dem die Kinder und Mütter Spielgeld bekommen haben, mit dem sie sich dann Klamotten einer Kleiderspendensammlung kaufen konnten. Wir Volontäre haben beim Aufbau, der Kleider- und Essensausgabe geholfen.

Den Rest der Woche haben wir im Englischunterricht der CDB ausgeholfen, welcher für mich anfangs ein großer Schock war. Der Großteil der der Jungs (besonders der jüngeren) scheint überhaupt kein Interesse daran zu haben, etwas zu lernen, einige schlafen die ganze Stunde durch, andere spielen die ganze Stunde am Handy und der Geräuschpegel übertrifft nochmal den meiner alten Klasse in Deutschland.

Umso schöner ist es, wenn man bei den Jungs, die wirklich etwas lernen wollen, sieht, wie sehr sie sich auf uns freuen und wie dankbar sie sind. Mein Highlight der letzten Woche war, als ein Junge, der mir in den Übersetzer eingetippt hat, dass er uns sehr dankbar ist, unsere Bemühungen sehr wertschätzt und es ihm leidtut, dass sich seine Klassenkameraden so verhalten.

Natürlich haben die Jungs alle einen schweren Hintergrund, trotzdem hat es uns sehr verwundert, wieso die Jungs keine Strafen oder Konsequenzen bekommen.

Der Lehrer hat uns erklärt, es gebe wohl im Nachhinein doch Konsequenzen, wie genau das funktioniert, habe ich aber noch nicht ganz verstanden. Für mich sieht das bisher eher so aus, als würde diese Pädagogik nicht funktionieren. Aber wenn ich etwas Neues darüber weiß, werde ich es in meinen nächsten Blogs mitteilen.

Letzte Woche Freitag sind wir Volontäre und Laura abends zu einer Finca, die zur CDB gehört, aber außerhalb des Geländes, weiter oben auf dem Berg liegt, gegangen, wo wir ein Lagerfeuer gemacht, übernachtet und gefrühstückt haben.

Leo, Yannik Laura, Ich, Emilio, Lucas und Patrick

Bis zu dieser Woche war unsere Aufgabe nur mit dem Englischlehrer in den Unterricht zu gehen, damit wir unser Spanisch noch etwas verbessern können, wenn wir mit den Kindern reden.

Ab nächster Woche geht es dann wahrscheinlich richtig los mit der Arbeit. Stand jetzt sieht es so aus, als ob ich ab dann drei Tage die Woche in Derecho a Soñar arbeiten werde.

Ich möchte in diesem ersten Eintrag zum Schluss kurz etwas zu Spenden für Don Bosco sagen. Mein Freiwilligendienst wird zu 75% von weltwärts gefördert, jedoch muss ich die restlichen 25% über einen Spenderkreis aus Familie und Freunden zusammenbekommen. Eine Spendenbescheinigung gibt es natürlich auch hierfür, wenn ihr im Verwendungszweck zusätzlich eure Adresse angebt. Ich freue mich über jeden Euro der zusammenkommt. Im Folgenden die Bankverbindung, falls ihr etwas spenden wollt und könnt…

Don Bosco Mission

IBAN: DE89 3705 0198 0000 0994 99
Bank: Sparkasse KölnBonn

Verwendungszweck: Justus Lenz, S23VR006

Vielen Dank!

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Feliz Alborada!

  1. Lena Wolf

    Was für eine tolle Erfahrung Justus! War sehr interessant zu lesen. Freu mich auf den nächsten Post.
    Lena Wolf

  2. Ulla

    Hallo Justus,

    ich hab mich sehr gefreut so ausführlich über mein Lieblingsprojekt im Lieblingsland zu lesen. Und bezüglich der lernunwilligen Jungs in der CDB. Ich war sehr desillusioniert, als ich mit Mitte zwanzog mal ein halbes Jahr an einer Grundschule im Kölner Brennpunkt gearbeitet habe, an weiterführenden Schulen ist das ganze je nach Viertel sicher manchmal ähnlich wie dass was du in der CDB erlebst. Wir leben schon in einer sehr privilegierten Bubble, das merkst man bei solchen Ausflügen in anderen Welten immer wieder- und die andere Welt kann auch in der Heimatstadt sein. Un abrazo a Laura y P. Simon!

  3. Stephan Schmitt

    Ich als Dein ehemaliger Klassen- und Deutsch-Lehrer freue mich besonders über Dein Engagement für diese armen, gebeutelten und benachteiligten Jugendlichen in Kolumbien. Du scheinst ja sprachlich, pädagogisch und abenteuermäßig richtig herausgefordert zu sein. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und wichtige Erfahrungen bei diesem bewunderswerten Projekt in einem fremden Land, das so weit von uns entfernt ist. Und dies ist nicht nur geografisch gemeint. Alles Gute und Gottes Segen!!!

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