Wer in Indien unterwegs ist, muss eine Menge Zeit mitbringen. Auf Fahrpläne ist oft wenig Verlass, falls sie überhaupt existieren. So will ich nun, anhand meiner gesammelten Erfahrungen, die Transportmöglichkeiten Indiens ausführlich vorstellen.
Auto(rickshaw)
Fast täglich fahren wir einen Teil unseres Heimwegs von der Schule mit dem gelben Flitzer, da es um diese Zeit keine Busverbindung von Bommaya Puram aus gibt. Doch das kleine Gefährt, welches auf drei Rädern über die Straßen holpert, darf nicht unterschätzt werden. Es kommt durchaus mal vor, dass sich zehn Leute neben den Fahrer, auf die Rückbank und in den „Kofferraum“ quetschen. Aber auch Ziegen sieht man immer mal wieder mit wackligen Beinen mitfahren. Der ganz klare Vorteil an diesem Gefährt ist, dass es dich auch genau da absetzten kann, wo du hin willst. Ungeachtet der zahlreichen Schlaglöcher, engen Gassen oder des dichten Verkehrs – der Rickshaw-Fahrer findet immer einen Weg zum Ziel. Da an jeder Ecke Fahrer rumlungern – meistens im Halbschlaf auf ihrer Rückbank – muss man sich nie lange nach ihnen suchen. An Touristenorten oder Bahnhöfen werden die Jungs aber auch schnell zur Plage, gerade wenn man offensichtich Ausländer ist. Dann stürzen sich alle auf einen und wollen dir ihren Dienst anbieten. Da hilft auch meistens kein Kopfschütteln oder ein „No, thank you.“. Einfach nur loslaufen und die Welle an „Rickshaw, Sir?…Where is your Hotel…Please, very cheap price“, usw. hinter sich bringen. Aber recht haben sie ja. Die Rickshaw ist tatsächlich eine praktische und günstige Option um kurze Strecken zurückzulegen.
Bus
Auf unserem Schulweg sind wir zudem auch auf den Bus angewiesen. Während man nie weiß, ob dieser pünktlich um 9:00 Uhr kommt oder doch erst zwanzig Minuten später, hält auch die Fahrt selbst immer einige Überraschungen bereit.
So kam es schon zu minutenlangen Stillständen, weil etwa der kleine Transportwagen des Bauers die Straße blockierte oder auch einfach mal der Motor ausgesetzt hat, beziehungsweise sicherheitshalber gecheckt werden muss. Einmal mussten bei einem solchen Ausfall die männlichen Fahrgäste mobilsiert werden und den Bus anschieben, bis der Motor wieder ansprang. Allgemein ist der Bus aber die Beste Möglichkeit um mittlere (alles über 4 km lohnt sich mit der Rickshaw nicht) wie auch lange Strecken schnell zurückzulegen. Es sind unglaublich viele Busse unterwegs – meistens aber auch unglaublich voll – sodass man an der Haltestelle einfach auf den nächstbesten wartet. Denn der Fahrplan und die Abfahrtszeiten sind meist nicht öffentlich zugänglich. Man stellt sich an eine Haltestelle und wartet – so einfach ist das. Meisten beschränkt sich die Wartezeit auf wenige Minuten bis maximal eine halbe Stunde. Zudem kann man den Bus oft einfach per Hand anhalten, auch wenn man nicht an einer Haltestelle steht.
Es wird Wert darauf gelegt, dass die Menschen ihr Ziel erreichen, während in Deutschland die strikte Einhaltung des Fahrplans an oberster Stelle steht. Wodurch es in Deutschland auch vorkommt, dass der Busfahrer einen verspäteten Fahrgast sprintend im Rückspiegel sieht und trotzdem Gas gibt – ein Szenario, dass ich durchaus das ein oder andere mal an einem verschlafenen Morgen erlebt habe…schnief. Aber als Deutscher komme ich wahrscheinlich einfach von dem einen in das andere Extrem, woduch der Unterschied so gravierend ist. In einer Sache unterscheiden sich die Busse der beiden Länder für einen Menschen meiner Größe (1,90m) jedoch nicht. Man hat einfach immer zu wenig Platz für die Beine. Das kann auf fünfstündige Fahrten, wie wir sie schon hatten, mit der Zeit sehr schmerzhaft werden. Letztendlich ist das Busfahren aber sehr praktisch und entspannt, weil man isch eigentlich immer darauf verlassen kann, dass ein Bus kommt. Sogar wenn man nachts um drei mit dem Zug ankommt und irgendwie nach Keela Eral kommen muss.
Zug
Zum Beginn eine kurze Anekdote:
Jakob und ich hatten einen Zug von Salem nach Hyderabad gebucht, da dort unser Zwischenseminar stattfand. Zwischen unserem Projekt und Salem liegen ungefähr sechs Stunden Busfahrt. Wir, schon die indische Gemütlichkeit völlig verinnerlicht, machen uns also mit dem Bus auf den Weg. Mit fortschreitender Fahrzeit wird uns immer uns immer bewusster, dass es verdammt eng werden wird mit unserem Zug. Kurz vor unserem Ziel haben wir uns schon nach alternativen Zügen informiert und damit gerechnet, unseren Zug zu verpassen. Den Bahnhof erreichen wir zu einer Zeit, zu welcher der Zug schon seit 20 Minuten den Bahnhof hätte verlassen müssen. Hätte müssen. Zum Glück kann man sich auf eines immer Verlassen: die Unpünktlichkeit der indischen Züge. Letztendlich warteten wir noch eine knappe Stunde an dem Bahngleis, bis unser Zug einfuhr. Natürlich nicht auf dem Gleis welches die Tafel in der Bahnhofshalle anzeigte sondern auf dem nebendran. Somit machten wir es den zahlreichen Indern gleich und überquerten das Gleis, um dann von der „falschen Seite“ in den Zug einzusteigen. Dies ist glücklicherweise nie ein Problem, da sich die Türen manuell per Hand öfnnen lassen. Auch während der Fahrt – bei durchschnittlich 50 km/h aber auch halb so wild.
Diese kleine Geschichte zeigt ganz gut, wie unberechenbar die Züge in Indien sind. Wir mussten glücklicherweise noch nie mehr als zwei Stunden am Bahnhof auf unseren Zug warten. Matteo, ein Mitvolontär von uns verbrachte schon eine ganze Nacht am Bahnhof in Goa, da sein Zug neun Stunden verpätet war. Wenn man dann aber mal im Zug seinen Platz gefunden hat ist die Fahrt meistens sehr entspannt. Vor allem in den Schlafabteilen kann man 20-stündige Fahrten ohne Probleme verbringen. Es werden Kissen und Bettdecken für die gepolsterten Schlafpritschen zur Verfügung gestellt. An den Bahnhöfen steigen Verkäufer zu und bieten Tee, Wasser, Snacks aber auch warme Mahlzeiten an.
Um diesen Luxus genießen zu können, muss man sich aber auch sehr früh darum kümmern, da die Schlafabteile sehr schnell ausgebucht sind. Für unsere Reise nach Goa haben wir beispielsweise kanpp zwei Monate vorher Plätze in einem Zug gebucht. Zwar standen wir zu diesem Zeitpunkt noch auf der Warteliste, die Fathers meinten aber, bis zu unserer Fahrt noch genug die Reise wieder sornieren werden. Letztlich behielten sie nicht recht und wir mussten in einem Abteil ohne reservierte Plätze verbringen.
17 Stunden Fahrt über Nacht, auf ungequemen Sitzbänken und Gepäckablagen liegend, mit einem Ständigen Luftzug der dir um die Ohren pfeifft.Das erste Mal in Indien war mir wirklich kalt und ich verkroch mich in meine Regenjacke, welche nur bedingten Schutz vor der beißenden Kälte bot. Die ersten Urlaubstage verbrachte ich aufgrund dessen noch mit einer Erkältung.
Deshalb sind Zugfahrten nur für lange Strecken und mit gesichtertem Sitzplatz auch wirklich empfehlenswert. Denn spontan geht hier nur sehr selten was, ohne dass man sich in ein bis an den Anschlag bevölkertes Abteil zwängen muss.
Two-wheeler
Die meisten Inder sind auf zwei Rädern unterwegs. Entweder Fahrrad, Roller, Mofa oder Motorrad. Auf letzterem bekommt man auch locker eine ganze Familie unter. Wenn man zum ersten mal sieht, wie ein Kleinkind vor dem lenkenden Vater mehr liegt als sitzt, zwischen den Eltern dann nochmal ein oder zwei Kinder Platz finden und die Mutter sich im Damensitz mit einer Hand irgendwo Halt verschafft und gleichzeitig das Jüngste im Arm wiegt, dreht es einem erstmal den Magen um. Aber da sich eine Familie in den meisten Fällen wenn überhaupt ein Motorrad leisten kann, muss man damit eben auch die ganze Bagage von A nach B bringen.
Auch wir sind schon das ein oder andere Mal mit Rollen oder Motorrädern mitgefahren. Als beispielsweise gerade kein Rickshaw-Fahrer nach dem Ende der Schule da war, um uns zum nächsten Dorf an die Bushaltestelle zu bringen, übernahm ein Bauarbeiter mit seinem Mofa diesen Job. Da ich meine langen Beine nirgends unterzubringen wusste, musste ich sie anziehen. Von Krämpfen in allen erdenklichen Muskeln meiner Beine gequält, streiften meine Flip-Flops immer wieder auf dem Asphalt, weshalb ich sie nur mit Mühe bis zum Ende der Fahrt noch an den Füßen behalten konnte.
In Goa haben wir die ersten eigenen Fahrerfahrungen gesammtelt. Wir haben uns für zwei Spritztouren Roller ausgeliehen und sind einfach mal drauflos gebrettert.
Da in Goa zum größten Teil ausländische Touristen unterwegs sind und der Verkehr sich in Grenzen hält, ist es ein geeigneter Ort um zum ersten Mal selbst zu fahren. In einer indischen Stadt würde ich mir dies beim besten Willen nicht zutrauen. Als wir in Vijayawada, einer Stadt mit einer Million Einwohnern, unsere Mitvolontäre Christian und Lena besuchten, waren wir mit dem Fahrrad unterwegs. Man muss unglaublich aufmerksam sein und alles um sich herum ständig im Blick haben, damit man nicht unter die Räder kommt. Generell erwartet man bei dem regelrechten Verkehrschaos was in Indien herrscht, zahlreiche Unfälle. Jedoch ist jeder Fahrer sehr konzentriert und aufmerksam und pocht nicht darauf Vorfahrt zu haben. Weil sowas gibt’s hier in Indien sowieso nicht.
Wenn man in Indien unterwegs ist, ist also immer was los. Egal wie man reist, langweilig wird’s dabei nie. Das kann zwar manchmal echt antrengend sein, erweitert aber auch die Sammlung an witzigen Geschichten die man erzählen kann. Vermissen werde ich, sobald ich zurück in Deutschland bin, auf jeden Fall, dass mit in Zug und Bus ständig Essen angeboten wird. Das ist nämlich echt suuuper…
Matteo
Sehr Nett, dass du meine Leodensgeschichte in goa erwähnst.
Viele Grüsse
Matteo