Nachdem meine Einsatzgebiete alle gezeigt wurden, wie ich es im vorigen Eintrag beschrieben habe, starten meine Mutter, Schwester und ich gemeinsam eine Rundreise durch den Süden Indiens. In den verbliebenen eineinhalb Wochen, wollen wir natürlich soviel wie möglich von dieser Gegend sehen. Hauptsächlich aber, sollte die Zeit gemeinsam genossen werden. Immerhin haben wir uns für über ein halbes Jahr nur über den PC-Bildschirm flackern sehen.

Das erste mal Halt machen wir in Kumily, wo wir auch direkt bei unserer Ankunft für die kommenden Tage unser Programm bei einem der vielen Touristen-Büros buchen. Es wird eine Tour durch den Nationalpark per Jeep, Boot und zu Fuß geplant. Den Tag danach werden wir Tee- und Gewürzplantagen besichtigen.

Schon früh morgens um fünf quälen wir uns für die Jungle-Tour aus den Betten. Schon seit einem halben Jahr an das warme indische Klima gewöhnt, trage ich auch heute natürlich nur ein T-Shirt. Noch die kommenden Tage werde ich in Form einer Erkältung an dieser leichtsinnigen Entscheidung zu knabbern haben. Da wir uns in Kumily immerhin auf knapp 900 Höhenmetern befinden, ist es kälter als in unserer Region, vor allem morgens, solange die Sonne sich noch hinter den Bergen versteckt hält und man mit dem offenen Jeep durch die Dunkelheit rast. Als dann die ersten Sonnenstrahlen durch das dichte Blattwerk fallenkönnen wir die Fahrt so richtig genießen. Ab und zu macht der Fahrer halt, weil er uns etwas erklären will, glaubt ein Tier gehört oder gesehen zu haben – in dieser Hinsicht bleiben wir am heutigen Tag recht erfolglos – oder es eine gute Gelegenheit gibt solch prächtige Fotos zu schießen:

Im weiteren Verlauf des Tages wandern wir für die kommenden drei Stunden durch Teile des Waldes, auf der Spurensuche verschiedener Tiere.

Auf der Wanderung haben wir die ein oder andere herrliche Aussicht

Aber bis auf einige wenige Hinweise, dass hier wirklch Tiere umherstreifen – eine Protion Elefantenkot sieht man immer mal wieder – bekommen wir weder von den Dickhäutern, geschweige denn von Tigern was zu sehen. Bei der Bootsfahrt, welche gleichzeitig der letzte Punkt des Programms ist, erspähen wir zumindest ein paar, sich durch die Baumkronen hangelnden Affen. Als wir vom Jeep wieder vor unserer Unterkunft abgesetzt werden, sind tatsächlich schon zwölf Stunden seit der Abfahrt heute morgen vergangen. Nach dem Abendessen fallen wir dementsprechend totmüde in die weichen Betten – welch Erleichterung!

Am darauffolgendenen Tag, bei der Besichtung der Teeplantagen und -fabrik, sowie einer Gewürzplantage, sind all unsere Sinne gefordert. Schon gut hundert Meter vor den Fabrikhallen wird die Luft von intensivem Schwarztee-Geruch erfüllt. Das Unternehmen trägt lustigerweise den Namen einer Region in Irland, welche wir vor einigen Jahren beim Familienurlaub selbst besucht haben, und welche offensichtlich auch einer der Zielorte auf der langen Reise des Tees ist, wenn er Indien verlässt.

Tee soweit das Auge reicht

Nachdem wir zuvor schon den Tee-Pflückerinnen über die Schulter schauen konnten, sehen wir nun wie die Unmengen an Blättern Schritt für Schritt zu Teepulver verarbeitet werden. Der ganze Prozess ist so authenttisch, beziehungsweise, wie man sich eben so eine Fabrik in Indien vorstellt, dass man meinen könnte, sie würde allein zu touristischen Zwecken noch geöffnet sein. Aber wieso sollte man auch modernisieren, wenn einige Maschinen, welche die Briten hier wahrscheinlich noch in Betrieb genommen haben, immer noch funktionieren? Ein Computer kann ich hier im ganzen Gebäude beispielsweise auch nicht entdecken. Im Büro, noch mit Mobiliar vom Beginn des vergangenen Jahrhunderts ausgestattet, quellen die Schränke dafür schon vor Papierstapeln über. Ein Bild, wie ich es schon von indischen Polizei- und Poststationen gewohnt bin. Bürokratie, ausgereizt bis in die Unendlichkeit, gehört nunmal, ebenso wie auch die Kühe, zu Indien

In der Gewürzplantage erleben wir ein noch größeres Geruchs- sowie Geschmackserlebnis. Uns bekannte Pflanzen, aber auch noch nie zuvor gehörte Gewächse werden uns gezeigt. Hier und da kann man auch probieren und sich auch gerne mal von einer Chilli, klein wie ein Fingernagel, ordentlich den Mund einheitzen lassen. Abschließend werden unsere Favoriten des Tages im Gewürzshop gekauft und eingepackt.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Fahrt von Kumily nach Kochi. Man hatte das Gefühl der Busfahrer wolle einen neuen Streckenrekord aufstellen. Dementsprechend hat uns die kurvige Abfahrt an die indische Westküste böse auf den Magen geschlagen. Glücklicherweise kamen wir ansonsten unversehrt am Ziel an und konnten Gott danken, dass er keines der zahlreichen Ausweich- und Überholmanöver mit einem Unfall enden ließ.

Für Kochi ist eine Backwaters-Tour geplant, sowie der Besuch einer Kathakali-Vorführung. Für Ersteres fahren wir einige Kilometer aus der Stadt.

Unser Gefährt für den heutigen Tag

In einem kleinen Vorort steigen wir mit einigen anderen Touristen, in einen Stechkahn – glücklicherweise überdacht, da die Sonne sonst für einen ordenlichen Sonnenbrand gesorgt hätte. Während wir also über breite Wasserläufe und enge Kanäle schippern, können wir beobachten wie Futter für die Kühe und Kokosnüsse abgebaut, beziehungsweise geerntet und auf Einbäumen transportiert werden.

Immer schön das Gleichgewicht halten…

Als wir einem der winzigen Dörfer, welche genau am Wasser liegen, einen Besuch abstatten, sehen wir, wie eine Frau gerade aus den Kokosfasern Schnüre herstellt. Diese werden im Anschluss zu Seilen, Matten oder Netzen weiterverarbeitet.

Mit gefüllten Mägen, dem Plätschern des Wassers und der Mittagshitze ausgesetzt, fallen mir und einigen anderen Passagieren die Augen zu. So bin ich auch noch im Halbschlaf, als wir das Boot verlassen und uns auf den Rückweg in die Stadt aufmachen.

Tags drauf, widmen wir uns einem ausgedehnten Bummel durch die Stadt. Während Küste und Strand hauptsächlich mit aufdringlichen Verkäufern, Müllbergen und Ramsch-Läden „glänzt“, beherbergt die Innenstadt einige interessante Läden, historische Kirchen, einladende Restaurants und das Ziel des heutigen Abends: ein Kathakali-Theater. Obwohl ich mich im Vorfeld schon etwas darüber informierte, habe ich nur vage Vorstellungen, was mich gleich erwarten wird, als ich meinen Platz einnehme.

Bunte Gesichter und Köstüme – die Kathakalitänzer

Dank eines ausgeteilten Zettels kenne ich schon bevor die Protagonisten die Bühne betreten den Verlauf der Handlung und bin umso mehr auf die Umsetztung gespannt, welche ganz ohne Worte auskommen soll. Grimassen schneidend und tanzend, erzählen die Schauspieler, begleitet von klassischer indischer Musik, eine Geschichte aus dem Ramayana, einem indischen Nationalepos. Normalerweise gehen solche Auführungen über mehrer Stunden und enden erst im Morgengrauen. Für uns Touristen gibt’s natürlich nur einen sehr kleinen Ausschnitt, welcher eine gute Stunde dauert.

Unser nächster Halt ist Varkala, eine kleine Ortschaft südlich von Kochi. Trotz zahlreicher Resorts, welche sich entlang der Küste zwischen Restaurants und Souvenir-Shops quetschen, ist es eine eher ruhige Gegend, und somit auch perfekt geeignet, um ein wenig zu entspannen.

Der richtige Ort um die Seele baumeln zu lassen

Neben Strandbesuchen, Spaziergängen und ein paar Einkäufen für Freunde und Familie gönnen wir uns noch alle eine Massage. Obwohl es für mich die allererste ist, bin ich danach eher enttäuscht. Meiner Meinung nach ist der Masseur etwas zu zimperlich an die Sache ran gegangen. Aber vielleicht, hätte ich mich auch für ein anderes Programm als die „Relax Massage“ entscheiden sollen. Hinterher ist man eben immer schlauer. Trotzdem genießen wir die „freien Tage“ in Varkala sehr, da sie eine willkommene Abwechslung zum Programm der vergangenen Woche darstellen.

Nur zwei Tage später brechen wir aber schon wieder auf und machen über Kanyakumari – von diesem Ort habe ich bereits ausführlich berichtet: „Auf den Spuren des wandernden Mönchs“ – auf den Weg zurück nach Madurai. Die sogenannte „Tempel-Stadt“, ist gleichzeitig auch das letzte Ziel unserer Rundreise durch den Süden Indiens.

Ein Abschlussfoto mit dem Tempel im Hintergrund

Den riesigen „Meenakshi-Tempel“ und ein Bruchteil der hinduistische Götterwelt lassen wir uns von einem Fremdenführer erklären. Im Gandhi-Museum treffen wir anschließend auf einen weiter Inder dieser Spezies. Sehr überrascht sind wir aber, als wir mitbekommen wie gut er unsere Muttersprache spricht. Er ist für ein älteres Ehepaar aus Deutschland verantwortlich und fasst für sie zusammen, was auf den Infotafeln ausführlich auf Englisch erklärt ist. Zum krönenden Abschluss besuchen wir drei noch ein indisches Kino. Zwar sind die Sitze im Saal leider nur spärlich besetzt, wodurch die üblichen Pfiffe und Jubelschreie ausbleiben, der Qualität des Films tut dies aber keinen Abbruch. Wie es sich für einen indischen Film gehört, vereint auch dieser Streifen von Action, über Romanze, bishin zu impulsiven Tanzszenen, beinahe alle erdenklichen Genres.

Die zwei Wochen gingen natürlich viel zu schnell vorbei und so stehen wir auch schon wieder am Flughafen und müssen uns voneinader verabschieden. Wir konnten die Zeit nicht nur nutzten um uns einiges anzuschauen, sondern auch, um, nach über einem halben Jahr, wieder gemeinsam einige Tage zu verbringen . Darüber war ich unheimlich glücklich.

Für die Osterzeit, euch allen das Beste!

Euer Hendrik 🙂