Liebe Grüße aus der Elfenbeinküste und noch Frohe Ostern
Wer meinen Blog aus reinem Interesse an meinem Pflegepraktikum lesen möchte und nicht so viel Zeit hat, der kann gerne zu KRANKENHAUSGESCHICHTEN runterscrollen und den Rest einfach überspringen.
Seit einem halben Jahr bin ich zurück in Deutschland. Das Nach-Hause-Kommen war anfangs viel leichter als erwartet. Alles war, als wäre ich niemals weggewesen. Nur, dass mir mit der Zeit Deutschland, mein zu Hause, nicht mehr genug war, um zufrieden zu sein. Es hat immer etwas gefehlt. Ich war auf der Suche nach meinem Glück, und wusste doch, dass ich es nicht mehr komplett dort finden konnte.
Seit Oktober studiere ich in Freiburg Medizin. Das Studium lenkt mich von meinem Fernweh ab. Denn seit meiner Rückkehr lässt mich das Jahr nicht mehr los, meine „Faszination“ für den Kontinent Afrika ist noch größer geworden. Ich vermisse die Menschen, die ich zurück gelassen habe, die Lebensart, Offenheit… Ich bin in Deutschland, aber mit meinem Kopf und Herzen oft weit weg. Oft rede ich deutsch, aber benutze den ivorisch-französischen Satzbau. Ich sage „Yako!“, wenn sich jemand wehtut oder ihm ein Missgeschick passiert und keiner versteht mich. Wenn ich meine linke Hand benutze, um in die Chipstüte zu greifen oder jemandem etwas zu geben, so gehen sofort die Alarmglocken in meinem Kopf an! Das gehört sich so aber nicht. Und schnell nehme ich die rechte Hand, so wie das in der Elfenbeinküste eine ungeschriebene Regel ist. Mein Französisch ist ziemlich ivorisch geworden. Meine französischen Freunde von der Uni finden das sehr süß, mir ist das eher peinlich, dass ich so schnell gutes Französisch verlernt habe. Oft habe ich das Bedürfnis, Lieder zu singen, die ich in der Elfenbeinküste gelernt haben. Mit mir studieren zwei kamerunische Mädchen und einige Lieder kennen sie auch. Dann singen wir ein bisschen und das Heimweh geht vorbei.
Seit November bin ich Mitglied in zwei Hochschulgruppen, die sich für Bildungs- und Entwicklungsarbeit einsetzen. Themen wie Critical Whiteness, Migration und Flucht, Soziale Gerechtigkeit, das Bild von Afrika als ein einziges Land voller Leid, Hunger und Krieg… beschäftigen mich. In den Semesterferien bin ich gerne bei den eritreischen Flüchtlingen, die in Mosbach ein neues zu Hause für den Übergang gefunden haben. Wenn ich bei ihnen bin, fühle ich wieder ein Stück Heimat.
Das Jahr hat mich geprägt und meinen Blick auf viele Dinge geändert. Ich weiß, dass ich nicht die Welt retten kann und auch in meinem Jahr niemandem wirklich geholfen habe. Vielmehr wurde mir geholfen. Es ging viel mehr darum, Brücken zu bauen zwischen Kontinenten, Menschen verschiedener Kulturen, Lebensstilen.. Voneinander und miteinander lernen!
Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht zurück in die Elfenbeinküste wünsche. Das Heimweh packt mich. Auch wenn mein Freiwilligendienst beendet ist, so endet hier nicht die Geschichte. Aktuell sind 3 Volontäre in Duékoué und durch ihre Blogs und dank Skype und Facebook kann ich mit Duékoué in Verbindung bleiben. Außerdem bereiten sich zwei Abiturienten schon jetzt auf ihren Einsatz ab September in „meinem“ Projekt vor. Ich durfte ihnen von meinen Erfahrungen bei ihrem Vorbereitungsseminar erzählen. Sie sind so aufgeregt und haben so viele Fragen, wie ich vor 2 Jahren bei meiner Vorbereitung.
Seit Wochen warte ich also auf den 5.März. Dann werde ich für fast 6 Wochen zurück in die Elfenbeinküste fliegen. Dieses Mal fliege ich über Marocco dorthin. 10 Stunden und schon bin ich am Ziel.
„Ich komme Samstag Nacht um 1 in Abidjan an.“ Eine Freundin holt mich dann mit ihrer Mama ab. Samstag morgen bekomme ich die Nachricht: „Franzi, ich hab bis morgens um halb 4 am Flughafen auf dich gewartet. Was ist passiert? Wieso warst du nicht im Flugzeug?“ Mist. Für sie war Samstag Nacht die Nacht von Freitag auf Samstag. Mit einem schlechten Gewissen steige ich in München in den Flieger, denn nun schlafen sie 2 Nächte in Folge wegen mir nicht und das Taxi zum Flughafen hat sie auch umsonst gezahlt.
Vom kalten München geht es über Casablanca nach Abidjan. Weil es in Bayern noch so kalt war und ich keine Winterjacke mit nach Westafrika nehmen wollte, habe ich mich so dick eingepackt, wie ich nur konnte. Ein großer Fehler, spätestens als ich ivorischen Boden betrete und mitten in der Nacht nach höchstens 2 Minuten alle Kleider nassgeschwitzt sind. Diese Wärme bin ich einfach nicht mehr gewöhnt. Bis ich alle Visumssachen erledigt habe und es bei mir viel länger dauert als bei allen anderen (weil ich gefragt werde, ob ich verheiratet bin? Kinder habe? Einen Ivorer heiraten möchte? Ich Interesse habe?) ist es 3Uhr. Im Gegensatz zu Casablanca, wo mir leider fast nur unfreundliches und desinteressiertes Personal über den Weg gelaufen ist, werde ich in der Côte d’Ivoire herzlich willkommen geheißen von allen möglichen Beamten, Arbeitern und Fremden am Flughafen… und sofort kommt das Gefühl von Heimat wieder in mir auf! Mit dem Taxi geht’s vom Flughafen zu meiner Freundin Cybelle, die in Abidjan im ersten Semester Medizin studiert. Wenn ich auf der Heimfahrt wieder in Abidjan bin, werde ich mir ihre Uni anschauen.
Wir müssen auf dem Weg zu ihr mit dem Taxi echt aufpassen, dass wir keine Menschen überfahren, weil viele Menschen wegen der Hitze draußen vor den Häusern und teilweise auch direkt auf den Straßen schlafen. Ich werde mit Stromausfall und um 4 Uhr morgens mit dem Nationalgericht Attieké mit Fisch empfangen. Das ist Gastfreundschaft!
Nach einem Tag in Abidjan geht die Reise am Montag weiter nach Zoukougbeu, einem etwas größeren Dorf in der Nähe von Duékoué. Dort werde ich einen Monat lang in einem Krankenhaus arbeiten, dass von kongolesischen Schwestern geleitet wird. Bei ihnen kann ich in der Zeit wohnen.
Das ist eine der Unikliniken in Abidjan. Dort haben wir noch Medikamente für das Krankenhaus in Zoukougbeu gekauft.
Auf dem Weg von Abidjan in das Landesinnere finden wir Obst und Gemüse an den Straßenrändern.
Die coolsten Schwestern, die ich jemals kennengelernt habe.
Ich lerne viele neue Menschen kennen, im Krankenhaus, auf der Straße, in öffentlichen Transportmitteln. Wenn ich erzähle, dass ich Deutsche bin, gibt es 2 verschiedene Reaktionen. „Ah Hitler!“ Dann versuche ich zu erklären, dass Deutschland viel mehr ist als nur die Geschichte von Hitler. Ich erzähle von den Flüchtlingen… Oder aber die Reaktion ist „Ah la chanchelière Merkel, elle est super!“ Wenn die Menschen selbst in kleinen Dörfern in der Elfenbeinküste ihren Namen kennen, und wissen, wie sie in der Flüchtlings“krise“ gehandelt hat, so scheint sie doch sehr vieles richtig gemacht zu haben.
Am 13. März gab es in Grand-Bassam (Strand in der Nähe von Abidjan) ein Attentat, zu dem sich nach meinem Wissen Al Qaida bekannt hat. Von den 3 Tagen Staatstrauer oder was sonst so in und um Abidjan und Grand Bassam passiert, bekomme ich hier im Landesinneren nichts mit. Doch ich merke, dass es die Menschen auch hier vor Ort beschäftigt und sie mitnimmt. Es ängstigt sie und wirbelt Erinnerungen von Gewalt, Krieg und Krisen der letzten Jahre auf. Der Wunsch nach Frieden ist riesengroß, überall gibt es Sensibilisierungskampagnen.
Endlos weite weiße Strände, Palmen, Kokosnüsse, tobendes Meer, riesige Wellen, strahlende Sonne – ein Traum. Glückliche Menschen, Einheimische, Touristen, Fremde. Raus aus dem Großstadtrummel ins Urlaubsparadies! Sie spielen, plantschen, schwimmen, genießen die Stille. Suchen Erholung. Sie feiern das Leben! Haben allen Grund dazu. Jedes Recht dazu!
Sonntag-freier Tag- Feiertag!
Viele Menschen – Bikinis, Badehosen, bunte Stoffe. Lebendigkeit! Freiheit! Fliehen aus dem hektischen, immer rasenden Großstadtleben. Auf der Suche nach nichts weiter als einem Flecken Glück und Frieden. Haben jedes Recht dazu! Genießen es. Tief durchatmen! Das salzige Meer und die Freiheit schmecken. Glücklich sein! Die Seele baumeln lassen. Sie haben jedes Recht dazu!
Wie kann es jemand wagen, dieses Glück zu zerstören? Hinter so viele Geschichten einen Punkt setzen. Menschen aus dem Leben reißen. Weiße und Schwarze. Wer gibt ihnen das Recht dazu?
Wie grausam können Menschen sein? Wie können Kinder so manipuliert werden, dass sie auf unschuldige, glückliche, zufällig am falschen Ort zur falschen Zeit gewesen Menschen schießen können? Wie soll ein Mensch das ertragen? Kein Mensch hat das Recht dazu.
Die Strände bleiben weiß, das Meer tobt weiter. Die Palmen tragen ihre Kokosnüsse. Doch die Sonne, sie scheint nicht mehr zu scheinen.
Grand Bassam-13.03.2016
#Jesuisbassam
Meinen zweiten Geburtstag in Folge verbringe ich in der Elfenbeinküste: Ich werde von den Schwestern mit einem kongolesischen Geburtstagslied geweckt. Das bekommt man auch nicht alle Tage. Dann ist ein ganz normaler Arbeitstag und keiner weiß bescheid. Eigentlich hatte ich beschlossen, meinen Geburtstag einfach so vorbeigehen zu lassen, doch irgendwie hat mich dann die Lust gepackt, zu feiern. Ich weiß nämlich, wie gern die Ivorer feiern! 😉 Zwei Stunden vor Arbeitsschluss lade ich also etwas kurzfristig alle Arbeitskollegen vom Chefarzt bis zur Verwaltung ein und alle sind ganz aus dem Häuschen und freuen sich! Fast das gesamte Krankenhauspersonal kommt nach der Arbeit wirklich zur spontanen Party in ein Maquis (Mischung aus Restaurant, Club und Bar). Ich hatte keine Geburtstagstorte, aber die brauchte ich auch nicht. Keiner meiner Gäste hatte ein Geschenk für mich und genau so wollte ich es. Nichts war organisiert, ich hatte kein bisschen Stress, alles zu planen. Wir haben zusammen 4 Hühner gegessen, viel ivorisches Bier getrunken, getanzt und gelacht! Und mehr braucht man nicht, als ein paar wundervolle Menschen, die vor 2 Wochen noch Fremde waren, um einen schönen Tag zu haben. Ich bin wunschlos glücklich und dankbar, dass ich diesen Tag in der Elfenbeinküste verbringen konnte. DANKE FÜR DIE VIELEN LIEBEN NACHRICHTEN! SCHÖN, DASS IHR AN MICH DENKT, AUCH WENN ICH WEIT WEG BIN. <3
Der Abend sollte aber nicht ganz so schön enden. Ich wollte nach der Party noch mit einem Freund in eine andere Bar gehen. Wir bekommen beide besorgte Anrufe und uns kommt eine Art Polizist entgegen, der sagt, dass wir schnellstens nach Hause gehen sollen, denn es gibt im „Dorf“ bewaffnete Überfälle. Seit Montag wird jede Nacht in einem anderen Haus eingebrochen. Gerade ist Regenzeit. Wenn es nachts so laut regnet, nutzen dass die Einbrecher aus, damit sie nicht gehört und ertappt werden. Die Menschen haben Angst. Die letzten Nächte waren eher schlaflos. Vor allem wenn es regnet, bekomme ich kein Auge mehr zu.
An den Wochenenden habe ich frei. An meinem ersten freien Wochenende bin ich von Zoukougbeu nach Duékoué mit dem Massa (Kleintransporter, in den sich ca. 30 Personen quetschen) gefahren. Es sind etwa 50 km und ich brauche fast 2 Stunden, weil das Auto an jedem kleinen Ort anhält und dann wartet, dass es wieder voll besetzt ist, bevor es weiterfährt. Für den Transport zahle ich 1,50€. Mit so einem Wagen komme ich von A nach B.
Es war ein schönes Gefühl, endlich wieder hier an dem Ort zu sein, an dem ich ein ganzes Jahr lang gelebt habe. Die Mädels aus dem Foyer habe ich teilweise schon in der Stadt getroffen und einige habe ich sagen hören: „Die sieht aus wie Franziska.“ Als ich gesagt habe, dass ich es wirklich bin, werde ich fast umgerannt. Da an dem Tag wieder Putzaktion im Krankenhaus der Gemeinde war, habe ich dort fast alle Freunde und Bekannte auf einen Schlag wiedergesehen. So viele Umarmungen und Küsschen und Hände schütteln. Bei einigen Leuten wusste ich gar nicht, woher ich sie kenne, aber sie haben meinen Namen gekannt und mit mir geredet, als wären wir alte Bekannte.
Bandji-Zelebration mit meinen Freunden – der Palmwein wird erst gefeiert (es werden viele Lieder gesungen) und dann wird das von der Sonne heiße, süßliche Getränk getrunken. Selbst kleine Kinder trinken das, als wäre es Wasser. Aber es macht ziemlich schnell betrunken.
Noch als ich in der Elfenbeinküste war, ist eine Freundin von mir schwanger geworden. Im Dezember ist dann die kleine Abigél Franziska geboren. Sehr süß!
Die kleine und die große Franziska. Das Mädchen ist mein „Homo“ und ich bin ihrer.
Auch Ostern habe ich in Duékoué verbracht. Die meiste Zeit haben wir wohl mit beten verbracht 😉 Karfreitag: 4 1/2Stunden Kreuzweg und Kreuzanbetung. Wir sind 2 ½ Stunden durch die Hitze gelaufen und haben uns bei allen 14 Stationen auf den heißen Boden gekniet. Sogar die Autobahn wurde für uns gesperrt, weil wir auch dort langgelaufen sind. Von der Trauer hat man nicht so viel gemerkt, weil trotzdem fröhlich gesungen und teilweise auch getanzt wurde.
Die Osternacht am Samtstag ging von um 22Uhr bis um 2 Uhr. In der ersten Stunde wurden nur in der dunklen Kirche Lesungen vorgelesen und von den bestimmt 2500 Menschen ist locker die Hälfte eingeschlafen. Danach waren aber alle hellwach, denn es gab viele Erwachsenentaufen und 2 Hochzeiten. Es wurde geschrien und getanzt – pures Glück. Da versteht man wirklich die Osterfreude. Das war echt der Wahnsinn. Die Menschen haben sich so mit den anderen gefreut. Bei der Hochzeit haben auch die Eltern meiner Freundin geheiratet. Sie sind schon älter, aber weil die Frau nicht getauft war, konnten sie erst jetzt kirchlich heiraten. Es war so schön zu sehen, wie beide ihr „OUI!“ in das Mikrofon geschrien haben, als hätten sie ihr ganzes Leben darauf gewartet.
Letztes Jahr war ich neben den weißen Schwestern und Brüder meistens die einzige Weiße. Dieses Jahr gab es einen weißen Auflauf, denn über Ostern wurden die neuen Volontäre von ihren Familien/Freunden besucht. So viele Weiße auf einem Fleck, das kommt nicht so oft vor in Duékoué.
Osternacht- draußen wurden Festzelte aufgestellt, weil nicht alle Leute in die Kirche gepasst haben
Die Eltern meiner Freundin bei ihrer HochzeitsfeierTänzer unterhalten die Hochzeitgäste. Bei so einem Hochzeitsfest ist es am wichtigsten, dass genug Essen und Trinken da ist. Denn jeder der vorbeikommt(egal ob eingeladen oder nicht), will essen. Von den kleinen Nachbarskindern, bis zu flüchtig Bekannten und Verwandten 20. Grades kommt jeder vorbei! Auf vielen Stammessprachen bedeutet Feier übersetzt: „Essen und Trinken“
Der deutsche Haufen
Die Zeit dort war sehr schön, aber ich freue mich auch wieder sehr auf meine Arbeit in Zoukougbeu. Außerdem gibt es dort nicht so viele Moskitos 😉
KRANKENHAUSGESCHICHTEN
Ich möchte euch gerne einen Eindruck von meiner Arbeit im Centre St Michel geben. Der eigentliche Grund für meine Reise in die Elfenbeinküste ist ein Krankenpflegepraktikum, das ich im Rahmen des Medizinstudiums absolviere. Da ich mir später gut vorstellen kann, mit einer humanitären Organisation in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, ist es nicht schlecht, schon mal ein bisschen das afrikanische Krankenhausleben und das Arbeitsklima zu schnuppern.
Kleine und große Patienten des Krankenhauses
Zoukougbeu ist eine Unterpräfektur, aber sehr ländlich. Das Dorf liegt direkt an einer Autobahn. Es gibt einen Markt, paar nette Restaurants und Bars, eine Apotheke und auch Grund- und weiterführende Schulen. Im Dorf gibt es viele evangelische, freikirchliche Kirchen, eine große Moschee und eine katholische Kirche. Außerdem gibt es ein kleines staatliches Krankenhaus und das Gesundheitszentrum, in dem ich mein Praktikum mache.
Mit Danielle erkunde ich das Dorf. Sie kommt aus Frankreich und hat dort einen Verein, der das Krankenhaus hier unterstützt. Jedes Jahr kommt sie für einen Monat in die Efenbeinküste, um die Kranken zu besuchen und die Entwicklung des Zentrums zu verfolgen.
Sanitäre Anlagen für die PatientenPatientenzimmerÜberdachte und betonierte Wege zu allen wichtigen Häusern, damit sie auch bei starkem Regen benutzt werden könnenAufenthaltsraum für die Patienten. Hier spielen, essen und entspannen sie, um ein bisschen aus dem Bett rauszukommen. Außerdem gibt es dort auch einen Fernseher.Die Tage und der Aufenthalt für die Patienten sind lang.
Das Krankenhaus in Zoukougbeu, in dem ich für einen Monat mitarbeiten darf, ist auf eine Krankheit mit dem Namen „Ulcère de Buruli“ (UB) spezialisiert.
Es ist schwer, mit Worten zu beschreiben, wie es hier ist. Ich riskiere, alles viel zu dramatisch darzustellen oder alles zu schön zu reden. Es sind meine ganz persönlichen Eindrücke und weil ich der Sache niemals gerecht werden kann, habe ich beschlossen, nicht eine einzige Geschichte zu erzählen, sondern viele kleine Geschichten, die sich vielleicht sogar widersprechen. Nur kleine Bruchstücke, damit ihr euch annähernd vorstellen könnt, was ich in Zoukougbeu erlebe. (-> Videotipp: Africa- a single story https://www.youtube.com/watch?v=D9Ihs241zeg )
Ja ich sehe hier viel Leid. Und nein, es geht den Menschen hier nicht schlecht. Würde ich mein Pflegepraktikum in einem deutschen Krankenhaus machen, so würde ich auch vielen Menschen begegnen mit tragischen „Schicksälen“, hoffnungslosen Geschichten…
Zuerst einmal zu der Krankheit: Wem das hier zu medizinisch wird, einfach den Abschnitt überspringen 😉 Ich bin (noch) kein Arzt, also ich übernehme keine Garantie für jegliche Angaben.
Buruli-Ulkus (hört sich auf deutsch irgendwie ulkig an), dessen Erreger das Mykobakterium ulcerans (verwandt mit den Erregern von Tuberkulose und Lepra) ist, ist eine infektiöse Krankheit, die vor allem in Sumpfgebieten der Tropen vorkommt und deren Übertragung bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Es wird angenommen, dass bestimmte Mücken die Überträger der Krankheit sind. Die Elfenbeinküste ist weltweit das am stärksten betroffene Land dieser Krankheit. Im Jahr 2014 gab es weltweit 2251 Neuerkrankungen, davon 827 in der Côte d’Ivoire. Die Mortalitätsrate ist sehr gering. Mehr als 70% der Betroffenen sind jünger als 15 Jahre alt. Die Krankheit wurde erstmals in Australien entdeckt und hat ihren Namen „Buruli“ von einer gleichnamigen Region in Uganda bekommen, in der die Krankheit erstmals stark ausgebrochen ist.
Das Erscheinungsbild der Krankheit ist anfangs wie folgt: An irgendeiner Körperstelle (oft die Extremitäten) bildet sich ein kleiner Knoten, ein Ödem oder ein Plaque (eine Hautverhärtung). Anfangs spürt der Erkrankte keine Schmerzen. Das ist verhängnisvoll, da der Krankheit deshalb erst oft sehr spät Aufmerksamkeit geschenkt wird und ein Arzt erst dann aufgesucht wird, wenn die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten ist. Die Bakterien setzen die Immunabwehr außer Kraft und greifen Haut, Gewebe, Weichteile und teilweise sogar die Knochen an. Es kommt zur (oftmals großflächigen) Geschwürbildung. UB kann daran erkannt werden, dass die Ränder der Geschwüre nicht klebend sondern lose sind. Durch einen Wundabstrich kann man feststellen, ob es sich um UB handelt oder nicht. Dazu färbt man die Probe wie folgt an: Fuchsin – Alkohol – Methylenblau. Anschließend kann man unter dem Mikroskop die Mykobakterien erkennen. Echt spannend, diese winzigen Erreger zu sehen, die diese massive Krankheit auslösen. Das Labor mit dem Pippetieren und Mikroskopieren hat mich sehr an das sehr spaßige Bio-Praktikum im ersten Semester erinnert. Ich habe doch schon was Sinnvolles gelernt! An dieser Stelle liebe Grüße an die vorletzte Reihe und Ersatzschatz 😉
Präparat mit Wundabstrich wird Fuchsin angefärbt
Auf der Suche nach dem Mykobakterium ulcerans
Die Patienten sind in den meisten Fälle zwischen einem viertel und einem ganzen Jahr stationär zur Behandlung in einem speziellen Krankenhaus. Sie werden häufig gesellschaftlich ausgegrenzt und aus ihren Familien verbannt und finden nach ihrer Krankheit schwer Anschluss. Die Behandlung und Heilung sind sehr aufwendig. Zum einen werden die Bakterien aus einer Kombination von zwei Antibiotika bekämpft . Diese medikamentöse Behandlung dauert 56 Tage lang. Sie wurde so von der WHO festgelegt. Dadurch wird das Ausmaß bei großen Geschwüren verkleinert und bei kleineren Geschwüren kann somit sogar der Patient ganz geheilt werden.
Andererseits ist eine tägliche Wundversorgung wichtig. Bei großen und fortgeschrittenen Ulzerationen kann ein chirurgischer Eingriff notwendig werden, bei dem meistens die Haut vom Ober- oder Unterschenkel auf die erkrankte Stelle transplantiert wird.Kombi aus 2 Medikamenten
Ein typischer Arbeitstag
7:35 Klatsch und Tratsch unter Kollegen
7:45 Gebet mit dem ganzen Team
7:50 Staff: Das Team versammelt sich im Besprechungszimmer. Die Nachtwache liest einen Bericht über alle Patienten in Beobachtung vor/ Blutbank (es wird gesagt wie viel Blut von welcher Gruppe vorhanden ist und wie lange es haltbar ist, damit keine Blutkonserve weggeschmissen werden muss )/ Fragen und Unklarheiten werden besprochen
8:10 Visite mit dem gesamten Personal
8:45 Putzen/Wundversorgung/Patientenaufnahme/ Infusionen,Transfusionen anhängen/Patientenakten schreiben/Statistiken erstellen/ am Empfang Patienten zu den richtigen Zimmern und Untersuchungen begleiten
12:00 Mittagessen
16:00 Feierabend (Ein Krankenpfleger und ein Gesundheitsagent bleiben für die Nachtwache)
Während des Staffs erklärt der Arzt dem gesamten Personal medizinisches Fachwissen.
Visite
Nach der Visite wird erstmal geputzt. Sauberkeit und Hygienie werden hier groß geschrieben (vor allem, wenn man das Zentrum mit anderen Krankenhäusern in der Elfenbeinküste vergleicht)
Das Team besteht aus 3 Ärzten, 4 Krankenpflegern, 5 Pflegehelfern (Aide soignants) und 5 Gesundheitsagenten (agents de santé), 2 Physiotherapeuten,6 Praktikantinnen, 2 Sozialarbeitern für die Betreuung von Menschen mit HIV, 2 Köchinnen, 2 Putz-/Waschfrauen, 1 Apotheker, 2 Personen an der Pforte/Rezeption, 3 Laboranten, 1 Buchhalter und der Direktion. Das Krankenhaus ist in den Händen von katholischen Schwestern.
Wenn ein Patient im Centre ankommt, wird er zuerst am Empfang registriert mit seinem Name, Alter, Temperatur, Gewicht, ethnischer Gruppe, Herkunftsort und Beruf. Er bekommt ein Krankenheft ausgestellt, in dem Diagnose, Medikamentenverschreibungen… während seines gesamten Aufenthaltes dokumentiert werden. Anschließend geht er ins Sprechzimmer entweder zu einem der Ärzte oder zu einem Krankenpfleger. Krankenschwestern/-pfleger haben hier eine ähnliche Stellung wie ein Mediziner. Sie können auch eigene Praxen haben, nur das Operieren überlassen sie den Ärzten.
Am Empfang
Nach der Beratung kommt der Patient in die Observation, wenn er nicht nur ambulant behandelt werden kann. Dort gibt es 15 Betten für alle Patienten, die nur für kurze Zeit bleiben. Hier sieht man oft Malaria und Patienten mit (Sichelzellen-Anämie), die dann Transfusionen bekommen. Es kommen auch Tetanus und Schlangenbisse hin und wieder vor. Auch viele Ulzerationen und Wunden jeder Art sind dort zu finden.Alle UB-Verdachtsfälle und alle anderen Kranken kommen in die ObservationIm Wartezimmer der Observation werden die Patienten behandelt, wenn es schnell gehen muss oder kein Bett frei ist.Kein UB, sondern Diabetes
Eine Wunde am Unterschenkel mit Maden – ehrlich gesagt kein schöner Anblick
Im Labor werden dann alle möglichen Tests gemacht. Es ist mit guten und sehr teuren Geräten ausgestattet und demnach auch sehr vertrauenswürdig. Menschen von weitweg kommen hier her, um Bluttests… machen zu lassen. Wenn der Patient UB hat, so wird er im Centre aufgenommen und in den UB-Bereich verlegt. Handelt es sich um eine andere Ulzeration, werden die Kranken in andere Krankenhäuser verlegt. Ein Patient mit UB bezahlt einmalig umgerechnet 75 Euro und bekommt dafür alle Medikamente, Behandlungskosten und Untersuchung, Operationen, Kost und Logis bis zum Tag seiner Entlassung. Das ist wirklich nicht viel, wenn man bedenkt, wie teuer die ganzen Produkte allein für die Wundversorgung sind. Ein Patient, der eine Ulzeration (nicht UB) am Bein und am Hoden hatte, zahlte mindestens 15.000Francs pro Tag. Nach 4 Tagen sind das schon mehr als die 75 Euro, die ein UB-Patient für die gesamte, monatelange Behandlung zahlt.
Immer wieder muss ich hier erfahren, dass Gesundheit Reichtum ist. Nicht nur, dass Gesundheit sehr wertvoll, sondern auch, dass sie ein Privileg für die besser Betuchten ist. Gerade die ärmeren Familien kommen oft erst sehr spät ins Krankenhaus, weil sie einfach kein Geld für die Arztkosten und Medikamente haben. Ein Mann wurde nach vier Tagen Krankenhaus auf eigenen Wunsch entlassen mit einem offenen, dick angeschwollenen Bein vom Knöchel bis zur Leiste. Bei seiner Ulzeration handelt es sich nicht um UB, deshalb bekommt er keine finanzielle Unterstützung. Er ist viel zu spät gekommen und viel zu kurz geblieben. Seine Überlebenschancen stehen schlecht. Auch viele UB-Patienten probieren vor dem Weg ins Krankenhaus billigere Alternativen mit traditionellen Heilmethoden. Oft werden die Wunden stark erhitzt und durch die traditionellen Medikamente die Ulzeration oft nur noch vergrößert und verschlimmert.Die Köchinnen versorgen die Patienten dreimal täglich mit warmem Essen. Trotzdem kochen oft auch nochmal die Angehörigen für die Patienten mit.
Jeden Vormittag stehen Verbandswechsel der Ub-Patienten an.( Wer kein Blut und offene Wunden sehen kann/will, der sollte schnell wegschauen)
Hier werden die Verbandswechsel und Wundversorgungen gemacht
Patienten, die schon operiert wurden und bald wieder nach Hause dürfe
Ulzeration an der linken Seite des Bauches Ein typisches Symptom ist, dass die Extremitäten stark anschwellen. Seine Hand ist doppelt so groß wie gewöhnlich Schon bei einem ersten Eingriff wurde kaputtes Haut am Oberarm abgeschnitten. Dazu wurde die Schulter und der Oberarm über lange Zeit mit feuchten Kompressen behandelt, damit die Haut weich wird und leichter wegzuschneiden istOhne jegliche Betäubung wird die „tote Haut“ abgeschnitten, damit eine saubere Wunde entstehen kann, auf die dann gesunde Haut transplantiert wir
Jeder Kranke wird von einem Angehörigen begleitet. Oft sind das die Mamas. Sie schlafen dort, waschen die Wäsche und die Verbände der Kranken und fungieren als Alarmknopf im Bett, denn das gibt es hier nicht. Wenn der Patient Schmerzen oder irgendwelche Wünsche hat, so ist es der Angehörige, der das Personal informiert. Es gibt auch keine rollenden Betten, nur ein paar Rollstühle. Oft tragen die Mamas ihre 10 Jahre alten Kinder durch die Gegend, weil sie alleine nicht laufen können.
Küche und Aufenthaltsraum der AngehörigenDie Mamas holen Wasser vom Brunnen, um für sich zu kochen und die Wäsche und Verbände der Patienten zu waschen.
Nach meiner Arbeit bleibe ich oft nach im Aufenthaltsraum der Kranken und spiele mit den Kindern. Jeden Morgen fragen sie mich, ob ich heute wieder länger bleibe mit ihrem strahlenden Lächeln. Da kann man einfach nicht Nein sagen. Wir spielen Scrabble, Fußball mit einer Plastikflasche oder ein Spiel mit 7 Steinen. Man wirft einen der Steine nach oben und während sich dieser in der Luft befindet, nimmt man einen Stein vom Boden in die Hand und fängt den ersten Stein mit der gleichen Hand wieder auf. Fängt man den geworfenen Stein nicht wieder auf, so ist der nächste an der Reihe. Wenn man das mit allen 6 Steinen, die am Boden liegen, geschafft hat, geht es im nächsten Schritt weiter, indem man 2 Steine auf einmal vom Boden nimmt und letztlich 3 auf einmal. Während die kleinen Jungs mit ihrer linken Hand schon bei 3 Steinen auf einmal sind, schaffe ich es nicht mal mit einem Stein 😉 In der Woche vor Ostern haben wir Eier gefärbt. Das war eine absolute Neuheit. Ostereier kennt man hier nicht. Alle Patienten und auch das Personal haben sich über die bunten Eier sehr gefreut. Und ich war sehr erstaunt, wie geduldig und ruhig die Kinder 10 Minuten warten konnten, bis die Eier die Farbe angenommen haben. Sie saßen einfach da und haben die Eier beobachtet.
Manchmal fragen mich die Kinder, ob wir zur Grotte auf dem Gelände gehen können, um für alle kranken Kinder auf der Welt zu beten. In ihren Stammessprachen sprechen sie dann laut und frei ihre Gebete.
Die Kinder verpassen viel Unterricht. Deshalb gibt es jeden Nachmittag für sie Alphabetisierungsunterricht. Sie haben große Träume. Ein Junge mit einer Ulzeration an den Beinen ist in der 9. Klasse. Im ersten Trimester war er noch der Klassenbeste und dann kam die Krankheit dazwischen. Im neuen Schuljahr muss er die Klasse wiederholen. Er wird hart arbeiten, weil er später Arzt werden will, damit niemand mehr an solch einer Krankheit leiden muss. Und er ist nicht der einzige, der das später zu seinem Beruf machen will. Der kleine Salomo hat mir gesagt, dass er der beste Arzt wird und alle Patienten so gut behandeln will, wie das die Pfleger und Ärzte hier im Zentrum machen. Ich glaube, dass das nicht nur leere Worte sind. Einer der Ärzte hatte selber als Kind die Krankheit und ist nun in einem UB-Zentrum Arzt geworden. Eine schöne Geschichte.
Morgens versorgt Aimée die Wunden der Patienten, nachmittags gibt sie den mobilen Kindern Alphabetisierungsunterricht.
Wenn ich nach Hause gehe, mache ich noch oft eine Runde über das ganze Gelände, um allen Patienten Tschüss zu sagen. An einem Tag habe ich von weit her Gesang gehört, und ich dachte, dass ein Chor gekommen ist um für die Patienten zu singen. Doch es waren die Kranken selbst, die voller Freude und Dankbarkeit gesungen haben. Die Atmosphäre ist sehr familiär. Es wird sich gegenseitig geholfen, gemeinsam gegessen. Es entstehen an diesem Ort Freundschaften, denn geteiltes Leid ist leichter zu ertragen. Da alle von der gleichen Krankheit betroffen sind und oft ähnlich aus ihren Dörfern verstoßen wurden, gibt das Zentrum viel Gemeinschaft und Zusammenhalt.
Freundschaften entstehen. Die Kranken und Angehörigen frisieren sich gegenseitig, verbringen ihre Zeit zusammen und ertragen die Krankheit gemeinsam.Unter dem Mangobaum lässt es sich gut schlafen
Während meines Praktikums habe ich die Möglichkeit, in fast alle Bereiche des Zentrums Einblicke zu bekommen – Vom Empfang, Konsultation, über die Wundversorgung, Observation, Labor bis zur Echographie und zu den Post-operierten Patienten.
Ich möchte euch von einem kleinen Mädchen erzählen, das wegen Tetanus zu uns gekommen ist. Das ist wirklich keine leichte Krankheit. Sie wurde isoliert in ein eigenes, abgedunkeltes Zimmer verlegt, denn Licht und Geräusche stimulieren sie und lösen starke, schmerzhafte Krampfanfälle aus. Bei der Visite haben wir sehr leise gesprochen, doch trotzdem hatte sie immer wieder diese Anfälle. Zwei Wochen lang lag sie im Bett, konnte sich nicht bewegen und nichts essen und trinken weil alle Muskeln kontrahiert waren und sie auch nicht den Mund öffnen konnte. Nach anderthalb Wochen sind die Eltern an ihr finanzielles Limit gekommen und wollten das kleine Mädchen mit nach Hause nehmen. Das Personal hat das nicht zugelassen, weil das ihr Todesurteil gewesen wäre. Also haben die Mitarbeiter zusammengelegt, damit die Behandlung fortgesetzt werden kann. Diese Geste hat mich wirklich bewegt. Man merkt, dass es nicht einfach x-beliebige Patienten sind, sondern Menschen, die ihnen am Herzen liegen. Nach 16 Tagen konnte das Mädchen endlich das Krankenhaus verlassen und wir alle haben uns mit ihr gefreut, dass sie die Krankheit überstanden hat.Über 2 Wochen lang hängt das Mädchen am Tropf, bis ihre Kontraktionen nachlassen.
Einmal in der Woche kommt ein Arzt ins Krankenhaus, der sich auf Echographie spezialisiert hat. Ich durfte ihm über die Schultern schauen. Von Zysten bis Eileiterschwangerschaften und Zwillingen habe ich vieles gesehen. Eine Jugendliche kam mit ihrem Mann, der ein noch sehr kleines Baby im Arm hielt. Als sie erfährt, dass sie schon wieder schwanger ist, kann sie es kaum glauben und der Papa wird wütend und schreit nur: „Machen sie es weg!“ Pure Verzweiflung. Wie soll er auch noch ein zweites Kind ernähren?
Ein 10-jähriges Mädchen ist von UB an ihrem linken Bein betroffen und jedes Mal, wenn der Verbandwechsel ansteht (bei ihr alle 2 Tage), weint sie schon aus Angst vor den Schmerzen, bevor man sie überhaupt angefasst hat. Sie kommt aus einem kleinen Dorf, ist 7 Jahre alt und spricht kein Französisch. Als sie in den Saal für den Verbandswechsel kommt, winkt sie mich zu ihr, damit ich ihre Hand halte. Sie hat mich noch nie gesehen, aber ich darf nicht mehr von ihrer Seite weichen. Während die alten Kompressen von ihren Wunden entfernt werden schreit und weint sie „Merci! Merci!“ Anstatt „Pardon! Bitte, hör auf!“ zu sagen, bedankt sie sich die ganze Zeit. Das war wirklich sehr putzig, sie hat die Wörter Bitte und Danke verwechselt. Manchmal muss ich sie so fest anpacken, weil sie so strampelt und zappelt und dann versucht sie mich zu beißen, damit ich sie loslasse. Es ist schade, dass ich mich nicht mit mir unterhalten kann, aber ich bin mir sicher, dass sie trotzdem meine kleine Freundin ist. Oft sehe ich sie auf dem Gelände, wie sie mit ihrer Gehilfe mühsam einen Schritt nach dem anderen macht. Für einen Meter braucht sie 1 Minute, aber sie lässt sich nicht entmutigen, geht einfach weiter trotz Schmerzen. Diese Kinder sind alle so stark!
Es gibt einen kleinen Jungen, der immer lacht und selbst beim schmerzenden Verbandwechsel keine Miene verzieht. Er ist sehr tapfer. Um so mehr hat es mir wehgetan, als ich ihn weinen sehen habe. Er war bei den Physiotherapeuten und hat eine Art Schiene bekommen, weil sich die Extremitäten oft verformen, wenn die Wunde über die Gelenke geht. Um dies zu vermeiden, wird die Hnad oder das Bein geschient. Das ist sehr schmerzhaft und teilweise reißen neue Wunden durch die Schienung auf, doch sehr wichtig, weil sonst oft Verkrüpplungen die Folge sind und die Extremitäten ihre Funktionsfähigkeiten verlieren. Ich wollte ihn trösten und ablenken, doch es hat gereicht ihn anzulächeln, schon waren die Schmerzen vergessen und er hat übers ganze Gesicht gestrahlt.Eines Tages wird mein kleiner Freund der beste Arzt sein.
Schienung bei der Physiotherapie
Fitnessgeräte, damit die Patienten mobil bleiben
Ich könnte euch die Geschichte von jedem Kranken erzählen, weil sie alle ganz besonders und erzählenswert sind. Vom 2-jährigen Kind bis zum 80-jährigen Opa. Da ich aber schon 9 Seiten geschrieben habe, sollen die paar Geschichten stellvertretend für alle anderen stehen.
Das Thema Aids möchte ich nur kurz anschneiden. In der Elfenbeinküste sind 3,5% (2014) mit dem Virus infiziert. Mir ist aufgefallen, dass über dieses Thema nicht wirklich gesprochen wird. Es gibt Decknamen, die verwendet werden unter Kollegen, um auf einen betroffenen Patienten aufmerksam zu machen. „Handschuhe doppeln“ und schon ist klar, dass der Patient das Virus in sich trägt. Selbst, als ich allein mit dem Doktor die Statistiken fürs letzte Jahr gemacht habe, hat er nur auf HIV/Aids gezeigt, aber nicht laut gesagt, was da steht.
Das Zentrum St Michel de Zoukougbeu hat im Jahr 2014 den Preis für die beste medizinische Einrichtung der Elfenbeinküste vom Präsidenten verliehen bekommen. Das ist eine große Ehre und wie ich finde, ist dieser Preis gerechtfertigt. In dem Zentrum steckt so viel Herzblut drin.
Mit neuer Energie und viel Motivation freue ich mich auf den Sommer und das zweite Semester in Freiburg. Es fällt mir dieses Mal leichter, die Elfenbeinküste zu verlassen. Denn ich weiß, was mich in Freiburg erwartet und dass ich jederzeit zurück kommen kann. „Ici est chez moi!“
Eure Franzi
P.S. Das Bild hier ist für Vera. Sie hat zu mir gesagt, dass ich auch Fotos machen soll, von Sachen, die für uns in Deutschland gewöhnlich sind, nichts „Exotisches“. Nicht nur das „arme, andere Afrika“ im Kontrast zu Europa zeigen. Vera, ein nagelneuer und top ausgestatteter Krankenwagen nur für dich! 😉
Anni und Kurt
Liebe Franziska!
Seit ich Deinen blog gelesen habe, gehen mir alle diese Eindrücke ständig durch den Kopf. Du bist bewundernswert – und die Menschen, die ihr Leben dort leben, sind bewundernswert. Afrika hat ganz neue – und gute – Dimensionen für mich bekommen durch Deine Berichte. Ich bewundere, wie Du diese Art des Lebens dort einfach so annehmen kannst, ja es sogar glücklicher-machend findest, als unsere satte europäische Welt. Ich würde wahrscheinlich alles ändern/verbessern wollen; Du siehst die vielen positiven Seiten – vielleicht das Wesentliche des Lebens. Danke, dass Du auch mir die Augen öffnest! – Komm heil wieder – und beeil Dich mit dem Studium, damit Du so schnell wie möglich wieder in diese Deine neue Herzensheimat kommst…
Liebe Grüße, auch von Kurt
Anni
Mama und Papa
Ach Franzi – Mutter Theresa wäre stolz auf dich!!! Und wir sind auch sehr bewegt, was du da grade wieder alles erlebst.
Wir freuen uns schon auf dich und hoffen, dass Mosbach/Freiburg doch auch wieder ein Stück „Chez moi“ werden kann. Pass gut auf dich auf, meide die Moskitos und komme heil und gut gestärkt wieder hier an.
Drücke deinem Team im Krankenhaus unsere Hochachtung für ihre Arbeit aus! Wenn wir die Bilder von den süßen afrikanischen Kindern sehen, bekommen wir ja auch fast Sehnsucht nach der Elfenbeinküste.
übrigens kommen nächste Woche nochmals 27 Eriteer nach Mosbach!
Liebe Grüße
Mama und Papa