Liebe Freunde, Unterstützer, Leser,
das hier wird wohl mein vorerst letzter Blogeintrag sein! Vielen Dank, dass Sie/du mich ein Jahr lang bei meinem Freiwilligendienst in Duékoué begleitet und unterstützt haben/hast – durch das Interesse an meinem Blog, die finanzielle Unterstützung, einen lieben Gruß aus der Heimat,…
Partir, c’est mourir un peu! Abschied nehmen ist ein bisschen sterben!
Seit fast 2 Wochen bin ich zurück aus der Elfenbeinküste. Unfassbar, dass mehr als ein Jahr vergangen ist seit meinem ersten Blogeintrag, dem großen Ebolaausbruch und der damit verbundenen Ungewissheit, ob ich überhaupt meinen Freiwilligendienst antreten soll/kann/darf. Ich habe mich damals entschieden, zu fliegen, auch ohne Mitvolontärin, weil ich sonst vielleicht die beste Zeit meines Lebens verpasst hätte. Und weil ich schon davon träumte, Afrika kennen zu lernen und in einem sozialen Projekt zu arbeiten, als ich noch so klein war, dass meine Mama mich noch fast mit einem Tuch auf dem Rücken tragen hätte können.
Eine Entscheidung, die ich keine Sekunde lang bereut habe.
Ein Leben, schlicht und einfach, aber unglaublich bereichernd und lebenswert.
Ein Jahr, dass sich manchmal anfühlt, als hätte ich es bloß geträumt.
Ein Herz voll von Dankbarkeit und Freude, das erlebt haben zu dürfen.
Als ich Mosbach wieder gesehen habe, kamen mir die Straßen so ausgestorben und farblos vor. Wo sind die spielenden Kinder, die Frauen mit ihren bunten Stoffen und den großen Schüsseln auf dem Kopf, die Ziegen und Rinder, die vielen grünen Taxis? Die Straßen sind leer. Bevor ich gegangen bin war das doch genauso, Mosbach hat sich (bis auf das neue Einkaufszentrum mit H&M und co.) kaum verändert. Doch im letzten Jahr habe ich so viel Neues, Schönes, Trauriges, Anderes sehen dürfen, dass ich jetzt vieles mit anderen Augen betrachte, oder vielleicht mit dem Herzen sehe (so wie Saint-Exupéry das mal gesagt hat).
In Deutschland ist es von den Temperaturen her zur Zeit sogar heißer als in der Elfenbeinküste. Doch ich friere trotzdem, denn mir fehlt diese Herzenswärme, die ich in Duékoué erleben durfte und das Lebensgefühl, Schwestern und Brüder zu sein. Oft haben mir das meine Freunde oder Menschen in den Straße gesagt: Bei euch ist es doch sehr kalt oder? Ihr lebt alle aneinander vorbei, habt kaum Zeit für die anderen. Jeder sucht nur sein persönliches Glück und Geld. – In vielerlei Hinsicht haben sie recht, doch auch in Europa gibt es sehr viele Menschen, bei denen es einem ganz warm wird *_*
Letzte Woche war ich mit meiner Familie im Italien-Urlaub. Dort habe ich unter anderem in Turin das Grab von Don Bosco gesehen. Für mich war das ein sehr bewegender Moment. Denn im letzten Jahr habe ich Don Bosco nicht nur besser kennen gelernt sondern mit jedem Tag mehr Bewunderung für sein Lebenswerk gewonnen: die absolute Hingabe für banachteiligte Kinder und Jugendliche, ohne sich jemals auch von dem unüberwindbarstem Hindernis entmutigen zu lassen. Er hat nicht nur das Leben von vielen Straßenkindern seiner Zeit verbessert, sondern berührt auch heute noch die Herzen von Jugendlichen und Kindern in aller Welt. Auch meines.
Wir waren auch am Mittelmeer, wo wir uns entspannen, während andere dort ihren Tod finden, weil sie keinen anderen Ausweg sehen als diese gefährliche Reise zu wagen.
Und wenn ich daran denke, wie viele Monate eine Familie mit dem Geld von einem Restaurantbesuch überleben würde oder bloß, vergeht mir fast der Appetit. Ich schätze dieses Leben in Luxus sehr. Natürlich hab ich mich gefreut, als ich wieder unter einer heißen Dusche stehen, in einem großen Bett und ohne Moskitonetz schlafen, grenzenlos im Internet surfen, ans Meer reisen konnte und und und… Aber unser bequemes Leben hat für mich einen bitteren Beigeschmack bekommen.
Aber noch einmal zurück zu meinen letzten Eindrücken in Afrika: Und dann war alles so wie vor einem Jahr. Wieder werde ich in ein Flugzeug steigen und ein paar Tausend Kilometer überwinden und dort mein Leben weiterzuleben. Wieder gibt es Vorfreude und Abschiedsschmerz. Wieder habe ich ein bisschen Angst vor dem Ungewissen und zugleich kann ich es kaum abwarten, dass es endlich losgeht. Das letzte Mal habe ich auf die Elfenbeinküste, die Foyermädchen und das Leben in einer anderen Kultur gewartet. Dieses Mal warte ich auf das Medizinstudium, ein freies und eigenständiges Studentenleben, auf Freiburg und zuerst darauf, Familie und Freunde wieder zu sehen.
Am Flughafen in Frankfurt habe ich damals meine Familie und Freunde zurückgelassen, als ich durch die Sicherheitskontrollen gegangen bin und habe Krokodilstränen geweint. Und dieses mal habe ich meine ivorische Familie, meine Freunde, die wie Brüder und Schwestern waren, die Schwestern und Pater, die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich ein Jahr verbracht habe, zurückgelassen. Und noch größere Krokodilstränen geweint. Denn beim letzten Mal war alles auf ein Jahr begrenzt, doch bei diesem Abschied ist das Rüchkflugticket noch nicht gebucht, die Zeit ungewiss.
Vieles habe ich zurückgelassen, aber eine Sache habe ich mitgenommen. Dieses unbeschreibliche Lebensgefühl von Freude und Leichtigkeit. Ich glaube ich habe mich nie glücklicher und dankbarer gefühlt, als an dem Tag, an dem ich Abschied genommen habe.
Ich möchte euch noch ein paar festgehaltene Eindrücke von meiner letzten Woche geben:
Abschiedsessen mit den Patern und Sr. Rosanna – es war viel zu lustig, um traurig zu sein:
Bei den letzten Spaziergängen durch Duékoué hab ich noch neue Ecken entdeckt:
Bosco-Ferien:
Es kommt mir mit meinen Freunden und meiner Familie so vor, als wäre ich nie weggewesen. Doch trotzdem hat sich vieles verändert und dieses Jahr wird nicht spurenlos vergehen.
Was bleibt…
… Dankbarkeit, für jeden Menschen, der einen Stück meines Weges während des Freiwilligendienstes mit mir gegangen ist
…pures Glück über die unzähligen Eindrücke, Momente in meinem Projekt mit den Mädels, den Kindern und Jugendlichen der Mission, den Begegnungen auf den Straßen
…eine neue Familie und Freundschaften, die hoffentlich auch trotz mangelndem Internetzugang über Weltmeere reichen
… 20.000 Fotos oder mehr
… Narben von unzähligen Moskito-stichen
… unendlich viele Erinnerungen, die vier Tagebücher gefüllt haben
… Spuren in den Herzen der Menschen dort und noch viel mehr Spuren und Menschen in meinem Herzen
…das Gefühl, dort Heimat gefunden zu haben und jeder Zeit wieder kommen zu können
…eine neue Kochstelle (mit Gaskochern für das Foyer), Schulbücher als Ausleihsystem für die Foyermädchen und Fensterabdichtungen für die kalten Monate. Nur dank eurer großzügigen Unterstützung und Spenden können all diese Projekte umgesetzt werden. Mich hat eure Anteilnahme wirklich überwältigt. Dafür an alle Spender ein herzliches Dankeschön!
Kurze Erklärungen zu den Projekten:
*Die Kochstelle war für 55 Mädchen viel zu klein und hat oft zu Konflikten geführt. Außerdem haben die Mädchen bis jetzt alle mit Kohle gekocht. Das dauert viel länger und es hinterlässt viel Schmutz. Oft standen die Mädchen zwei bis dreimal am Tag jeweils bis zu zwei Stunden in der Küche. So erhoffen wir durch die Möglichkeit, mit Gaskochern zu kochen und durch die Vergrößerung der Küche, dass es zu weniger Streit kommt und die Mädchen mehr Zeit für Freizeit haben.
*Eine Anschaffung von Schulbüchern, um eine Bibliothek einzurichten, sehe ich als sehr sinnvoll, weil die meisten Mädchen keine Mittel haben, um die Schulbücher zu kaufen. In den Schulen gibt es kein Ausleihsystem. Deshalb sah es im letzten Schuljahr buchtechnisch eher schlecht aus. Durch neue Schulbücher für eine Bibliothek können die Mädchen gemeinsam profitieren, um Unterrichtsstoff im Foyer zu vertiefen und ihre Hausaufgaben erledigen zu können. Das war im letzten Schuljahr oft nicht möglich. Und weil es auch kein Internet für die Mädchen gibt, sind die Bücher der einzige Zugang zu Information und umso wichtiger!
*In einigen Schlafzimmern bestehen die Fenster aus Löchern in der Wand. Während des Harmattans wird es aber oft nachts sehr kalt. Im letzten Jahr waren Erkältungen und Husten während der Zeit Gang und Gebe. Das soll sich nun ändern!
Bilder zu der Küche vor und während des Umbaus (eigentlich sollte das schon alles im Juli fertig sein, aber das mit dem Zeitmanagement müssen wir wohl erst noch üben. Die Bauarbeiten haben erst nach meiner Abreise begonnen, aber Sr. Rosanna schickt mir immer neue Fotos und hält mich auf dem Laufenden, was mit euren Spenden passiert):
ZWISCHENDRIN
NACHHER gibt’s noch nicht
Mein Jahr geht zu Ende… doch es ist nicht aus und vorbei! Ich bin mir sicher, die Geschichte geht noch weiter… Denn das Fernweh, oder eher das Heimweh, packt mich schon wieder!
Eure Franzi
Anni und Kurt
Liebe Franziska!
Danke. Dieser Bericht hat noch gefehlt. Und fast leiden wir Dein Heimweh nach Afrika mit Dir…
Behalte alle Deine Erfahrungen und bewege sie in Deinem Herzen. Dann können sie auch weiterhin Dein Tun und Denken beeinflussen – und Dir und anderen gut tun. Nichts ist verloren, was man im Herzen trägt!
Und ich bin sicher: Du kommst wieder nach Afrika – vielleicht als Missionsärztin? —
Eine schöne Zeit jetzt zu Hause – und dann ein frohes, freies und engagiertes Studentenleben.
Liebe Grüße
Anni
Catharina Döpper
Danke für diesen schönen, bewegenden Blogeintrag. Ich hoffe dass du das ivorische Lebensgefühl noch ein bisschen beibehalten kannst und du diese Erinnerungen immer im Herzen trägst, auch wenn Deutschland einen oft wieder schneller einholt als einem lieb ist.
Liebe Grüße und trotzdem ein gutes wieder einleben,
Cathi