Weltweit wurde bei allen Don-Bosco-Schwestern am letzten Wochenende das „Danke sagen“ gefeiert!
Auch wir hatten am Samstag das Fest der Dankbarkeit im Foyer. Bei diesem Fest sagt man zuallererst der Direktorin Soeur Rosanna Danke, aber man bedankt sich auch bei allen anderen.
Die ganze Woche haben wir mit Vorbereitungen von Dekoration basteln über Großeinkäufe zum Kochen machen, Geschenke verpacken und Programm vorbereiten…
Es kam uns ganz gelegen, dass diese Woche mal wieder gestreikt wurde.So konnte das Fest bis ins kleinste Detail vorbereitet werden.
Am Donnerstag zeigten sich die Naturgewalten. Dieser Tag hat mir wieder gezeigt, wir klein und schwach wir gegenüber der Natur sind. Ich habe viel Respekt vor ihr. Hier wird die Natur mehr geachtet und geschätzt und die Menschen sind ihr viel vertrauter als ich es in Deutschland gewohnt bin (z.B. Benutzung von Pflanzen, Blätter und Wurzeln als Medikamente). Sie zeigen aber auch viel Ehrfurcht vor ihrer Größe und Stärke:
Die Mädels proben ihre Tänze und sind in kleinen Gruppen über das ganze Gelände verteilt. Auf einmal gibt es laute Freudenschreie, Jubel, lautes Durcheinander. Das kommt bei den Mädchen oft vor,also denke ich mir nichts dabei. Doch plötzlich kommt ein Mädchen weinend angerannt und 20 Mädchen rennen hinter ihr her und schreien, sie soll sich hinsetzen. Ich verstehe nichts, nur, dass es anscheinend keine Freudenschreie waren. 3 kleine rote Punkte auf ihrem Fuß: ein Schlangenbiss! Im völligen Durcheinander und Chaos der Mädels wird ihr Bein mit einem Schal abgebunden, damit das Gift nicht nach oben wandert. Sie hat höllische Schmerzen. Mit einer Rasierklinge wird der Fuß angeschnitten und ein „schwarzer Stein“ daraufgelegt. Er klebt durch das Blut am Fuß und zieht das Gift heraus. Dabei verändert sich die Farbe des Steins von schwarz zu weiß. Wenn sich kein Gift mehr im Körper befindet, fällt der Stein von alleine ab. Bei dem Mädchen hat das ungefähr eine Stunde gedauert. Sie hatte außer Schüttelfrost und einem angeschwollenen Fuß und Unterschenkel keine weiteren Symptome. Man kann von Glück reden, dass sie so schnell medizinisch versorgt wurde. Sonst hätte das böse enden können…
Unser Hausmeister Laid hat die Schlange entzweit. Da er ein wirklich besonderer Mensch ist, möchte ich ihn euch kurz vorstellen:
Laid ist taubstumm. Er hat ein großes Herz und wann immer man ihn sieht, gestikuliert er wild herum – egal ob er allein ist oder nicht. Er „erzählt“ sich selbst, was er an dem Tag schon erledigt hat und was noch auf seiner To-do-Liste steht. Meistens hat er schon das Gras geschnitten oder Unkraut gezupft und auf seiner Liste ganz weit oben stehen Mittagsschlaf und Essen. Das ist immer sehr amüsant, ihm zuzusehen. Außerdem ist Laid auch dafür zuständig, Schlangen zu vertreiben und zu töten. Er hat keine Angst vor ihnen, denn er „sagt“, dass er stärker ist als sie.
Wenn ein Mädchen eine Dummheit macht, kommt er und gestikuliert uns das. Dazu kommen dann seine Laute: bababa bababababbababa.
Am witzigsten ist es aber, wenn Laid telefoniert. Ich weiß nicht genau, wie der Gesprächspartner ihn verstehen kann, wenn er immer nur ba ins Telefon ruft. Aber er hat dabei eine Menge Spaß.
Was auch wirklich cool ist: Laid hat ein Radio, dass er überall mit hinnimmt. Weil er nichts hört, ist es oft viel zu laut oder es ist nur ein Rauschen zu hören, weil er den Kanal nicht gefunden hat. 😉 Außerdem ist er auch derjenige, der alles und vor allen anderen weiß, was in Duékoué so läuft. Wenn es z.b. Streik in der Schule gibt, weiß er das, bevor die Mädchen überhaupt in die Schule gegangen sind, um zu sehen, ob Unterricht stattfindet.
Laid strahlt immer so viel Lebensfreude aus und auch wenn ich eigentlich nichts über ihn weiß, weil wir uns schlecht unterhalten können und er auch niemals meinen Namen kennen wird, ist es doch schön, ihn jeden Tag zwischen den Mädels und den Schwestern arbeiten zu sehen.
Nach einiger Zeit verstehe ich nun seine Gesten. Wenn er zum Beispiel über mich redet, streicht er sich über die Haut (die Weiße) und deutet mit seinen Fingern meine Figur an. Die Schwestern können sich fließend und ohne Probleme mit ihm verständigen. Das fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
Aber zurück zur Schlange: Sie liegt dort im Gras, in zwei Teilen und der Teil mit dem Kopf bewegt sich noch heftig, obwohl sie doch so halb zermatscht ist. Bei dem Anblick wird mir so schlecht. Laid schlägt auf ihren Kopf. Endlich bewegt sie sich nicht mehr, ist tot.
Abends dann die zweite Naturgewalt. Ein Unwetter, wie ich es noch nie erlebt habe. Es regnet und innerhalb von 5 Minuten ist alles überschwemmt. Es kommen Blitze und Donner hinzu, die uns zusammenzucken lassen. Der Wind ist so stark. Der Himmel hat sich gelb gefärbt. Zusammen mit einigen Mädchen verbarrikadieren wir uns in einem Schlafsaal. Der Strom fällt aus. WIr warten 2 Stunden lang im Dunkeln. Es kommt Hagel. Als die Mädchen das sehen, rennen sie hinaus und sammeln die „Eiswürfel“: Sie sind klitschnass und der Schlamm klebt an ihnen. Nur für ein bisschen Hagel- aber der ist hier wirklich viel größer und eiswürfliger als bei uns;) Ich versuche, die Mädchen davon abzuhalten, doch es ist einfach nichts zu machen. Ihrer Meinung nach lohnt es sich, für einen Eiswürfel, der vom Himmel fällt, durchnässt und dreckig zu sein.
Nach dem Unwetter war ganz Duékoué 24 Stunden ohne Strom. Zur Zeit haben wir jeden Tag ca. 4-6 Stunden Stromausfall, also ist das nichts ganz Neues. Wir hatten aber mal wieder mehr Pech. Nachdem schon in der Osternacht der Blitz bei uns eingeschlagen hat (wobei sehr hohe Schäden entstanden sind: Stromkabel, alle Lampen, einen Fernseher, Stromkästen… austauschen) und alles repariert und blitzsicher gemacht wurde, hat es uns doch wieder getroffen. Dieses mal nicht so radikal wie beim ersten Mal, doch 48 Stunden ohne Strom ist wirklich nicht so spannend. Wie sollen wir unser Fest ohne Licht und Elektrizität feiern? Als das Fest schon begonnen hat und die Elektriker fleißig am Werkeln waren, ist der Strom endlich zurückgekommen.
In allen Sprachen unserer verschiedenen Ethnien und Stämme haben wir in einer kleinen Zelebration „Danke“ gesagt.
Außerdem haben die verschiedenen Ethnien traditionell getanzt. Es gab ein richtiges Festessen mit Schweinefleisch (Für die Mädchen ist Fleisch etwas sehr Außergewöhnliches, sie können sich das normalerweise nie leisten. Sie kochen nur mit Fisch – aber selbst das ist etwas Besonderes und es wird oft selbst um den kleinsten Fisch gekämpft.) Es handelte sich aber um Knochen mit fast nichts dran, und wenn, dann bloß Fett. 10 Kilo Knochen bezahlt. Das sieht fast so aus, als hätten die Industriestaaten das gute Fleisch abgeschnitten und den Abfall nach Afrika geschickt. Traurig, aber wahr! Ob das bei unserem Schweineknochen der Fall war, kann ich nicht bestätigen.
Für die Muslime unter den Mädels gab es Rind, also wollten plötzlich alle zum Islam übertreten, denn die essen das gute Fleisch :p
Das Highlight des Abends war die Miss-Foyer-2015-Wahl. Vier Kandidatinnen haben in vier Runden (traditionell, sexy,…) um die Krone gekämpft. Schaut euch an, wie bezaubernd sie waren.
Um uns gegenseitig zu danken, sollte jeder beschenkt werden. Da es unmöglich ist,für jeden ein Geschenk zu kaufen, haben wir gewichtelt. Schon am Anfang des Schuljahres hat jeder einen geheimen Freund zugeteilt bekommen und konnte ihm kleine Freuden bereiten. Gestern hat dann jede geschenkt und wurde beschenkt.
Nach diesem wundervollen Fest bleibt mir nur noch eines zu sagen: DANKE
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Noch zur aktuellen Situation in der Elfenbeinküste: Eigentlich ist am 8. Mai Notenschluss und am 15. Mai Ferienbeginn. Doch gerade eskaliert der Streik heftig. Die Lehrer streiken, weil sie mehr Geld vom Staat wollen. Anstatt ihre Bitten zu erhören, haben sie genau das Gegenteil gemacht. Für jeden Tag an dem gestreikt wurde, har die Regierung das Gehalt der Lehrer gekürzt und sie für den Streik bestraft.
Im 3. Trimester gab es noch keinen Unterricht, nur Streik, aber das Schuljahr ist fast am Ende. Diese Woche sieht man so viele Polizisten und Armee im Einsatz wie nie, sogar mit Hubschraubern. Denn die Schüler haben so viel, Inventar, Gebäude, Autos,… zerstört. Am Montag wurden von den Schülern ganze Straßen abgesperrt. Sie haben die Ortsein-/ausgänge der größeren Städte abgesperrt, sodass viele Autos den ganzen Tag blockiert waren, darunter auch der Bischof der Diozöse hier. Bei der Hitze und mit nicht übermäßig viel Wasser den ganzen Tag im aufgehitzten Auto eingesperrt sein, weil die Schüler wegen dem Schulsystem wütend und agressiv sind… Und all die Verletzten, all die Schäden, der ganze Frust, die Wut, die verschenkte Zeit und das verschenkte Potenzial der Schüler… Das tut wirklich einfach bloß weh!
Seit heute gilt die Regel, dass jeder Schüler, der in Schuluniform auf dem Weg zur Schule ist, ins Gefängnis gesperrt wird. Erst am Montag dürfen die Schüler eventuell wieder zur Schule gehen. Das hängt von der alles entscheidenen Rede des Präsidenten Ouattara am Freitag ab. Entweder gehen die Schüler der Elfenbeinküste dann ab Montag wieder zur Schule und machen das Schuljahr zu Ende oder es läuft auf ein „année blanche“ (weißes Jahr) hinaus. Das heißt, ein verlorenes Jahr für alle Schüler, denn jeder wiederholt dieselbe Klassenstufe noch einmal. Vielleicht, auch wenn es wirklich eine große Zeitverschwendung ist, wäre das das beste. Denn wenn ich sehe, was die Mädchen in dem viel zu kurzen Schuljahr mit viel zu vielen Ferien und Streiks gelernt haben: NICHT VIEL 🙁 Das Schulsystem hier macht mich wirklich wütend und traurig. So viel Ungerechtigkeit. Schüler, die lernen wollen und es nicht dürfen. Die zu Opfern und zu Tätern (gemacht) werden. Und die großen Menschen im Land bleiben stumm!? Treffen Entscheidungen, ohne an die Zukunft ihres Landes zu denken?
Und so oft mich doch auch das deutsche Schulsystem geärgert hat, so empfinde ich dafür nach diesen Erfahrungen in der Elfenbeinküste nur noch Dankbarkeit für unser Bildungssystem. Was für eine riesengroße Chance ich doch hatte und wir dort haben, so gut und friedlich lernen zu können! Ohne Korruption, ohne Streik, ohne Angst, ins Gefängnis gesperrt zu werden oder in der Schule verletzt zu werden. Ich bin unglaublich dankbar.
Das Recht auf Bildung – in der Elfenbeinküste sehe ich es nicht erfüllt.
Eure Franzi
Anni und Kurt
Liebe Franziska,
danke auch Dir – dafür,
– dass Du uns an Deinem Leben in diesem uns so fremden Erdteil teilhaben lässt,
– dass Du so interessant verfasste Berichte schreibst, in so gutem Deutsch,
– dass Du Dein Dasein / Dortsein so selbstbewusst reflektierst und Deine
„Lebens-Werte“ immer wieder neu justierst
DANKE und alles Gute!
Liebe Grüße
Anni und Kurt