Fragen, die uns beschäftigen und begleiten

Fragen, die mich in positiver und negativer Weise beschäftigen, uns aber tagtäglich begleiten: Heute gibt es den 4., vorerst letzten und wahrscheinlich schwierigsten Qusetion & Answer Beitrag. Ich werde versuchen, ein paar Fragen von euch zu beantworten, die ich aufgrund meines eingeschränkten Blickwinkels nicht umfassend und 100%ig richtig beantworten kann. Ich will hier keinesfalls urteilen, alles beruht auf meinen bisherigen Erfahrungen.

Welcher Religion gehören die meisten Menschen an? Welche Religionen gibt es ?

Ca. 45% der Bevölkerung sind katholische Christen. Protestanten gibt es ca. 35%. Darunter fallen viele verschiedene Kirchen (Anglikaner, Adventisten, Methodisten, Baptisten,…). 5% der Rwander gehörten dem Islam an. (Religion (rlp-ruanda.de)) Es gibt jedoch viele charismatische Gruppen und neue Kirchen (z.B. Wiedergeborene Christen,…). Auch Zeugen Jehovas gibt es hier.

Religion oder besser gesagt der Glaube spielt hier eine große Rolle. Viele sind gläubig. Wir werden oft gefragt, in welche Kirche wir gehen, ob wir beten mögen und ob wir beten. Viele Kinder erzählen uns auch, wann sie gebetet haben, oder wann sie zur Messe gehen. Sie beten häufig vor dem Schlafengehen, oder nach dem Aufwachen. Ich finde es sehr schön, dass so viele hier den Glauben als so etwas wichtiges ansehen und auch gerne beten. Mein Eindruck ist es auch, dass das Zusammenleben aller Religionen und Glaubensrichtungen sehr gut funktioniert, dass alle sich gegenseitig respektieren und es kein Problem ist, wenn man Freunde hat, die einer anderen Religion oder Kirche angehören. Fast alle glauben an einen Gott und das spürt man. Oft sieht man auf Bussen, LKWs oder Schildern draußen Worte wie: „Yezu akuzwe!“ (Jesus sei gelobt), „In God we trust“ (wir vertrauen auf Gott), oder „God is One“ (Gott ist Einer). Die Religion ist hier überall zugegen. Sehr viele Kinder tragen Rosenkränze als Ketten, oder ähnliche Armbänder und Ringe mit der Marienfigur darauf. Auch in der Sprache Kinyarwanda findet sich immer wieder der Bezug zur Religion. „Urote Imana“ (träum von Gott) wird hier am Abend oft gesagt. 

Wie ist das Lebensniveau der Leute? Haben sie alles zum Leben, oder herrscht große Armut?

Generell ist diese Frage sehr schwer für uns zu beantworten, da es so unterschiedlich sein kann und wir bis jetzt auch noch nicht so einen großen Überblick über viele Menschen haben, als dass wir generell etwas sagen könnten.

Was wir bemerkt haben ist, dass das Lebensniveau und damit auch der Wohlstand sehr verschieden ist. Es gibt Teile Rangos, in denen viele eher ärmlich aussehende Häuser stehen und dann direkt andere Viertel mit großen Häusern mit einer Mauer oder einem Zaun und einer großen Eingangstür sowie Torwächtern. Aber auch in ein und demselben Viertel sieht man solche großen, gut gepflegten Häuser, verputzt und angestrichen, direkt neben kleinen Häusern, die wahrscheinlich nur aus einem oder zwei Räumen bestehen und nicht verputzt sind, sondern aus einem Stock-/Holzgerüst und Lehm oder Schlamm bestehen. Dieser wird von außen auf das Stöckegerüst angebracht und trocknet dann. Diese Häuser haben oft einen kleinen, aus Holzstöcken umzäunten Bereich.

Wir wurden schon in mehrere Häuser eingeladen. Manche waren einfacher, mit wenigen Räumen und gestampftem Boden, eines war modern, größer und sehr gut ausgestattet. Unabhängig davon wurden wir aber immer sehr gastfreundlich empfangen. Das Einkommen und damit die Wohnverhältnisse sind vom Beruf abhängig. Soldaten mit hohem Rang z.B. verdienen hier sehr gut, wahrscheinlich mit am besten. Einfache Soldaten jedoch arbeiten oft viel und leben einfach und bekommen kein hohes Gehalt. So wissen wir, dass ein Schüler der TVET school nebenher noch als Soldat in einem Gefängnis arbeitet. Uns wurde gesagt, dass viele aus finanziellen Gründen zum Militär gehen, auch wenn die Bezahlung nicht die Allerbeste ist. Weitere Berufe, in denen man gut verdient sind Arzt oder auch als Lehrer. Für wohlhabendere Leute ist es normal hier, eine oder mehrere Haushaltshilfen zu haben, die kochen, putzen und sich um die Tiere kümmern. Außerdem haben viele nachts eine Person, die das Haus sichert, so auch das Don Bosco Gelände. Dennoch haben wir das Gefühl, dass die Leute, die wir besser kennen und wohlhabender sind, sich sehr hilfsbereit gegenüber Leuten verhalten, bei denen sie sehen, dass diese weniger Geld besitzen. Wir haben schon öfters mitbekommen, dass sie etwas Geld an Personen auf der Straße gegeben haben, oder ihre Getränke oder Essen abgeben.

Uns wurde erzählt, dass die meisten festen Häuser hier fließendes Wasser haben. Bei vielen kleinen Häusern ist das wahrscheinlich jedoch nicht der Fall ist. So haben wir schon Leute mit Wasserkanistern gesehen, die diese an einem Hahn auf der Straße auffüllen. Die meisten Toiletten, auch bei etwas wohlhabenderen Leuten sind einfache Löcher im Boden, die an ein Rohrsystem gebunden sind. Sie befinden sich in extra Häuschen außerhalb des Wohnhauses. Das erste Mal auf einer solchen Toilette war auf jeden Fall ungewohnt. Ein Großteil der Leute, die wir bis jetzt kennengelernt haben und bei denen wir zuhause waren, kocht auf offenem Feuer.

Es scheint uns, als würden die Leute hier besser mit den Ungleichheiten klarkommen als wir. Ich weiß ich ehrlich gesagt nicht genau, wie wir mit der Armut und mit den unterschiedlichen Lebensverhältnissen umgehen. Wahrscheinlich gar nicht. Wir versuchen, es zu akzeptieren. Man würde so gerne etwas geben, wenn ein Kind fragt, ob wir ihm etwas Süßes kaufen können, aber wir wissen, dass das problematisch ist und dass wir niemals jedem auf gleiche Weise gerecht werden könnten. Ansonsten reden wir auch darüber, wenn uns etwas sehr beschäftigt, z.B. mit den Salesianern.

Eigentlich überall sieht man, wie unterschiedlich der Wohlstand ist. In einem sehr reichen Viertel mit breiten gepflasterten Straßen und Villen, in denen Lehrer und Politiker leben, sind wir oft auf Kinder getroffen, die uns nach Geld gefragt haben. Wir werden sehr oft von Kindern auf der Straße nach Geld gefragt, aber auch die Leute, die mit uns sind. Oft passiert es dann, dass unsere Begleitung etwas Geld gibt.  

Die finanziellen Unterschieden werden ebenfalls besonders in der Schulwahl deutlich. Wer Geld hat, geht auf ein privates Internat. Durch die einheitliche Schuluniform ist es schwieriger, den Status der Kinder zu erkennen. Das ist auch sehr gut so, denn unser Kinyarwanda Lehrer meinte, dass dadurch verhindert wird, dass die Schüler sehen, wer oft seine Klamotten wechselt und wer nur wenig Klamotten hat. 

Es gibt viele Frauen und auch teilweise Kinder, die wir auf der Straßen sehen mit riesigen Stockbüschen, Brettern oder Körben mit Bananen oder Avocados auf dem Kopf. Dadurch verdienen sie sich etwas dazu. Besonders bei den Kindern bekommen wir dann immer ein mulmiges Gefühl.

Wieviel genau man sich hier für sein Geld leisten kann, können wir schwer sagen. Dennoch bekommen wir teilweise mit, dass Leute Hunger haben und uns dann nach Essen fragen. Eine sehr junge Frau, die wir einmal besucht haben, wollte uns ihr Baby zeigen, sie hatte aber keine Klamotten, um es anzuziehen. Sowas berührt uns dann sehr. In anderen Familien hingegen gibt es immer genügend zu Essen, sie können sich auch teurere Produkte aus dem Supermarkt leisten. Viele Dinge aus dem Supermarkt sind importiert und kosten relativ viel. Süßigkeiten, wie Schokolade und Käse zum Beispiel, sind ein Luxusgut. Deswegen ist die Ernährung hier auch eher einseitig. Es gibt oft dasselbe, z.B. Reis, Bohnen und Kartoffeln.

Nur sehr wohlhabende Familien haben hier ein Auto, sonst geht man zu Fuß, oder nimmt den Bus, welcher 30ct bis in die Stadt kostet, oder das Motorradtaxi (50ct).

Wie groß sind die Familien?

Öfters werden wir gefragt, das wievielte Geschwisterkind wir sind, oder es wird erzählt, dass sie selbst der oder die „First Born“ (Erstgeborene/r) etc. sind. Eigentlich hat hier jedes Kind Geschwister, 3-4 sind ganz normal. In älteren Generationen sind es schon öfters um die 10 Geschwister.

Obwohl die Geburtenrate zurück geht, sind die Familien eher groß und man wohnt häufig mit anderen Familienmitgliedern, abgesehen von der engsten Familie, zusammen, z.B. den Großeltern, dem Onkel, Cousins, Cousinen, Neffen und Nichten. Neffen und Nichten sind wie Geschwister und werden auch so genannt. Das hat uns am Anfang sehr verwirrt. Es brauchte etwas, bis wir verstanden haben, dass für Geschwister, Neffen und Nichten in Kinyarwanda dasselbe Wort verwendet wird. Etwas verwirrend sind für uns die Bezeichnungen für Geschwister in Kinyarwanda sowieso, denn es gibt nicht einfach nur Worte für Bruder und Schwester. Nein, es kommt auf das Verhältnis zum anderen Geschwisterkind an. Eine ältere Schwester eines Mädchens, oder ein älterer Bruder eines Jungen wir „Mukuru“ genannt. Man erkennt also am Geschlecht der erzählenden Person, ob das Geschwisterkind ein älterer Junge oder ein älteres Mädchen ist. Ein anderes Wort („Murumuna“) wird verwendet, wenn es sich um ebenfalls das gleiche Geschlecht wie man selbst handelt, wenn das Geschwisterkind aber jünger ist. Handelt es sich jedoch bei einem Geschwisterkind um ein anderes Geschlecht, als das eigene, dann wird die Schwester eines Bruders „Mushiki“ genannt und der Bruder einer Schwester „Musaza“.

Manchmal sind die Jugendlichen verwundert, wenn ich ihnen sage, dass ich nur ein Geschwisterkind habe. Ich wurde auch schon einige Male danach gefragt, ob ich noch beide Eltern habe. Viele der Straßenkinder haben keine Eltern mehr. Oft, weil diese sie verlassen haben: aus Armut, oder weil sie nicht geplant waren und deswegen in der neuen Familie der Mutter oder des Vaters nicht akzeptiert werden. Das ist sehr schwierig für uns zu verstehen, dass es so Kinder hier gibt, die nicht mehr wissen, wo ihre Eltern sind, und deren Eltern sie im Stich gelassen haben.

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Noheli nziza

  1. Farnaz

    Ich kann mir aus deiner Schilderung sehr gut ein Bild machen.

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