Ihr Lieben,
Jeden Tag sehe ich das aktuelle Datum auf meinem Handy oder der Tafel der Vorschule. Dass inzwischen Ende März ist, habe ich deshalb aber noch lange nicht realisiert. Mein Zeitgefühl muss sich irgendwann ein bisschen verabschiedet haben. Die Tage vergehen schnell und sind so vollgepackt mit unterschiedlichen Erlebnissen, dass ich es abends gar nicht glauben kann, dass all das an nur einem Tag passiert ist. Insgesamt ist das bei der Zeit, die ich in Benin verbracht habe, genauso. Mir kommt es so vor, als würden die Wochen nur so dahinfliegen, und wenn ich daran denke, dass ich nur seit einem halben Jahr hier lebe, ist es krass, wieviel in dieser doch so kurzen Zeit alles passiert ist. Tatsache ist: Sechs Monate sind rum, die Hälfte meines Freiwilligendienstes. Genau der richtige Zeitpunkt, um das halbe Jahr zu reflektieren, aber auch, um auf die nächsten Monate zu schauen. Zu diesem Zweck gab es auf allen Kontinenten, in denen wir Don Bosco Volunteers eingesetzt sind, Zwischenseminare.
Für meine zwei Mitvolos und mich ging es nach Ghana, wo wir drei weitere Freiwillige aus der Elfenbeinküste und Ghana getroffen haben. Das „Team Westafrika“ besteht dieses Jahr also aus sechs Süddeutschen Volontären, und ich fand das Seminar gerade deshalb so schön, weil wir nur so wenige waren und das Treffen dadurch sehr intensiv war. Wir kannten uns schon von unseren Vorbereitungen in Benediktbeuern, genauso wie unsere Seminarleiterin Rebecca, eine ehemalige Freiwillige, die sowohl in Ghana als auch während ihres Studiums in Benin war und uns deshalb gut verstehen konnte, wenn wir von unseren Erfahrungen gesprochen haben. Außerdem hat sie uns dunkles Brot, Schokolade und Käse von Deutschland mitgebracht, wofür wir sie echt gefeiert haben 🙂 .
Die Reise
Von Cotonou bis zu ghanaischen Grenze sind wir mit dem Taxi gefahren. Durch das schmale Togo sind wir recht schnell gekommen, nachdem wir uns ein Transitvisum an der Grenze geholt hatten. Die Einreise nach Ghana war etwas zeitaufwändiger, da nicht nur wie bei Togo Formalitäten ausgefüllt werden mussten und der Impfpass kontrolliert wurde, sondern z.B. auch noch unser Reisegepäck gecheckt wurde, bevor es in einem Kleinbus nach Accra weiterging. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste ich feststellen, dass mein Englisch durch das halbe Jahr Französisch sprechen unglaublich grottig geworden ist. Selbst wenn ich mich an das englische Wort erinnern konnte, ist mir so oft einfach unbewusst das französische rausgerutscht, was an der Grenze mit den ghanaischen Polizisten oder später mit den Don Bosco Brüdern zu recht bizarren Situationen geführt hat.
Das Seminar
Das Zwischenseminar fand auf dem Gelände der Don Bosco Brüder in Accra, der Hauptstadt Ghanas, statt und war genauso locker entspannt wie die Vorbereitungstreffen in Benediktbeuern. Trotzdem haben wir über alles Wichtige geredet: Nachdem wir uns unsere Einsatzplätze vorgestellt haben, schauten wir auf das letzte halbe Jahr zurück. Obwohl jeder seine ganz eigene Erfahrung gemacht hat, erging es uns in vielen Situationen ähnlich. Gerade über die Momente, die uns im letzten halben Jahr immer wieder unangenehm waren oder genervt haben, konnten wir viel reden. Das ist zum Beispiel, dass man als Yovo (Weißer) oft auf der Straße von Kindern nach Geld oder von jungen Männern nach seiner Nummer gefragt wird oder dass man mit den anderen Volontären in eine Schublade gesteckt und oft mit ihnen verglichen wird. Es war super, sich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen, ihre Erfahrungen zu hören und auch Tipps/Ideen zu bekommen, wie mit der Situation umgegangen werden kann. Nachdem wir zwei Tage quasi nur geredet hatten, haben wir es uns am wunderbar entspannten dritten Seminartag am Strand gutgehen lassen. Schon zu diesem Zeitpunkt drehten wir fleißig kurze Videos, denn es war auch unser Ziel, einen kleinen Film zum Thema „Don Bosco Volunteers“ zu machen- ich geb euch Bescheid, wenn der fertig geschnitten ist (hier ein großes Danke an den Martin, Team Elfenbeinküste 🙂 ) . Auch mit dem nächsten halben Jahr beschäftigten wir uns. Wir überlegten, welche großen Schritte oder Projekte noch kommen, und was wir uns für die kommende Zeit noch vornehmen (bei mir wird eine große Veränderung auf jeden Fall der zweite Arbeitswechsel Ende April sein, ab dann werde ich mich im Maison du Soleil um die Babys der minderjährigen Mütter kümmern). Zum Schluss tauschten wir uns noch über Spiel-, Sing- und Bastelideen aus, mit denen wir in der zweiten Hälfte unseres Freiwilligendienstes kreativ werden können.
Auf nach Sunyani!
Nach dem Seminar hatten wir noch ein paar Tage Zeit, die wir in Ghana verbringen konnten. Den Plan, im Süden am Meer zu bleiben, haben wir am Tag der Abreise spontan über den Haufen geschmissen und sind stattdessen nach Sunyani gefahren, der Stadt, in der die Einsatzplätze der ghanaischen Volontäre sind. Da Sunyani ein gutes Stück weiter im Norden liegt, haben wir uns dafür entschieden, den Nachtbus zu nehmen. Der sogenannte „VIP-Bus“ war echt nicht schlecht, mit dick gepolsterten, kippbaren Sesseln, einer Klimaanlage, die zum Einsatz kam (ich war so froh um meinen Pulli und die dicken Socken) und den kleinen Bildschirmen an der Decke, auf denen die ganze Nacht lang eine unglaublich schlechte Folge ghanaischer Filme lief (wobei ich sagen muss, dass die beninischen Filme auch nicht gerade besser sind 🙂 ). Um vier Uhr früh kamen wir auf dem Don Bosco Gelände an, hatten dann aber noch ein paar Schwierigkeiten, um an den Schlüssel zu unserem Gästehaus zu kommen. Bei dieser Aktion haben wir gleich mal ein paar Brüder, Novizen und österreichische Volontäre aufgeweckt, letztendlich konnten wir uns aber doch noch ein paar wenige Stunden hinlegen, bevor wir richtig in den Tag starteten. Wir schauten uns das Gelände der Brüder an, besonders das Jungsheim und das Oratorium, die Einsatzstellen der zwei Ghanavolontäre. Wir haben ein bisschen was von Sunyani gesehen, waren auf dem Markt, der im Vergleich zu dem in Cotonou winzig ist, haben typisch ghanaisches Fufu gegessen (gestampfte Yamswurzel mit Banane und Erdnusssauce), haben die gute frische Luft genossen (da wird einem mal wieder bewusst, in was für einem Mief man in Cotonou lebt) und durften die Waschmaschine unserer lieben ghanaischen Volontäre benutzen, was nach einem halben Jahr Handwäsche mal wieder so richtig schön war! Es war auf jeden Fall cool, die freien Tage noch mit den anderen Freiwilligen zu verbringen, die Projekte in live zu sehen und einfach die Zeit zusammen zu genießen.
Eindrücke aus Ghana
Von dem, was ich von Ghana gesehen habe, hat sich echt einiges von Benin unterschieden. Die Häuser standen weiter auseinander, waren westlich gebaut und hatten meist richtige Dächer (in Cotonou sind die Dächer flach), selbst in Kleinstädten habe ich viele Gebäude gesehen, die ich in Cotonou, wenn überhaupt, so nur aus dem reichsten Viertel kenne. Insgesamt kam mir Ghana ein bisschen moderner vor, z.B. trugen im Gegensatz zu den Beninern sehr viel weniger Menschen afrikanische Stoffe. Außerdem machte alles einen geordneteren Eindruck. Als wir auf einem kleinen Markt waren, hatte ich das Gefühl, dass jeder Verkaufsstand wirklich seinen festen Platz hat und dass das Ganze nicht so ein Labyrinth mit vielen herumlaufenden Verkäufern ist. Und auch die Straßen wirken geordneter, da es in Ghana keine Mototaxis gibt, die sich links und rechts an den Autos vorbei schlängeln, sondern richtige Taxis oder Kleinbusse, und davon echt viele. Besonders in der Hauptstadt Accra hab ich mich auf den großen geordneten Straßen nach Europa zurückversetzt gefühlt. Das Bild war ein so anderes, als wie ich es vom letzten halben Jahr gewöhnt war! Dazu kamen noch viele Architekturen, die ich mir echt nicht in einem afrikanischen Entwicklungsland vorgestellt hatte.
Das Ganze hat mich ziemlich stark an meine erste Zeit in Benin erinnert. Es wird eine akzentvolle Fremdsprache gesprochen, man wird in Stammessprachen angequatscht, von denen man kein Wort versteht, man kennt weder die Währung noch die Preise,… Das mit dem Geld war auch so ne Sache. In Ghana zahlt man mit Cedi, und um irgendwie einen Vergleich zu Benin ziehen zu können, rechnete ich also zuerst von Cedi nach Euro und das dann in Francs um (so ungefähr: 5 Cedi sind ein bisschen weniger als 1 Euro und das macht etwas mehr als 600 Francs-Mathe läuft bei mir 🙂 ). Auf jeden Fall ist Ghana ein bisschen teurer als Benin. In beiden Ländern gibt es die gleichen Handytarifanbieter, die gleiche Eismarke, im Radio läuft dieselbe Musik,… es gibt neben den Unterschieden also auch ein paar Gemeinsamkeiten, die mir schnell aufgefallen sind.
Fazit
Das letzte halbe Jahr hat mir sehr gut getan! Erst mal macht die Arbeit in allen Projekten einfach so viel Spaß und die Kinder lassen es einen auch oft wissen, dass sie froh sind, dass man da ist. Mein Freiwilligendienst bis jetzt richtig gut gelaufen… ich hatte zum Beispiel nur sehr wenige Schwierigkeiten mit meinen Vorgesetzten hier, ich hatte kein Heimweh, und außerdem habe ich mir nur einmal einen Virus eingefangen und bin sonst die ganze Zeit gesund geblieben. Das alles ist nicht selbstverständlich und ich bin sehr dankbar dafür. Es ist toll, hier in den Schwesternprojekten Volontär sein zu dürfen. Seit 1992 wurden die Einrichtungen aufgebaut und das hat sich zu einem komplexen, aber echt gut laufenden System entwickelt. Die Zusammenarbeit mit dem Kommissariat, anderen Organisationen/Einrichtungen, Sponsoren,… ist super und das ermöglicht mir hier letztendlich, richtig als Volontär in diese Konstruktion reinzuschnuppern. In den Projekten darf ich mit dabei sein und die Kinder und Jugendlichen in ihrem Alltag begleiten. Ich bin nie alleine, es gibt immer fest Angestellte, die den Laden schmeißen und denen ich, so gut es mir ohne Ausbildung frisch vom Abi möglich ist, unter die Arme greifen kann. So viele der Kinder haben keine leichte Vergangenheit, das merke ich besonders im Foyer und in der Baraque SOS auf dem Markt, und gerade für diese Mädels ist es so wichtig, dass jemand für sie da ist. Wie gesagt, die Projekte sind gut ausgebaut und es gibt genügend Erzieher, Sozialarbeiter und Psychologen. Ich als Volontär darf ganz oft einfach nur die Rolle der großen Schwester mit einem offenen Ohr und einer Schulter zum Anlehnen für die Mädels einnehmen. Es geht mir also gut und ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Natürlich gibt es auch bei mir manchmal Situationen, in denen ich mich ärgere oder die einfach nur nervig sind, aber das sind Kleinigkeiten, die nicht der Rede wert sind.
Liebe Grüße,
Eure Barbara
Team Westafrika!
Verena Knofe
Hey barbara 🙂
Ich bin wirklich begeistert von deinem blog der sogar mein Nichtbloglesen überwindet 😉 da musste ich allerdings doch ein wenig schmunzeln als du von dem sehr geordneten ghana geschrieben hast…wenn das meine mama liest 😀
Ich bin schon sehr gespannt (und ein wenig aufgeregt haha) auf euer video und wünsch euch weiterhin so eine tolle zeit! Genieß jede sekunde.
Ganz liebe grüße, verena
Martin Hohler
Hey Barbara,
ich fand das Seminar wirklich auch klasse, genauso wie Deinen Blogeintrag hier. Ich versuche mal das Video bis nächste Woche fertig zu bekommen…
Beste Grüße und schöne Kar- und Ostertage.
Feier das Leben,
Martin