Hallöchen!
Lange ist es her, dass ich etwas von mir hören lassen habe. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Am 2. Dezember haben wir unsere große Reise gestartet. Gefühlt ganz Indien haben wir abgeklappert. Jetzt sind wir um einige Eindrücke, Geschichten und Begegnungen reicher.
Hier die ganze Reise zu beschreiben würde vermutlich etwas ausarten und wäre viel zu umfangreich, aber dennoch möchte ich euch unsere Route und ein paar Erlebnisse nicht vorenthalten.
Die Reiseroute:
- Flug von Guwahati nach Bangalore (2. Dezember)
- Coimbatore
- Kochi
- Kanyakumari
- Vilathikulam
- Salem
- Nilavarapatti
- Yercauld
- Chennai
- Vijayawada
- Goa – Arambol Beach
- Mumbai
- Jodhpur
- Jaisalmer
- Jaipur
- Agra
- Varanasi
- zurück nach Nongpoh ins Projekt (16. Januar)
In 6 ½ Wochen Reise durch Indien kann man schon viel von diesem Land entdecken. Auch wenn es vermutlich Jahre dauern würde bis man wirklich versteht was man da sieht. Ich kann euch sagen der Rest von Indien ist so anders im Vergleich zu dem Nordostern. Wo bei uns die Leute mit Jeans und T-Shirt herumlaufen, laufen die Frauen im Süden in bunten Saris oder Salwars herum, während die Männer bis zum Boden reichende Männerröcke tragen.
Dazu kommt, dass die Leute eine viel dunklere Hautfarbe haben und sie noch nicht so asiatisch aussehen wie hier.
Was mich sehr beeindruckt hat ist die Gastfreundschaft, die einem entgegengebracht wird. Egal wo man hinkommt die Menschen helfen einem immer gerne. Dazu eine kurze Erzählung:
Unser Zug fährt in den Bahnhof ein. Auf dem Schild steht Kovilpatti. Wir hören schon den Teeverkäufer schreien: „Chai-Chai-Chai“ Wir packen unsere sieben Sachen zusammen und stellen uns an die offene Tür. Wir betrachten das bunte Bahnhofstreiben. Unser Zug wird immer langsamer und langsamer. Die Inder springen schon alle aus dem Zug, aber uns ist das immer noch etwas unheimlich also warten wir lieber bis der Zug steht. Abgestiegen laufen wir erst einmal zum Ausgang. Unser Ziel für heute ist Vilathikulam. Das müsste eine Stunde von hier mit dem Bus sein. Als wir den Bahnhof verlassen kommen uns eine Menge Männer entgegen, die uns alle eine Riksha anbieten wollen. Wir schütteln den Kopf, was sich als Fehler herausstellt, weil hier alle mit dem Kopf wackeln, wenn sie „Ja“ sagen wollen. Trotzdem verstehen sie irgendwann, dass wir nicht mit ihnen mitfahren wollen. Zu dem jetzigen Zeitpunkt haben wir noch keine Ahnung wo und wann der Bus losfährt. Also fragen wir die Menschen. Dort steht ein junger Herr, der aussieht, als könnte er Englisch verstehen. Er zeigt in eine Richtung. Wir sehen ein paar Leute an einer Straßenecke warten und gesellen uns zu ihnen. Doch leider stehen auf den Bussen die Ortsnamen nur in tamilischer Schrift. Also fragen wir eine Frau in Sari, wie denn der Bus nach Vilathikulam aussehe. Die Frau freut sich riesig, dass wir sie angesprochen haben und meint, dass sie uns den Bus zeigen kann, wenn er kommt. Darauf beginnt sie uns ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Ich erzähle ihr, warum wir in Indien sind und hoffe, dass sie versteht, was ich sage. Nach einer Weile fährt ein Bus vorüber. Als er dann vorbei ist meint die Frau, dass das ihr Bus gewesen wäre. Sie sei allerdings nicht eingestiegen, weil sie uns ja zuerst noch unseren Bus zeigen müsse. Dann kramt sie in ihrer Tasche und holt einen Stift heraus. Sie gibt mir den Stift. Zunächst verstehe ich nicht und möchte den Stift nicht annehmen. Doch die Frau besteht darauf, dass ich ihn als Geschenk nehme. Kurz darauf fährt unser Bus ein. Wir steigen ein, winken der Frau ein letztes Mal und fahren davon. Eine schöne Begegnung!
Diese Frau hat mich so fasziniert. Sie hat mir erzählt, dass sie keine Familie mehr hat und dass sie so alleine ist. Anstatt aber verbittert zu sein ist sie so hilfsbereit, dass sie sogar ihren eigenen Bus verpasst nur um uns unseren Bus zu zeigen. Sie hat nur wenig. Trotzdem beginnt sie in ihrer Tasche zu kramen, um wenigstens einen Stift verschenken zu können. Von solchen Leuten könnte man so viel lernen. Solche Begegnungen zeigen mir wie viel Gutes in der Welt existiert. Und ich finde er könnte gerade in Deutschland mehr davon geben.
Auf unserer Reise haben wir nicht nur Urlaub gemacht, sondern haben auch fast alle anderen indischen Projekte unserer Mitvolos besucht. Das fand ich wahnsinnig interessant und wunderschön. So konnten wir einen Einblick in die Arbeit unserer Kollegen gewinnen und uns Ideen und Methoden abschauen. Außerdem war es total cool sich austauschen zu können. Spannend fand ich auch den Unterschied zwischen den Projekten auf dem Land und in der Stadt, zwischen Jungs- und Mädelsprojekten und zwischen Projekten geleitet von Fathers oder Sisters. Trotzdem muss ich auch sagen, dass die Strukturen und Abläufe überall ähnlich sind. Überall gibt es die Study Time, die Games Time, die kleinen Jobs und das Beten.
Ab Goa wurden wir von einem Reiseduo zu einem Reisetrio, weil meine Schwester mich besuchen gekommen ist. Das hat mich riesig gefreut und wir hatten wie ich finde eine wunderschöne Zeit. Goa an sich war ziemlich abgefahren. Dort sind tatsächlich, so wie man sich das vorstellt, lauter mit Drogen vollgepumpte Weiße wie auch Inder im Hippie- Style herumgelaufen. Wir haben einfach die Sonne, die Palmen und das Meer genossen, denn der Strand war traumhaft schön.
Silvester in Mumbai war etwas anders, als wir uns das vorgestellt hatten. Schon zuvor ist uns aufgefallen, dass man nirgendwo Feuerwerkskörper kaufen konnte. Als wir dann um fünf vor zwölf aus unserem kleinen Restaurant rausgeworfen wurden, waren wir dann gänzlich verwirrt. Um Punkt zwölf liefen die Inder wie an jedem anderen Tag eilig durch die Straßen, ohne Notiz davon zu nehmen, dass das neue Jahr begonnen hatte. Die zwei Raketen, die weiter weg in die Luft gingen schien sie dabei auch nicht aus der Ruhe zu bringen, das kommt bestimmt öfter vor. Somit stießen wir an diesem Silvestertag um zwölf mit unserem Saft an und lagen um halb eins im Bett und schliefen. Ich muss sagen ich freue mich schon wieder auf das Silvester nächstes Jahr. Da wird dann das Diesjährige nachgeholt.
Im Norden haben wir uns dann die verschiedenen Paläste und Forts der Wüste Thar angesehen, die Geschichten von den verschiedenen Rajas (Königen) erzählen. Bis heute existieren diese Königsfamilien noch. Die Kamelsafari fiel für mich leider aus, da es mich ziemlich erwischt hatte. Die Inder würden schicksalsergeben sagen „What to do?“. Doch Anita und Jojo berichteten mir dann danach.
Für mich war das berühmte Taj Mahal in Agra definitiv ein Highlight der Reise. Das riesige Gebäude aus weißem Marmor ist nicht umsonst auf der ganzen Welt bekannt. Der Großmogul Shah Jahan ließ es einzig für seine Lieblingsfrau als Grabmal errichten. Da sieht man wieder, wie wichtig den Hindus das Leben nach dem Tod ist.
Richtig beeindruckend fand ich auch unseren letzten Stopp in Varanasi. Dort konnten wir eintauchen in die Riten und Bräuche der Hindus und die Religion hautnah miterleben. Vom Boot aus konnten wir beobachten, wie sich die Inder ihrem heiligen Bad im Ganges widmeten und man konnte ihnen ansehen, was für eine große Bedeutung für sie in diesem Ritual liegt. Es heißt, dass sie sich durch das Bad von all ihrem schlechten Karma reinwaschen können. Deshalb ist es für viele Hindus auch ein großes Lebensziel einmal nach Varanasi zu kommen und dort zu baden. Gleichzeitig werden am Flussufer die Leichen verbrannt. Es heißt, dass die Toten aus dem ewigen Lebenskreislauf an den die Hindus glauben, befreit werden, wenn ihre Asche in den Ganges geworfen wird. Die ganze männliche Familie ist anwesend und feiert mehr oder weniger die Verbrennung des Angehörigen. Alle unterhalten sich angeregt und keiner scheint besonders traurig zu sein. Frauen sind nicht anwesend. Ihnen wird nachgesagt zu emotional zu reagieren. Der Familienvater beginnt indem er die Fackel mit dem teuer gekauften heiligen Feuer auf den Toten richtet bis er zu brennen beginnt. Berührt wird der Körper nur von dem Arbeiter, der dafür zuständig ist die Leiche zu verbrennen und dann die Asche in den Ganges zu werfen. Dieser Job kann nur von einem Kastenlosen verrichtet werden, da er als unrein gilt.
Verrückt, spannend, unglaublich faszinierend. So funktioniert lernen aus der direkten Nähe. Stoff zum Nachdenken hatten wir dann auf jeden Fall auf unserer 22-stündigen Zugfahrt zurück nach Guwahati.
Zurück in Nongpoh in unserem Projekt wurden wir super herzlich von den Schwestern und den Kindern, die über die Ferien dageblieben sind begrüßt. Wir haben richtig gemerkt, dass es sich anfühlt wie heimzukommen. Ein gutes Gefühl. Wir haben unseren Platz hier gefunden und gehören zu der Gemeinschaft dazu.
Wie ihr seht ist viel passiert. Und natürlich auch nach dem 16. Januar. Irgendwie habe ich keine Zeit gefunden zu schreiben, denn es war immer sehr viel los. Wahrscheinlich kommen bald Updates, aber seid bitte geduldig mit mir. 🙂
Maria Thomas-Rossi
Liebe Vroni, so eine spannende Geschichte, danke!!! Pass gut auf Dich auf und geniess noch Deine Zeit! Alles alles Liebe, Maria
Veronika Dötsch
Danke liebe Maria, das werde ich auf jeden Fall! Bis bald, Vroni
Johanna
Herzlichen Dank für Deine berührende Geschichte und Deine offene Art zu erzählen. Da weht mir glatt etwas Menschsein um die Nase 🙂
Veronika Dötsch
Das freut mich 🙂