Als Volo in Argentinien

Buenos Aires | Villa Regina Río Negro

Herbst und Winter

Mein Jahr in Villa Regina neigt sich langsam dem Ende und ich möchte gerne darüber schreiben wie mein Alltag nach knapp 10 Monaten im Projekt aussieht.

Ich habe mir Ende letzten und Anfang diesen Jahres viele Gedanken gemacht, was ich tun muss um ein guter oder gar “perfekter” Volontär zu sein. Gedanken darüber ob es ausreichend sei nur Fußball oder Karten zu spielen und ob es gut oder schlecht ist, Dinge anders als die Erzieher*innen zu regeln. So klein diese Gedanken jetzt für mich klingen, haben sie mir in dieser Zeit viel Motivation und Spaß an dem Volontariat geraubt.
Als im Februar/März schließlich das Zwischenseminar anstand habe ich mich zwar sehr gefreut, hätte aber nie gedacht, dass es eine so hilfreiche, von Problemen loslassende und motivierende Woche werden würde. Ähnliche Erfahrungen und der viele Austausch haben mich mit viel Freude in das Projekt zurückgeschickt.

Eine kleine Bildergalerie zum Zwischenseminar in Cochabamba | Bolivien 🇧🇴

Beschäftigungen mit den Kindern und Jugendlichen

Mein Alltag hat sich seit letztem Jahr nicht viel verändert. Am Morgen gehe ich weiterhin in das Wohnheim um mit den Jungen im Grundschulalter Hausaufgaben zu machen. Auch wenn es oft schwierig ist die Kinder zu motivieren macht mir dieser Teil des Tages mit am meisten Spaß. Vielleicht weil es die Momente sind, bei den ich mir am ehesten erhoffe etwas mitgeben zu können. Neben Rommé, bei welchem es mich positiv überrascht wie viele Jungs es bereits von klein auf super beherrschen, vertreiben wir uns, jetzt wo es Herbst und Winter wird, immer mehr mit Puzzeln und Zeichnen im Heim die Zeit.

Für Fußball ist die Lust dennoch weiterhin groß. Fast größer als im Sommer, wobei man das bei regelmäßigen 40ºC und wolkenlos nicht verübeln konnte. Derzeit ist es tagsüber um die 15ºC und in der Nacht oft einstellig. So richtig Winter ist es aber nicht. Ich kann mich kaum an Tage erinnern an welchen der Himmel nicht blau und ein wenig bewölkt war, als würde man in einer konstanten Jahreszeit mit Ausnahme des heißen Sommers leben.
So langsam habe ich bei Fußball auch eine Chance, vorausgesetzt ich spiele gegen 6-10 Jährige. Den Spaß daran habe ich aber auch gefunden, was ich vor dem Jahr nicht ganz erwartet hätte.
Von Außen betrachten wirken die Kinder und Jugendlichen beim Fußball spielen so, als würden sie in eine andere Welt abtauchen in der jeder mit jedem, unabhängig vom Alter, miteinander auskommen kann. Ein wenig neidisch bin ich auch, wie die absolute Mehrheit gekonnt mit dem Ball umgehen kann.

Streit und Schimpfwörter

Ich denke es ist nicht ganz unnormal, das man beim Sprachen lernen Schimpfwörter schneller lernt als andere Begriffe. Mir ist aber schnell aufgefallen, dass besonders im Wohnheim eine Vielzahl an Beleidigungen zum Alltag gehören. Unter anderem denke ich, dass sie besonders von den Heimkindern als schnellster und einfachster Weg genutzt werden um Frust und Wut weg zu schreien. Auch weil man tagtäglich von so vielen andern Jungen umgeben ist und man sich eben nicht einfach mal in seinem eigenen Zimmer abreagieren kann.
Ich nehme es also nicht immer ganz so übel, wenn einem Kind mir gegenüber ein Schimpfwort herausrutscht. Im gleichen Moment möchte ich auch nicht, dass es als normal oder konsequenzlos angesehen wird einen Erwachsenen zu beleidigen, wodurch es auch schnell mal als Strafe zum Spielausschluss kommen kann, wobei es sich dabei nur um die Kinder am Morgen handelt. Denn der generelle Umgang zwischen Gleichaltrigen und Freunden ist in Argentinien sehr locker was das Beschimpfen untereinander angeht.
Über allem schwebt das Wort “boludo” – Idiot, Trottel – und dann folgen eine Vielzahl an vernuschelten Schimpfwort-Hypriden, die ich wahrscheinlich nie verstehen werde. Es ist für mich dementsprechend weder ganz untypische noch sehr verletzend, wenn ich von den Jugendlichen mit einer kleinen Beleidigung begrüßt werde, woran ich mich aber auch erst einmal gewöhnen musste.

Die Padres im Projekt

Mit den Salesianer habe ich bezüglich der Arbeit wenig zu tun. Denn die vier Padres haben unterschiedliche Tätigkeiten und Projekte, die in oder um Villa Regina liegen.
In den letzten Monaten kam unteranderem auch ein neuer Padre in das Projekt – Padre Ding. Er übernimmt jetzt für einige Jahre den Platz von Padre Dydu, welcher nun, nach 4 Jahren in Villa Regina, in einer anderen Provinz arbeitet.
In welchen Projekten die Salesianer in Zukunft tätig werden, wird, sofern ich es aus Gesprächen richtig entnommen habe, von Rom aus entschieden. Es handelt sich immer um vier bis acht Jahre an einem Ort, an welchem sie mit anderen Salesianer in einer Gemeinschaft leben. Zusammenfassend würde ich ihre Arbeit, in die Kirchgemeinden und als Ansprechpersonen für die Schulen, Heime und Projekte einordnen.
Das gemeinsame Mittagessen bei den Padres am Sonntag gehört weiterhin zur Wochentradition.

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  1. Gertraud Jermutus

    Lieber Sebastian, danke für Deinen interessanten Eintrag!!!! Ich freue mich schon sehr darauf, wenn wir uns sehen und Du von Deinen Erfahrungen erzählst. Die Bilder sind auch beeindruckend. Ich wünsche Dir noch gute Begegnungen in den letzten Wochen. Gertraud

  2. Hallo Sebastian, Deine Worte werde ich direkt an Deine Nachfolger schicken- diese Suche nach dem eigenen Stil, dem eigenen Weg als Volontär ist für viele eine Herausforderung. Umso mehr freut es mich zu lesen, dass es nach dem Zwischenseminar für dich viele aufgebrochen wurde. Und jetzt ist es nur noch eine ganz kurze Zeit, bevor wieder eine neue Rolle auf dich wartet. Alles Gute für die letzten Tage!

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