Von Mitte März bis Ende April haben meine Mitvolontärin eine neue Erfahrung machen dürfen und in der Stadt Akhalzikhe gelebt. Obwohl die Stadt nicht viel größer als Neckargemünd ist, war es schon ein großer Kontrast zum Leben in dem kleinen Dorf Khisabavra, das nur eine Autostunde entfernt liegt. Der Titel ist aber übertragen zu verstehen, denn Dank der kleinen Größe, der großen Höhe und der Natur ringsherum unterscheidet sich die Luftqualität in Akhalziche deutlich von der beispielweise in Tbilisi.
In Akhalzikhe durften wir bei drei Schwestern der Sant Nino Kongregation wohnen, die uns wirklich sehr herzlich aufgenommen haben und uns gleich zu Beginn ein fröhliches „Bienvenue“- Lied gesungen haben. Am Tisch wurde französisch, Suaheli, georgisch und mit uns Englisch gesprochen. Die beste Kommunikationsart war aber oft das gemeinsame Lachen, das den Aufenthalt dort wirklich einzigartig hat werden lassen. Für mich war es sehr schön, so noch ein bisschen internationalen Spirit einzuatmen und ihre Geschichten kennenzulernen. Mich hat die liebevolle Art, der Humor und die Lebenszugewandtheit der Schwestern sehr beeindruckt.
Tagsüber sind wir mit den Schwestern in das Projekt gegangen.
Das Zentrum ist in der Region ziemlich einmalig: Oft ist es die einzige Möglichkeit für die Betreuten, raus zu kommen von zu Hause: Viele von Ihnen leben in Dörfern, in denen es vor der Haustür keine geteerten Straßen gibt und es daher sehr schwer oder unmöglich ist, mit dem Rollstuhl vor die Tür zu fahren. Daher ist der Fahrservice des Zentrums eine große Erleichterung.
Beeindruckt hat mich der sehr liebevolle Umgang mit den Betreuten und die Begegnung auf Augenhöhe. Es gibt einen Ort, an dem die Betreuten – die sonst oft eher ausgeschlossen und einsam sind – ein Ohr für ihre Geschichten, Wertschätzung und einen Austausch untereinander finden.
Alexandra und ich waren in den verschiedenen Gruppen dabei, haben ein bisschen mitgeholfen und uns vor allem mit den Menschen unterhalten oder einfach zugehört. Große Dienste haben wir also nicht geleistet, aber ein bisschen Aufmerksamkeit geschenkt. Eine kleine Freude für die Menschen waren wir glaube ich trotzdem, sie haben uns schnell in ihr Herz eingeschlossen. Für mich waren die Begegnungen eine sehr große Bereicherung.
Was ich verstanden habe? Dass Menschen mit Behinderung so normal, vielfältig und individuell sind wie alle Menschen und ich werde die Menschen, mit ihrem fröhlichen Lachen und Tanzen, dem philosophischen Grübeln, den großen Träumen, leidenschaftlichen Bitte und der schüchternen Umarmung sicher nicht so schnell vergessen.
Erleichternd war für mich in Akhalzikhe, einmal die feste Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. In meiner freien Zeit konnte ich also tun, was ich wollte – ohne ein schlechtes Gewissen zu haben 😉
So habe ich manchmal einen Chor besucht, bin ins Theater gegangen und habe sehr nette junge Student*innen kennengelernt, mit denen ich mich angefreundet habe. Es tat gut, auch mal ein bisschen Kultur und Stadtluft zu schnuppern und das Land von einer ganz anderen Seite kennenzulernen, wie ich sie aus dem Dorf kannte.
Inspiration habe ich aus Akhalzikhe wieder mit ins Dorf genommen, wo wir ab Mai wieder waren: Denn im Zentrum in Khisabavra gibt es auch eine kleine Gruppe für Erwachsene mit Behinderung. Aus Achalziche habe ich viel Selbstvertrauen mitgenommen und gute Ideen von Seiten der Therapeut*innen, sodass ich danach nun viel mehr Zeit mit dieser Gruppe verbracht habe. So haben wir jetzt z.B. auch ein paar Mal mit den Menschen getöpfert oder zusammen Lieder gesungen.
Ein Höhepunkt war, als mich meine Familie über Ostern für zwei Wochen besucht hat. Hat es auch anfangs ein bisschen gebraucht, sich wieder aneinander zu gewöhnen, war es eine wunderbare bunte Zeit. Zusammen konnten wir ein bisschen das Land bereisen und ich konnte einfach mal Touri sein. Toll war, als mein Onkel als Überraschungsgast dazu gekommen ist: Besonders wertvoll für mich war sein Enthusiasmus für die Natur und den Wald des Kaukasuses.
Am berührendsten für ich aber war, als wir an Ostern zusammen in Khisabavra waren, meine Familie dort die Menschen kennenlernen konnten. Wir haben zusammen im Gottesdienst gesungen, meine Mutter und ich haben den Abend und die Nacht bei Msia (wie eine Gastmutter für mich) verbracht, mein Papa hat zusammen mit Jemali Cha-Cha getrunken und mein Bruder und ich haben abends zusammen mit den Jugendlichen Fußball gespielt. Der Besuch war für mich wie eine Brücke zwischen meiner Familie und meinem zu Hause in Deutschland und den Menschen, die mir hier wichtig geworden sind.
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