Liebe Blog-Leser,
lange habe ich hier nichts mehr von mir hören lassen. Das ist kein Grund zur Sorge. Meine Eltern pflegen zu sagen: „Wenn unsere Kinder nichts von sich hören lassen geht es ihnen gut“. Frei nach diesem Motto habe ich die letzten Wochen also viele Geschichten erlebt von denen ich euch nun erzählen kann.
Ich werde heute von einem wöchentlichen Ritual schreiben, das mich seit meiner Ankunft begleitet. -Nein, ich möchte nicht vom allwöchentlichen Kleidungwaschen mit Hand und Kernseife erzählen. Obwohl mich auch das schon zwei Monate begleitet und meist relativ viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich habe mich aber für etwas Interessanteres als Eimer voller Wasser, Seife einreiben und auswringen entschieden. Meinen Freiwilligendienst in Benin macht die christliche Trägerorganisation Don Bosco möglich. Hier arbeite ich in den Einrichtungen der Don Bosco Schwestern in Cotonou. Deshalb wird es sehr gerne gesehen wenn ich jeden Sonntag in die Kirche gehe. Die Idee einen Blogeintrag über eine Messe in Benin zu schreiben kam mir letzte Woche als ich wegen der Amtseinführung eines neuen Pfarrers einen besonders festlichen 3-stündigen Gottesdienst erleben durfte. Viele Teile waren auf Fongbe (Stammessprache), sodass ich nichts verstand. Während ich bei der Hitze sehr froh war in der Nähe eines Ventilators zu sitzen, hatte ich viel Zeit mir Gedanken zu einem neuen Blogeintrag zu machen.
Vorurteile beschreiben eine afrikanische Messe wohl mit viel Gesang, Tanz und Gospelchor. – Ganz so ist es nicht!
In der Kirche, die wir (meine Mitvolontärinnen Barbara, Gina und ich) besuchen, finden jeden Sonntag vier Messen statt. Die erste beginnt um 7:30 Uhr. Die Uhrzeit ist aber nicht der einzige Grund weshalb wir noch nie in der Messe waren. Der Gottesdienst ist auf Fongbe, deshalb würden wir nichts verstehen. Über den Tag verteilt finden noch eine Kindermesse, eine Messe für Jugendliche und für Erwachsene auf Französisch statt.
Meistens sind wir bisher in den Gottesdienst um 9 Uhr für Kinder gegangen. Wenn wir pünktlich sind machen wir uns zusammen mit den Mädchen aus dem Mädchenheim von unserem Gelände auf den Weg. Wir laufen ungefähr 15 Minuten die Sandwege entlang. Desto näher wir zur Kirche kommen desto enger und lauter wird es. Richtige Menschenströme sind auf dem Weg zur Messe. Einige kommen mit Autos, andere Kirchgänger werden von den Mototaxis gebracht und daneben viele Fußgänger. Als wäre es so nicht schon eng genug stehen Verkaufsstände und Marktverkäufer an den Wegrändern. Sie bieten von Früchten über Frittiertes bis zu Haushaltsprodukten unterschiedliche Waren an. Bei all dem Gewusel fällt eines auf: alle Kirchgänger von klein bis groß sind besonders schön gekleidet. Die Menschen haben ihre Sonntagskleidung an. Das heißt die Männer und Jungs tragen Oberteil und Hosen im gleichen bunten Stoff und die Frauen und Mädchen tragen Kleider oder Röcke manchmal mit einem Tuch als Kopfschmuck umgebunden. Ähnlich gekleidet sind viele Einheimische hier auch unter der Woche. Was es am Sonntag neben edleren Stoffen und aufwendigeren Schnitten besonders macht ist, dass jeder seine guten Schuhe trägt. Die Flip-Flops von unter der Woche werden durch gut geputzte schicke Schuhe und bei einigen Frauen und auch bei vielen noch sehr kleinen Mädchen durch Absatzschuhe ausgetauscht. Auch die Mädels aus dem Foyer (Mädchenheim) sind heute besonders schön angezogen. Natürlich tragen auch wir drei mittlerweile unsere geschneiderten Kleider aus bunten Stoffen.
Die Kirche gleicht eher einer großen Halle. Es stehen viele Holzbänke darin mit Kniebänken zum Herunterklappen. Im Altarraum hängt eine etwa 5 Meter große Jesusfigur.
Besonders gut gefällt mir der Tabernakel, er ist geformt wie eine Lehmhütte mit Schilfdach. Die Gläubigen sollen an ihre Hütten erinnert werden. So wird verbildlicht, dass Jesus bei ihnen zuhause ist.
Die Messe beginnt um 9 Uhr. Wir sitzen neben den Mädels aus dem Foyer in der Bank. Bis jetzt sind noch einige andere Bänke leer. Der Gottesdienst beginnt mit den ersten Tönen die von der Empore erklingen. Jede Woche singt ein Kinderchor begleitet von E-Piano, Trommeln, Schlagzeug und Rhythmusinstrumenten. Dabei fängt die Kirchengemeinde dazu das Klatschen an. Dabei ist es wichtig mit den Ellbogen immer wieder nach hinten zu schwingen. Während dem ersten Lied ziehen sechs Ministranten-Jungs zusammen mit meist fünf Geistlichen ein. In der ersten Viertelstunde füllt sich die Kirche dann bis auf den letzten Platz, sodass in der Kindermesse über 2000 Kinder und Eltern sind. Außer es regnet, an so einem Sonntag sind es dann nicht mal halb so viele Kirchenbesucher. Der Messablauf ist der gleiche wie in Deutschland bei einem katholischen Gottesdienst nur eben auf Französisch.
Für die Lieder hat niemand ein Gotteslob. Einige können die Texte der Lieder auswendig und die Anderen klatschen und bewegen sich leicht im Rhythmus.
Während der Messe ist es durch das Hallen des Mikrofons schwer alles zu verstehen. Gerne betrachte ich nebenher all die bunten Stoffe, vor allem aber die Menschen. Welche Geschichte hat wohl jeder Einzelne? – Das etwa 8-jährige Mädchen, dass seine kleine Schwester mit einem Tuch auf dem Rücken gebunden trägt; der 11-jährige Junge, der seine Augen zusammen kneift um besser zu sehen; die vier Brüder, die alle im selben Stoff gekleidet sind; das Baby mit seiner 20-jährigen Mutter und einer etwa 40-jährigen Großmutter daneben- In der Zeit des Gottesdienstes kann ich viele unterschiedliche, fremde Menschen wahrnehmen. Jede Woche passiert es mir, dass ich mich irgendwann weit weg vom Gottesdienst in meinen Gedanken in der möglichen Vergangenheit oder der Zukunft von manchem Kirchgänger finde.
Zur Predigt nimmt sich der Pfarrer gerne ein kabelloses Mikrofon und geht direkt zu den Bänken der ersten Reihen um die Kinder mit einzubeziehen. Es werden Verständnisfragen zur Lesung gestellt. An Allerheiligen zum Beispiel wurden die Kinder gefragt was sie tun um in den Himmel zu kommen. Schnell machten sich einige Kinder auf den Weg zum Priester. Die Antworten waren: „Meine Eltern lieben“- „Beten“- „Die Bibel lesen und befolgen“. Für die kleinen Persönlichkeiten von vielleicht 6-11 Jahren waren das schon sehr reife Antworten. Richtige Antworten werden anschließend mit einem Applaus der Gemeinde belohnt. Besonders schön war die Predigt eines Pfarrers über den Frieden. Er führte dabei die Liedzeile „Shalom, shalom – la paix. La paix, la paix- shalom.“ ein. Die Gemeinde sang bei jeder Wiederholung während der Predigt mit. Text und Melodie blieben gut im Kopf sodass wir auch noch auf dem Nachhauseweg durch die Sandwege zusammen mit den Foyermädchen über den Frieden gesungen haben.
Nach der Kommunion folgen zwei Sammlungen und die Ankündigungen für die nächste Woche. Anschließend beendet der Segen die Messe und die Geistlichen und Ministranten ziehen bei einem schwungvollen Lied begleitet durch Kinderstimmen und Klatschen nach ca. 1,5 Stunden Gottesdienst aus. Auch wir verlassen die Kirche vorbei an einer Spendenbox mit der Aufschrift: „Caritas dons aux pauvres“ („Caritasspende für die Armen“). Jede Woche gibt es mir hier einen kleinen Riss, weil man wohl viele der Kirchenbesucher als arm bezeichnen könnte. Ich gehe weiter durch die Türe und schaue in die Gesichter. Viele der Menschen grüßen sich untereinander und halten einen kurzen, fröhlichen Plausch. Einige Kinder gehen zusammen mit ihren Eltern Hand in Hand nach Hause, andere hüpfen in kleinen Gruppen zusammen weg von der Kirche. An meinen beiden Händen ist jeweils ein Mädchen aus dem Foyer. Auf dem Weg zu unserem Gelände reden wir über die Messe und singen. Öfter muss ich eine Hand loslassen und winke den Kindern auf dem Weg, die mich begrüßen wollen. Häufig bekomme ich ein Strahlen des Kindes zurück. Ganz schnell wird mir bei diesen Anblicken klar, dass hier keiner arm ist. Die Menschen stellen keine Fragen wie: warum hat Gott diese Situation zugelassen. Viel mehr glauben sie an einen Gott der ihnen Kraft gibt um die Herausforderungen durchzustehen. Diese Einstellung beeindruckt mich und berührt mich jeden Sonntag.
Der Gottesdienst wird geprägt von der festlichen Stimmung durch viele Lieder in fröhlicher oder anmutiger Stimmung, durch die schick gekleideten Menschen und vor allem durch den Glauben der Menschen. So darf ich hier jede Woche Messe wirklich FEIERN.
Mama
Liebe Marie-Luise,
du beeindruckst mich immer wieder, wie du deine Erlebnisse und deine Gedanken in Worte fassen kannst. Ich bin stolz auf dich.
Deine Mama
Martin
Hey Marie-Luise,
Sehr cool! Und vor allem hübsches Kleid! Auch mich beeindruckt der so tiefe Glauben vieler Menschen die einfach gar nichts haben sehr.
Viele Grüße (auch an die Anderen 2)
Martin
P.S. cooler Blog-Titel 👌✌️
Gitte
Du schaffst es jedesmal mich mit Deinen Erzählungen mitten hinein in ein fernes , fremdes Land zu versetzen . Weiter so ! Das KiGo – Team hat deinen derzeitigen Lebensraum ja auch thematisiert und unsere Mädels haben mir danach jede Menge erzählt
Anton Breuer
Hola Marie-Luise, und viele Grüße aus einem der katholischsten Ländern der Welt: Kolumbien. 😊
Wirklich sehr gut geschrieben… Das Klatschen im Gottesdienst kommt mir auch sehr bekannt vor. 😅
Ich wollte dich einmal fragen, ob du schon mal mit solchen Fragen konfrontiert würdest, die mir grad ganz schön zu denken geben:
„Siehst du wie groß und schöner die Kirche gebaut ist, und wie schlecht es den Menschen rundherum geht, die davor auf der Straße liegen? Wie kannst du nur an Gott glauben und zur Messe gehen?“
Ansonsten einen schönen Freiwilligendienst.
Anton
Gertraud Entorf
Hallo Marie-Luise
ich habe von Deiner Mutter von Deinem Aufenthalt in Benin und von Deinem Blog erfahren. Mit großem Interesse habe ich Deine Beschreibungen gelesen.
Du leistest dort eine ganz wichtige Aufgabe. Großen Respekt!
Herzliche Grüße aus der Heimat
Gertraud Entorf