Es ist Freitagmorgen, 8:00 und der Kinyarwandaunterricht beginnt. Gerade hält sich meine Motivation sehr in Grenzen. Doch da kommt schon meine Rettung, denke ich: gleich 10 Kinder kommen in den Klassenraum gestürmt, weil sie nicht zur Schule gehen (entweder haben sie keine Uniform, keinen Bock oder auch einfach erst Nachmittags Unterricht und wollen hier etwas Lernen.) Leider scheine ich die einzige zu sein, die sich freut. Mein Kinyarwandalehrer ist genervt, und der Schulleiter kommt auch noch angesäuert herein. Er macht sich Sorgen um die Ordnung im Klassenraum, also muss ich die Kinder wieder rausschicken. Weil ich das aber mit meinem Gewissen nicht so ganz vereinbaren kann, die Kinder wollen schließlich grade freiwillig Lernen, und die Kinder jetzt draußen rumlungern und die VTC-Schüler beim Lernen nerven und ich ja sowieso meinem Unterricht entkommen will, sage ich Valentina und unserem Lehrer, dass ich gleich zurück bin und den Kindern nur kurz etwas zu tun gebe. Wie hätte ich da ahnen sollen, dass das Ganze wortwörtlich ins Wasser fallen sollte?! Aber schnell nochmal einen Schritt zurück:
Ich fange also an die Kinder auf dem Volleyballplatz zu versammeln. Wie gestaltet man jetzt einen möglichst sinnvollen „Unterricht“, für Kinder, die zwischen 5 und 15 Jahre alt sind, der 8-jährige schon bis 100 Rechnen und fließend Lesen und Schreiben kann, der 11-jährige aber noch nie eine Schule von innen gesehen hat?! Zu Beginn ein Energizer kann nie schaden und ist einfach super zum Englischlernen. So fange ich an: „Going on a Tigerhunt – I´m not afraid – look: What´s that ahead? – A river – we have to swim it! “ Mein Kinyarwanda reicht zum Glück für die Erklärung: to swim = koga! „Ah Koga, Lina kannst du schwimmen“ „Ja kann ich, Eric, und du?“ „Ich auch- da unten in Mukura kann man schwimmen – lass uns dahin schwimmen gehen!“ Sofort brechen auch die anderen Kinder in Begeisterung aus von der Idee. Und ich denke mir: Wieso nicht? Mit der Einstellung und voller Euphorie brechen wir sofort auf. Ich ohne einen Plan, wohin und was auf mich zukommen wird. Und wir müssen wohl auch ein ziemlich komisches Bild abgegeben haben, wie wir da durch Rango spaziert sind. Unser Umuzungu=Weißer mit jeweils einem Kind an der Hand und 8 anderen drumherum. Die Meisten auch noch Straßenkinder. Doch fröhlich wie selten zeigen die Kinder mir verschiedene Ecken in Rango, die ich noch gar nicht kenne. Wir lernen auf dem Weg außerdem ein bisschen Englisch und Kinyarwanda (Muhire is behind the tree) und bekommen Zuwachs von ca. 5 weitere Kindern, die uns auf unserem Weg begegnen.
Nach 10 Minuten bergab haben wir im Tal unser Ziel erreicht: eine braune, undurchsichtige Suppe – auch Fluss genannt- erwartet uns. Und ich kann gar nicht schnell genug gucken, da haben die ersten schon ihre Klamotten weggeschmissen (oder die Hose eben angelassen) und springen ins Wasser. Voller Freude fangen sie an in dem ca 1m tiefen Wasser zu planschen und zu tauchen, rauszukommen und wieder reinzuspringen. Richtig schwimmen? Das kann keiner von Ihnen, aber ich gucke genau hin, dass auch jedes Kind wieder auftaucht. Ist es nämlich einmal unter Wasser sieht man nichts mehr von ihm, so schmutzig ist das Wasser. Es trauen sich auch nicht alle Kinder ins Wasser, 2 Jungs bevorzugen es lieber von draußen zuzugucken – sie können nicht schwimmen. Also bringe ich sie dazu, zumindest mal bis zum Popo ins Wasser zu gehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Ca eine halbe Stunde geht das Geplansche weiter und ich freue mich bei jedem Lachen mindestens doppelt so viel, wie die Kinder selbst. Schließlich ist aber allen ziemlich kalt und wir machen uns wieder auf den Heimweg. Immer schön bergauf stampfen wir sportmachend wieder zurück. Leider legt sich nun auch die gute Stimmung ein wenig. Waren die Kinder vorher noch eine unglaublich süße Gruppe, die miteinander gespielt und im Wasser geholfen haben, fangen die ersten Streitereien wieder an und das Gequängel geht los. Trotzdem fragen die Kinder, wieder im VTC angekommen, ob wir Morgen wieder schwimmen gehen, dann auch mit Valentina! Bis zum nächsten Tag bin ich mir dann zwar der Gefahren, des unglaublich verschmutzten Wassers und seiner Krankheiten bewusst geworden, doch den Spaß, den wir an dem Tag hatten, kann uns keiner mehr nehmen. Auch haben die Kinder und ich uns so noch mal anders und besser kennengelernt, weil wir nicht immer nur im VTC aufeinanderhocken.

Mit dieser kleinen Geschichte aus meinem Leben hier möchte ich euch zeigen, warum ich meine Kinder hier so liebe und jede Sekunde mit ihnen genieße, egal wie anstrengend sie manchmal auch sein können.

 

Fotos von ein paar Impressionen zum Beispiel von unserem Karneval/Fasnacht hier, folgen sobald ich besseres Internet habe! Ganz liebe Grüße, eure Lina