Jetzt sind schon fast drei Wochen vergangen seitdem ich in Medellín angekommen bin und ich habe schon so viel erlebt, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. An jedem Tag der Woche bekomme ich so viele neue Eindrücke von dieser riesigen, bebenden, leuchtenden Millionenstadt.

Oft fällt es mir schwer, sie alle bis zum Tagesende zu verarbeiten. Umso schwerer fällt es mir, das erlebte in diesem Blog zusammenzufassen. Deshalb möchte ich klarstellen, dass alles hier geschriebene nur meine persönlichen, subjektiven Eindrücke von Medellín sind. Auch wenn ich hier für acht Monate leben werde, sehe ich in dieser Zeit wahrscheinlich nur einen Bruchteil dieser unglaublich vielfältigen Millionenstadt. Dadurch ist es für mich praktisch nicht möglich, die Geschehnisse und das Bild der Stadt neutral darzustellen. Hier kann ich dir schon mal einen Vorgeschmack von Medellín geben, allerdings wären deine Eindrücke von der Stadt vielleicht ganz anders.

„El Medallo“

Mit 4,6 Millionen Einwohnern ist Medellín die Hauptstadt der Region Antioquia im Nordwesten Kolumbiens. Die Stadt ist im Prinzip schüsselförmig aufgebaut: Die Innenstadt liegt inmitten eines länglichen Tals und die Barrios erstrecken sich über die seitlichen Berge, die die Stadt eingrenzen. Dadurch kann man von dort oben einen riesigen Teil der Stadt überblicken.

Die Ciudad Don Bosco, wo ich wohne und arbeite, liegt am nordöstlichen Stadtrand von Medellín, mitten im Barrio „Robledo Aures“. Von hier kann man also jeden Abend ein Lichtermeer als Ausblick genießen:

El derecho a soñar

Tatsächlich arbeite ich im Moment gar nicht hauptsächlich in der Ciudad Don Bosco selber, sondern in anderen Einrichtungen der Organisation in anderen Stadtteilen. Die letzten zwei Wochen über habe ich immer meinen Mitfreiwilligen Alex begleitet, da er von Dienstag bis Donnerstag wie ich im Projekt „derecho a soñar“ tätig ist. Dieses ist zweigeteilt in eine Einrichtung im Viertel „El Salado“ und eine in der Innenstadt.

Im „Salado“ helfen wir bei der Tagesbetreuung von Kindern im Altern von ca. 7-12 Jahren. Das Barrio ist Teil der „Comuna 13“, eines der ärmsten Viertel der Stadt. Um den Kindern in ihren schwierigen Lebensumständen zu helfen, wird ihnen psychologische und pädagogische Hilfe angeboten. Die Einrichtung ist für sie auch einfach ein Ort der Ablenkung, an dem sie mit ihren Freunden spielen und an den Aktivitäten teilnehmen können, die die Sozialarbeiter vorbereiten. Das Ziel ist es, die Kinder auf dem richtigen Pfad zu behalten, indem sie möglichst lange in der Schule bleiben und von kriminellen Geschäften ferngehalten werden. In solchen Lebensumständen gerät man dort sonst sehr schnell hinein.

Blick auf einen kleinen Teil der „Comuna 13“

Im Stadtzentrum geht es vor allem darum, ganzen Familien mit verschiedensten Problemen zu helfen. Dazu stehen ebenfalls zwei Psychologen und Sozialarbeiter bereit. Während der Beratungsgespräche mit den Eltern unterhalten wir meistens die Kinder und spielen mit ihnen. Nachmittags werden dann für die Familien Aktivitäten wie Gruppenspiele veranstaltet, bei denen wir mithelfen und sie mitgestalten.

Ab Februar werde ich wahrscheinlich in einem anderen Projektteil hier in der Ciudad Don Bosco arbeiten, da dort dringender Arbeitskräfte benötigt werden.

Insgesamt macht mir die Arbeit bis jetzt sehr viel Spaß. Mich begeistert es, bei so einem Wichtgen Projekt mithelfen zu dürfen, das den benachteiligten dieser Stadt weiterhilft und versucht, den jüngeren Generationen eine sicherere Zukunft zu sichern. Allerdings ist es nicht immer einfach. Obwohl die Kinder immer sehr fröhlich wirken und lustig drauf sind, haben sie oft sehr schlimme Lebensgeschichten, die sie langfristig psychisch geschädigt haben. Sie erzählen diese Dinge aber so, als ob sie sie gar nicht betreffen würden oder gar witzig finden würden. Ich weiß dann manchmal noch nicht ganz wie ich in so einer Situation reagieren soll.

Im nächsten Blogeintrag werde ich auch mal ein paar Bilder von der Arbeit mit den Kindern hier hochladen. Mein Projektteil ist dabei eine Ausnahme, da Fotos von den Kindern aus der Ciudad nicht veröffentlicht werden dürfen. Von vielen muss die Identität und der Aufenthaltsort verborgen bleiben.

Weihnachten mal ganz anders

Bis jetzt habe ich Weihnachten immer nach deutscher Art gefeiert: Mit der Familie, gemütlich und drinnen im warmen Zuhause, während es draußen kalt ist.

Dieses Jahr war es aber ganz anders. Am 24. waren es wie auch an jedem anderen Tag 25° C mit strahlender Sonne. Am Morgen gab es dann eine Talentshow, wo viele Kinder der Ciudad Don Bosco teilgenommen haben. Als Ehrengast ist dann eine Tanzgruppe aufgetreten, dessen Mitglieder früher auch in der Ciudad untergekommen sind. Ihre Breakdance-Performance im Weihnachtsthema war wirklich beeindruckend. Später gab es für die Kinder noch ein Turnier mit verschiedensten Spielen, wo sie in Mannschaften Punkte gewinnen konnten. Die Teams mit den meisten Punkten wurden am Ende geehrt und mit verschiedensten Geschenken belohnt. Bei der Übergabe konnten die Jungs sich gar nicht mehr einkriegen und die ganze Halle wurde mit Geschrei und Getose erfüllt.

Ganz anders als in Deutschland war die Weihnachtsmesse am Abend. Sie fand in der bunt erleuchteten Kapelle hier auf dem Gelände statt. Alle sangen lautstark zu den fröhlichen Liedern mit und tanzten sogar zu ihnen. Zu jedem Lied gab es eine Choreografie, wodurch auch für die hyperaktiven Jungs die Messe spannend blieb.

Generell habe ich festgestellt, dass Weihnachten hier ein sehr viel fröhliches und weniger besinnliches Fest ist, an dem ALLES bunt und blinkend in Neonfarben beleuchtet ist und viel gesungen und getanzt wird. Im Gegensatz zu mir feiern die meisten Kolumbianer dann den 24. bei ihren Familien Zuhause mit einem großem Weihnachtsessen. Ein Gericht, was dort dann nicht fehlen darf, sind „Natillas“, ein sehr beliebter puddingähnlicher Nachtisch. Wenn man eines der Kinder gefragt hat, was es an Weihnachten machen wird, kam immer als Erstes: „Natillas essen!“.

Zum Abschluss des Tages wurden wir von den Salesianern der Ciudad zum Abendessen eingeladen, wo wir uns noch gegenseitig beschenkt haben und sehr lustige Gespräche haben. Die Salesianer werden hier auch „Padres“ genannt. Sie sind sieben an der Zahl und alle sind sehr unterschiedlich. Während wir mit den älteren am Anfang noch eher ernstere Gespräche führten, machten die jüngeren am Ende noch einen Salsa-Tanzkurs mit uns.

Leider komme ich in diesen ersten Wochen noch nicht so ganz mit dem Blog schreiben hinterher. Meine Tage sind so verplant, dass ich es nicht schaffe, alles erlebte direkt hier zu berichten. Auch wenn ich am Abend manchmal die Zeit dazu finde, habe ich oft nicht mehr genug Energie, um mich ans schreiben zu setzen. Hoffentlich kriege ich das in Zukunft ein bisschen besser hin.

Letztes Wochenende haben ich und meine Mitfreiwilligen das lange Wochenende genutzt und haben eine kleine Reise gemacht. Im nächsten Blog wird es dann um unsere Erlebnisse in Guatapé und San Rafael gehen. Bleib gespannt!