10 Tage Campamento. 10 Tage Natur, Spaß, Chaos, Action und null Entspannung. Es waren zehn wirklich schöne, aufregende, aber auch anstrengende Tage. Wir haben allesmögliche erlebt. Von Zahnpastaschlachten über Wanderungen in der Wildness, bis hin zu Plätzchenbacken und fliegenden Klobürsten in den Duschkabinen.

Insgesamt haben die Jungs 20 Tage im Campamento verbracht. Die ersten 10 Tage mit Jule, Franzi und Bärbel und die restlichen 10 Tage mit Lea und mir. Während den beiden Wochen waren immer auch noch drei Hermano Majores, also ältere Hogarjungs, als Betreuungs- und Aufsichtsperson dabei. Die Unterkunft war mitten im Nirgendwo, in der Nähe von San Carlos. Dieses kleine Städtchen war von Santa Cruz aus innerhalb von knapp drei Stunden zu erreichen. Allein die Hinfahrt hat uns schon einen Ausblick auf die folgenden 10 Tage gegeben. Unorganisiert und Chaotisch, aber gerade deswegen sehr witzig. So wurden Lea und ich von Hermano Toni in seinem Pick-up abgeholt. Uns durfte noch jede Menge Essen und einer von den Jungs begleiten, der wegen Windpocken die erste Woche nicht noch in der Krankenstation verbringen musste. Bei der Verstauung des ganzen Gepäcks wurde vergessen den Sitzplatz mit einzuberechnen, weshalb daraufhin nochmals umgeräumt wurde. Ich durfte mir meinen Sitzplatz mit knapp 120 Eiern und dem Jungen teilen. Als endlich alles fertig war, wollte das Auto aber nicht mehr anspringen und hat stattdessen laut protestierend, komische, röchelnde Geräusche von sich gegeben. Trotz aller Komplikationen haben wir es dann trotzdem irgendwann geschafft loszufahren und sogar im Campamento anzukommen.

Da wir ja erst in der zweiten Hälfte dazu gekommen sind, war dementsprechend schon alles dezent in einen Hauch von Schmutz und nicht unbedingt wohlriechendem Duft eingehüllt. Dennoch durften wir erfreut feststellen, dass unsere Betten bequemer als Zuhause waren. Am Nachmittag ging`s dann gleich los mit einem Ausflug in die wunderschöne Natur. Mitten durch das Gestrüpp hindurch. Die Jungs waren mehr oder weniger begeistert von diesem Ausflug, da es (Achtung Umgangssprache) sauheiß war und wir nur damit beschäftig waren nicht  gänzlich von Moskitos verspeist zu werden.

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Die nächsten Tage wurden mit allem möglichen Programm gefüllt. Es wurde Fußball gespielt, Verstecken im Dunkeln, Plätzchen wurden gebackt, es gab einen Hüpfsackparcour, es wurden Armbänder geflochten und natürlich gab es eine täglich Putzroutine.

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Wäsche waschen:

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Zwischendrin wurden die Jungs immer wieder mit Merienda gestärkt. Diese durften die Voluntäre oder Hermano Majores herstellen. Dabei galt: je absurder und süßer, desto besser. Ich durfte unglaublich oft hören „falta azucar“ (es fehlt Zucker). Also wurde in das eh schon zuckersüße Getränk nochmal eine Schüssel Zucker untergerührt. Eines der absurdesten Getränke, das serviert wurde, bestand aus Erdnussbutter, Marmelade, Honig, Limone, Zucker, Zucker und Zucker. Also unser Magen musste schon einige Horrorgeschichten mitmachen während dieser zehn Tagen. Wir Voluntäre wollten dann auch mal ein bisschen deutsche Küche mit ins Programm bringen. So gab es einmal zum Frühstück leckere Honigmilch. Diese fand aber absolut gar keine Begeisterung und wir dürfen uns jetzt immer noch anhören, wie furchtbar widerlich das denn geschmeckt hat und dass wir ja absolut keine Ahnung von Kochen hätten. Dagegen kamen die Pfannkuchen von Lea extrem gut an und retteten so einigermaßen unseren Ruf als Köche.

Das delikate, eben beschriebene Getränk:

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Die freie Zeit wurde unterschiedlich gestaltet, mit Lieblingsprogrammpunkt: arme Voluntäre ärgern. Dabei machten nicht nur die Jungs mit voller Begeisterung mit, sondern auch die Hermano Majores. So wurden mir unzählige Male meine Schuhe geklaut und versteckt, ebenso wie mein Rucksack.

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Zudem machten sich einige der Jungs über meine Spinnenphobie lustig indem sie mir ihre frischgefangenen Taranteln unter die Nase hielten und mich über das ganze Gelände jagten. Sobald ich mich dann mal von dem Chaso entspannen und nur in meinem Bett liegen wollte, kam eine Gruppe von Jungs, die sich auf mich schmiss, so dass meine Bewegungsfreiheit auf ein Minimum eingeschränkt war. Daraufhin wurden meine entschuhten Füße mit einer Kitzelattacke massakriert. Fliehen war unmöglich.

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Es flogen regelmäßig Kissen durch die Dormitorios, Zahnpasta war ebenfalls eine beliebte Kriegswaffe im Kampf gegen die Voluntäre. Am Tag des Plätzchenbackens kam noch Mehl und Plätzchenteig als Kampfausrüstung dazu. Diesen durfte ich dann später beim Duschen mühevoll aus meinen Haaren rausfrieseln.

Plätzchenbacken:

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Am Abend gab es zweimal in der Woche Lagerfeuer mit Marshmallows, Popcorn und Fleisch. Das kam natürlich ganz besonders gut an.

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Die letzte Nacht war dann nochmal eine ganz besondere, denn die Hermano Majores haben sich einen Scherz daraus gemacht alle Jungs, und natürlich auch Lea und mich, im Schlaf mit Zahnpasta zu bemalen. Daraus ist nochmals eine wilde Zahnpastaschlacht entstanden, zu der  plötzlich auch noch eine eklig pappige Masse dazukam. Als wieder Frieden unter den Parteien herrschte und sich alle waschen wollte, funktionierten plötzlich weder Duschen noch Waschbecken. So durften wir noch eine Weile warten bis zumindest das Wasser wieder in den Waschbecken funktionierte und wir und dieJungs uns grob waschen konnten. In derselben Nacht durften wir uns noch mit der verzweifelten Rettung eines zugelaufenen Straßenhund beschäftigen. Die Jungs wollten ihn unbedingt mit ins Bett nehmen, da er ja Angst vor der Dunkelheit hat und bei 25 Grad auch noch halb zu erfrieren droht. Aber da wir nichts von dem Hund wussten, welche Krankheiten oder sonstiges er hat, konnten wir das natürlich nicht erlauben. Daraufhin wurden wir als die bösen, tierquälenden Menschen abgestempelt, die keine Ahnung von irgendetwas haben. Beim Aufbruch am letzten Tag starteten die Jungs nochmals einen Rettungsversuch, indem sie den Hund versuchten in einen großen Sack zu locken, um ihn so heimlich ins Hogar zu schmuggeln. Das fand der Hund aber auch nicht ganz so amüsant und wir bösen Tierhasser konnten ihn vor einer dreistündigen Fahrt im Jutesack bewahren.

Am nächsten und letzten Tag gab es als Abschluss ein ganz besonderes Frühstück: frittiertes Hähnchen mit Reis. Ich bin froh, dass mein Magen diese Woche überlebt hat. Zurück sind wir in einem offenen Viehtransporter gefahren, Köpfe in den Fahrtwind gestreckt, Musik aus Box und mitgesungen. Alle total erschöpft, aber irgendwie auch sehr glücklich.

Ein paar kleine Momente des Campamentos:

Am Abend, als ich allen Jungs gute Nacht sagen wollte, kam ich zu einem der Jungs ans Bett und war leicht verdutzt was ich da sah. Dieser Junge war gerade damit beschäftigt zwei große, nicht unbedingt atemberaubend schöne Käfer ins Bett zubringen. Er legte sie neben sich in sein Bett, auf den Rücken gedreht, deckte sie mit seiner Decke bis zum Kopf zu und streichelte sie nochmal am Bauch. Dann wollte er sich daneben legen und mit den Käfern in einem Bett schlafen. Im Verlaufe der Woche stellte sich heraus, dass eben dieser Junge eine besondere Affinität zu jeglichen Insekten, die nicht stechen, hatte.  Er kam dann immer mit den Worten: „Schau dieser Käfer ist lieb und schön, denn er piekst nicht“.

Die Jungs haben manchmal so Phasen in denen sie gerne den Friseur raushängen lassen. So sagte mir einer, ja er wolle mir Zöpfe flechten. Ich: Klar, wieso denn nicht.. Das war ein Fehler.. Denn wie sich heraus gestellt hatte, meinte er mit Zöpfe flechten Dreads machen. Lea hatte daraufhin einiges zu tun meine Haare wieder zu entfilzen. Ich bin froh, dass es nur eine Strähne meines Haars getroffen hatte.

Dass unsere Jungs nicht unbedingt die ordentlichsten Menschen auf Erden sind, war mir schon länger bewusst, trotzallem war ich doch sehr erstaunt als am letzten Tag alle Klamotten zusammengetragen wurden, die herrenlos auf dem Gelände des Campamentos rumgeflogen sind. Diese wurden auf dem Boden verteilt und die Jungs mussten der Reihe nach suchen was ihnen gehört. Je mehr sie verloren hatten, desto mehr putzen mussten sie. So sind sie der Reihe nach durch die Klamotten marschiert. Was etwas verwirrend war, war als plötzlich ein grünes Frauent-shirt auftauchte. Wie sich heruasstellte war es mein sehnlichst vermisstes Schlafshirt. Das war mir dann tatsächlich etwas peinlich und so durfte ich auch meine Strafe kassieren und mich den Jungs beim Putzen des Campamentos anschließen.

An einem Abend gab einer der Hemano Majores eine wunderschöne Gruselgeschichte zum besten. Unseren Jungs machte das natürlich gar nichts aus, denn Angst kennen sie nicht. Sind ja echte Männer. Als es später allerdings zum Duschen ging und ich einem der Jungs eine freie Dusche zuweisen wollte, fing dieser plötzlich heftig an zu weinen. Wie sich herausstellte hatte er Angst in dieser Dusche zu duschen, da sie ein Fenster hatte, an dem ja der Geist aus jener Geschichte kommen könnte. So wurde Duschkabine gewechselt und ich musste ihm versprechen während des ganzen Duschens vor seiner Kabine Wache zu stehen und aufzupassen, dass kein Geist kommt.

Abends wenn wir die Kinder ins Bett bringen, kommt es oft vor, dass wir mit einem Redeschwall zugeschüttet werden. So gibt es auch ein paar Jungs, die plötzlich mit sehr tiefgründigen und grüblerischen Fragen kommen. Einer dieser Jungs hat mich eines Abends ganz besorgt gefragt ob meine Familie denn nett sei. Ob mein Vater und auch meine Mutter nett und nicht böse sind. Er fragte, ob ich zu Hause Angst hätte, ob es mir dort gut gehe oder ob ich geschlagen werde. Er machte sich darüber Sorgen, dass wenn ich nach Hause gehe, misshandelt werde. Ich versicherte ihm, dass meine Familie eine ganz liebe sei und dass es mir dort sehr gut gehe. Er meinte darauf nur, dass das gut sei und dass ich mich viel um meine Familie kümmern soll, denn das ist das Wichtigste auf der Welt, das man hat, eine Familie. Man muss dazu sagen, dass dieser Junge einer der kleinsten ist und ich finde es erstaunlich, dass ein Junge, dessen Familienverhältnisse so schlecht sind, dass er im Hogar leben muss, zu so einer reifen Ansicht kommt..