Hallo an alle Daheimgebliebenen,
dass es vielen Jugendlichen in Tamil Nadu nicht möglich ist, eine höhere Schulbildung zu erlangen, habe ich auf meiner Seite über das Projekt ja schon erwähnt. Welche Ausmaße dies allerdings annimmt war mir bisher nicht bewusst, wie ein aktueller Vorfall zeigt.
Die Vorgeschichte
Ähnlich wie bei uns gibt es in Indien sehr viele Menschen, die medizinische Fächer studieren wollen. Die Vergabe der Studienplätze richtet sich hier allerdings nicht nach der Abschlussnote, es muss ein zusätzlicher staatlich regulierter Test geschrieben werden: Die sogenannten NEET Exams (National Eligibility cum Entrence Test). Dieser Test ist hoch umstritten, da vor allem Kinder reicher Eltern, die sich in den Städten einen Privatlehrer leisten können, bevorzugt werden.
Kinder armer Eltern, die auf dem Land leben, haben jedoch kaum eine Chance. So wie Anitha.
Anitha ist ein 17 Jahre altes Mädchen aus dem ländlichen Umfeld Chennais und Tochter eines Tagelöhners. Dennoch schaffte sie einen der besten Abschlüsse des Landes. Die Tür zu einem besseren Leben stand ihr jedoch nicht offen, denn bei den Exams schnitt sie schlechter ab als die meisten und fiel durch. Von diesem Rückschlag gezeichnet klagte Anitha bis vor dem Supreme Court gegen die unfaire Verteilung der Studienplätze. Als es ihr dennoch nicht gelang, einen Platz zu bekommen, nahm sie sich am 1. September das Leben.
Der Protest
Der Vorfall sorgte für Entsetzen in ganz Südindien. Schnell breitete sich eine Protestwelle aus, die auch an Keela Eral nicht vorüberzog. Im Don Bosco College wurde heute, 3 Tage nach dem tragischen Vorfall, protestiert.
Das ganze lief folgendermaßen ab: Gleich nach dem traditionellen Kabaddi-Match knüpften einige Schüler einen Galgen an einen Baum, an dem sich symbolisch ein Mädchen aus dem College aufhing. Anschließend hielten sowohl der Schulleiter als auch Pater Marcel eine Rede vor den versammelten Schülern, die schließlich in einem Call-and-Resoponse Chor auf Tamil endete. Unterbrochen wurde die hitzige Szenerie plötzlich durch den treibenden Rhythmus zweier Trommler im Hintergrund.
Diese drängten sich sogleich durch die Menge nach vorne, gefolgt von Tänzern, die sich zu dem Rhythmus der Trommeln exotisch bewegten. Zwei weitere Jungen, die auf den Schultern eine Trage mit Palmblättern und Binden trugen, schlossen diesen Zug ab. Vor den Toren der Schule angekommen vielen alle Beteiligten auf die Knie und verdeutlichen die bestürzte Trauer über den Verlust. Erst jetzt ist die Fracht der Träger entgültig als das zu erkennen, was sie symbolisch darstellen soll: Der Leichnam der Schülerin. Zu den Trommeln gesellt sich nun ein Sänger mit einem Klagelied, zu dem die Tänzer extatisch zu tanzen beginnen. Abgeschlossen wird das Spektakel durch einen großen Protestmarsch durch das Dorf Keela Eral.
Mir persönlich hat dieses Erlebnis klar gemacht, wie wichtig und kostbar doch der Zugang zu guter Bildung ist. Zwar ist es in Deutschland auch nicht für jeden ohne weiteres möglich, bestimmte Fächer sofort zu studieren. Aber irgendwie kann hier doch jeder seinen persönlichen Weg einzuschlagen, unabhängig von seiner Herkunft oder dem Geldbeutel der Eltern.
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