Mir ist bewusst, dass ich meinen Block vielleicht etwas später angefangen habe als die anderen Participanten auf dieser Seite. Als kurze Einführung zu meinem jetzt entstehenden Block, ich bin Imre Weber aus Tübingen und leiste momentan meinen Freiwilligendienst in Podgorica, Montenegro.

P.S.: Die Briefe erscheinen hier erst jetzt, da ich es vergessen hatte diese hier zu Veröffentlichen.

Am 25.9.2022 schrieb Heribert Weber

Lieber Imre,

„es ginge Dir gut“ sagte mir Andreas gestern. Er gab mir auch Deine Anschrift und meinte, daß du nichts dagegen hast, wenn ich Dir schreibe. Natürlich gilt -wie schon früher- Du musst mir nicht schreiben. Natürlich freue ich mich über jedes Lebenszeichen von Dir. Das haben alte Opas halt so an sich. Ich kann eigentlich nichts dafür, dass mein liebster Wandschmuck in meinem Zimmer das Foto „Imre und 4 Kälbchen“ ist, noch vor Enkelin mit Katze von Otto Dix.

Elisabeth hat auch gleich ein Buch über Don Bosco herausgefunden. Ich werde es morgen bestellen.

Mach‘s gut mein lieber Enkelsohn Imre

Dein Großvater

Am 4.10.2022 schrieb Heribert Weber

Lieber Imre,

heute kaufte ich antiquarisch ein Buch „Don Bosco“. Die 380 Seiten hat 1968 ein Italiener, Petro Stella, geschrieben. Im Jahr 2000 wurde es dann ins Deutsche übersetzt.

Don Bosco wurde am 16 August 1815 in einem Dorf bei Turin geboren. Genau in dieser Zeit verlor Napoleon seine Herrschaft in Europa. Seine letzte Schlacht war im Juni 1815 bei Waterloo.

Zwischen Dir und Don Bosco liegen in unserer Familie 7 Generationen.

  1. 1812 wurde Johannes Dink vom württembergischen Herzog an Napoleon verkauft. Er kam wieder aus Moskau.
  2. Sein Sohn erbte den Bauernhof in Reichenbach
  3. Der zeugte meine Großmutter Frida, verheiratete Weber
  4. Diese gebar meinen Vater Hugo
  5. Der zeugte mich
  6. Deine Mutter ist meine Tochter
  7. Und du, mein geliebter Enkel Imre, arbeitest gerade im Sinne von Don Bosco

Die ersten 50 Seiten, Kindheit und Jugen von Johannes Melchior Bosco habe ich schon gelesen. Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Es ist so schrecklich fromm. Die Mutter und Großmutter haben das Kind sehr streng katholisch erzogen. Sein Vater starb, als der Junge 2 Jahre alt war. Seine einzigen Vorbilder waren die jeweiligen Dorfpfarrer. Er hatte eine blühende Phantasie und war in der Schule sehr gut. Der Junge wollte immer schon Pfarrer werden. Er soll sogar eine Marienerscheinung gehabt haben. Mit den anderen Jungen kam er sehr gut aus.

Viel Glück bei deiner Arbeit in Montenegro und Dir alles Gute

Dein Großvater

Am 5.11.2022 schrieb Imre Weber

Lieber Opa,

Vielen Dank für deine beiden Briefe die ich bis jetzt erhalten habe. Ich habe mich soweit in Montenegro eingelebt und würde dir gerne von meinen Erfahrungen berichten.

Vornweg möchte ich dir aber auf deine beiden Briefe antworten.

Es freut mich zu hören das du dich mit Don Bosco beschäftigt hast und mir in deinem zweiten Brief eine kleine Übersicht gibst. Ich finde es sehr interessant das ausgerechnet unser erster wirklich nachvollziehbarer Vorfahre, Don Bosco eines Tages über den Weg hätte laufen können.

Heute ist der fünfte November und vor genau zwei Monaten bin ich am fünften September in Memmingen in das Flugzeug nach Montenegro gestiegen. Seitdem ist viel passiert, mehr als ich in diesem Brief schreiben kann, deshalb schreibe ich dir hier erst einmal eine kurze Einführung.

Eine Frage die mir des Öfteren nun schon begegnet ist möchte ich jetzt gleich schon vornweg beantworten.

Warum hast du dich für Montenegro entschieden?

So richtig konnte ich diese Frage zwar noch nie beantworten aber ich versuche es hier einfach noch ein Mal. Ursprünglich war für mich klar, dass ich nach Südamerika möchte. Dieser Gedanke hatte sich dann aber relativ schnell erledigt, da hierfür umfangreiche Spanischkenntnisse erforderlich wären. Selbst nach meinem Besuch von Moritz in Kolumbien hatte ich diese aber nicht. Deshalb wurden mir zwei Auswahlmöglichkeiten gegeben. Shkodra in Albanien und Podgorica in Montenegro. Warum ich mich dann letzten Endes für Podgorica entschieden habe weis ich nichtmehr.

Zu Montenegro:

From en:Image:Montenegro municipalities.png (created by en:User:PANONIAN)

Montenegro liegt im Süd-Westlichen Balkan zwischen Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien, Albanien, und der Adria. Laut der Website der „The world bank“ leben hier, Stand 2021, etwa 620000 Menschen. Ein Großteil davon in der Hauptstadt Podgorica. Wie viele Menschen dort aber genau leben ist nicht so ganz ersichtlich. Je nachdem wenn man fragt oder welche Quelle man benutzt können die Zahlen zwischen ca. 250000 und 150000 Einwohnern variieren.  Ansonsten gibt es nur wenige größere Städte die zweit größte Stadt Niksic hat z.B. nur noch ca. 60000 Einwohner. Landschaftlich ist Montenegro oder wie es in der Landessprach „Crna Gora“ heißt vor Allem bekannt für seine Schwarzen Berge bzw. Wälder die einen Großteil des Landes bedecken. Der höchste Berg Montenegros, der Bobotov, liegt im Norden des Landes an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Durchbrochen werden diese Berge von weitläufigen Tälern, dem Shkader See der ungefähr so groß ist wie der Bodensee und halb in Albanien liegt und natürlich der Küste zum Mittelmeer. Diese besondere Landschaft hat Montenegro zu einem beliebten Reiseziel gemacht und die Touristikbranche ist definitiv eine der Haupteinnahmequellen des Landes.

Politisch ist die Landschaft hier leider nicht so schön wie die Natur. Montenegro ist erst 2006 mit einer 55,5%igen Mehrheit von Serbien unabhängig geworden. Dementsprechend ist dieses Thema äußerst kontrovers und sorgt hier oftmals für Streit.

Ein weiteres Problem ist die Korruption. Zwar sagen offizielle Zahlen das es eigentlich keine bis wenig Korruption gibt und in einem Ranking der „transparency.org“ aus dem Jahr 2021 wird Montenegro auf Platz 64 von 180 gestellt. Dennoch machen Schlagzeilen über, den seit 25 Jahren faktisch regierenden, Präsidenten/Kanzler Milo Djukanovic; „2015 person of the year in organized crime and corruption” auf der Webseite des Organized Crime and Corruption Reporting Project, einem Non-profit Konsortium aus 24 non-profit Organisationen um die ganze Welt, einen anderen Eindruck.

Da du jetzt soweit über das Land Montenegro informiert bist möchte ich jetzt anfangen zu erzählen, und wo kann ich das besser tun, als

am Anfang:

Als ich am Flughafen in Memmingen ankam war ich erstmal überrascht. Der Flughafen dort ist so ziemlich der kleinste den ich bis dahin gesehen hatte. Selbst die Flughäfen in Kolumbien waren größer. Nach einem erstaunlich schnellen Check-In und Sicherheitskontrolle fand ich mich im total überfüllten Gate für den Flug nach Podgorica wieder. Der Flug selber war relativ unereignisreich, abgesehen von mir einer noch grob in Erinnerung gebliebenen Verspätung. Beim Landeanflug konnte ich dann zum ersten Mal Montenegro aus der Nähe sehen, weite Felder in einem breiten Tal zwischen hohen Bergen, von Podgorica selber war kaum zu sehen oder ich habe es einfach übersehen, was passieren kann, da das reale Stadtgebiet nicht sonderlich groß ist.

Als ich aus dem Flugzeug stieg schlugen mir warme 32 Grad entgegen. Da es in Deutschland zu dieser Zeit schon kälter geworden war hatte ich eine lange Hose, dicke Socken und einen Pullover mit Jake als passende Reisekleidung gewählt. Das diese Kleidung nicht unbedingt zum Wetter passt und ich schon nach kurzer Zeit Schweiß durchbadet war muss ich hier glaube ich nicht erwähnen.

Nach einer sehr kurzen Einreisekontrolle

fand ich mich dann in Montenegro wieder.

Hier wurde ich von Jela meine Koordinatorin, Marjam dem Kassenwart von Don Bosco Podgorica und Lia meiner zukünftigen Mittbewohnerin begrüßt, zu ihr komme ich aber später noch einmal. Zusammen mit diesen ging es erst einmal zum Stadtzentrum um meine vorläufige temporäre Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen und um Mittag zu essen. Anschließend fuhren wir zu unserer Wohnung und mir wurde mein Zimmer gezeigt. Der Ausblick ist zwar nicht perfekt, aber mein Zimmer ist dafür eigentlich ganz nett. Nach einer kurzen Mittagspause fand dann auch schon mein erstes Oratorium, dass am 5. September nach der Sommerpause wieder öffnete, statt. Das hieß dann für mich, dass ich so schon nach wenigen Stunden gleich voll einsteigen durfte. Ansonsten vergingen die ersten Tage aber relativ ereignislos. Abgesehen davon, dass wir unseren Mentor Alan trafen der mir am Anfang sehr geholfen hat hier anzukommen.

Das Oratorium:

Um 15 Uhr beginnt jeden Tag das Oratorium. Es endet um 16.30 und ist die Phase in der am meisten im Jugendzentrum passiert. Es findet von Montag bis Freitag statt und ist nur in den Schulferien geschlossen. Während dieser Zeit gibt es dafür aber eine bzw. zwei Woche/n in denen es sozusagen Ferienbetreuung gibt.

Das Oratorium also die Räumlichkeiten, in denen es stattfindet kannst du in dem unten eingefügten Bildern sehen. Allgemein gibt es zwei Hauptbereiche einmal die Sporthalle ( Bild 1) und den Rest (Bild 2). Im Rest befinden sich neben einem Tischkicker, einer Tischtennisplatte und einem Billiardtisch auch viele andere Spiele. Angrenzend an diesen Raum ist der „Workshop“ (Bild 3), in dem es jeden Mittwoch ein kleines Projekt gibt. Steigt man die Treppen hoch, so findet man dort die Küche in der an Freitagen gekocht oder gebacken wird, die Toiletten, ein meist geschlossener Raum für sonstige Projekte und der Ausgang (Bild 4).

Über dem Oratorium befindet sich die Kirche einem im Brutalismus entworfenen Gebäude mit angrenzendem Büro, Wohn- und Schlaff-Räumlichkeiten der hier lebenden vier Pfarrern und zwei Nonnen. Das Gebäude ist von einem Schiff inspiriert und vom Kirchturm aus lässt sich die Form eines Schiffes erahnen.

Neben dem Oratorium findet, in diesem Gebäude der Zirkus Bosco und die Sprachschule, platz. Beide Projekte haben auch soziale Programme in denen Kindern und Jugendlichen das Zirkustraining bzw. das Lernen von neuen Sprachen ermöglicht wird.

Etwa zwei Wochen nachdem ich angekommen war traf dann der letzte Freiwillige Alex aus Spanien ein. Er lebt ebenfalls mit mir in einer Wohnung am Stadtrand.

An diesem Punkt stelle ich dir möchte ich dir kurz

unsere Wohnung und meine beiden Mitbewohner

vorstellen:

Wir leben etwa 15 Minuten vom Don-Bosco-Zentrum Podgorica entfernt. Unser 4-stöckiges Mehrfamilienhaus liegt in einem Neubaugebiet am Rande der Stadt, ist aber schon recht alt. Der Name des Viertels ist „Stari Aerodrom“ was so viel wie alter Flughafen heißt. Das ehemalige Flughafengelände, fängt etwa 5 Minuten von unserem Gebäude aus an. Die Wohnung ist nett aber doch recht klein für drei Personen. In den hier zu sehenden Bildern kannst du unsere Wohnung und das Haus sehen. Das Bild (Mitte rechts) zeigt mein Zimmer.

Alex und Lia

sind meine beiden Mittbewohner. Alex ist 26 und Lia 27 Jahre alt. Sie kommen beide aus der gleichen Stadt in Spanien, in der Nähe von Barcelona und sind seit ihrer Kindheit befreundet. Sie sind hierher mit den „European solidarity corps“ gekommen. Spezifisch für das Zirkusprojekt. Alex ist sehr sportlich und akrobatisch, Lia hat Theater studiert.

Da ich dir jetzt soweit meine soziale und geographische Umgebung vorgestellt habe kann ich jetzt wirklich anfangen zu erzählen…

Mit freundlichen Grüßen

Dein Enkel Imre