Ich sitze gerade im Bus nach Kigali. Wahrscheinlich das letze Mal, dass wir nach Kigali fahren und noch einmal zurück kommen. Das ist ein sehr komisches Gefühl. Es sind noch 19 Tage, langsam fangen wir an, nichtmehr in Wochen zu zählen, sondern in Tagen. Davor waren es noch Monate. Ich kann mich noch erinnern, als Gesine und Ich darüber geredet haben, dass nun 2 Monate um sind und ein Jahr so lange ist . Naja… das ändert sich, wenn die Zeit mit schönen Dingen gefüllt ist. Dann vergeht sie wie im Flug.
Als es nur noch zwei Monate waren haben ich mich schon sehr komisch gefühlt und es ist eine gewisse Abschiedsstimmung in mir aufgekommen. Ich habe versucht, es mir etwas leichter zu machen, indem ich schon einmal die Bilder und Deko in meinem Zimmer entfernt habe, um am Tag der Abfahrt nicht alles auf einmal entfernen zu müssen und das Zimmer dann plötzlich ganz kahl zu sehen. Auch den Gedanken daran, dass wir nun langsam manchen Menschen Tschüss sagen müssen, die wir vielleicht nicht noch einmal sehen. Nur weiß ich ja nicht, ob man sich noch einmal über den Weg läuft in diesen 19 Tagen. Dadurch passiert es vielleicht, dass wir Manchen gar nicht tschüss sagen.
Alles, was im Moment so normal für uns ist, wird so weit weg sein: die Umgebung; die Landschaft; der Geruch; das Gefühl; die Sonne; die Art der Menschen; die Frauen in ihren bunten Kleidern; die kleinen Busse, in denen man sich quetscht und die fast auseinander fallen; die Stimmen überall; die Gespräche mit Menschen auf Kinyarwanda bei denen viele so begeistert sind, wenn wir nur „guten Tag“ sagen können; die Motorradfahrten; die Bananenpalmen überall; die Menschen, die sich einfach miteinander unterhalten, auch wenn sie sich nicht kennen; die Freundlichkeit; die Hilfsbereitschaft; die vielen Kinder des Samstagsprojekts, die uns andauernd nach Seife und Creme fragen, auch wenn sie beides schon bekommen haben, die Amandazis(Gebäck); die Ibitoki (herzhafte Bananen); Huye und seine Läden, in denen uns alle Verkäufer kennen und immer freudig empfangen, wenn wir zum 4. mal in der Woche chapati und ibiraha(frittierte Kartoffeln im Teigmantel) kaufen; die Motorradfahrer oder Fahrradfahrer; die uns immer wieder fragen, ob wir nicht aufsteigen wollen; die Gänge zum Markt für unser Projekt; die vielen Abende bei unserem besten Freund an denen wir draußen gekocht und Musik gehört haben; die Spaziergänge durch das Dorf; bei dem uns so viele Kinder zuwinken und rufen; dass Leute mich Gesine statt Sonja nennen und umgekehrt; die Leute, die bei Don Bosco arbeiten, die wir jeden Tag sehen; das Helfen in der Schulküche und das Essen dort sowie das Snacken vor dem Essen; die Lehrer, die sich stundenlang lachend und laut im Lehrerzimmer Geschichten erzählen; die vielen Leute, die man einfach so in Huye trifft und denen man hallo sagt; die Gelassenheit aller; das frisch gebackene Weißbrot von Erneste in der Küche; die Fahrten nach Kigali; die Besuche beim Simba-Restaurant in Kigali; die Rwandischen neuen Songs, die man überall auf der Straße hört und so so viel Anderes, das mir gerade nicht einfällt. Das werde ich alles so vermissen. Ich vermisse es schon, obwohl ich noch hier bin. Es ist so unvorstellbar, bald wieder in Europa und Deutschland zu sein, wo alles so anders aussieht. Ich weiß, dass ich dann so gerne hier sein wollen würde. Und ich weiß nicht , wann ich wiederkommen kann. Für alle in Deutschland ist es so normal, aber für mich wird alles wieder so neu und ungewohnt. Hinzu kommt, dass ich schon seit Monaten Angst vor dem Flug habe, wenn ich nur ein bisschen daran denke.
Natürlich kann ich aber nicht nur über negative Dinge schreiben. Ich weiß, dass ein wunderschönes Jahr hier verbracht habe und Allen so dankbar bin. Dafür, dass es so viele nette Menschen gab und dass uns alle so gut aufgenommen haben. Ich habe mir fest vorgenommen, ein Fotobuch zu machen. Egal, wie schwer der Abschied werden wird, das Jahr kann mir keiner mehr nehmen und ich habe alles, bei dem ich gedacht habe, dass es so schwer werden wird, gut gemeistert. Auch, wenn ich das nicht so wahrnehme, ich bin bestimmt gewachsen.
Das waren jetzt also einmal meine Gedanken 19 Tage vor der Fahrt nach Kigali.
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