Viel Wasser ist den Ganges hinunter geflossen und viel ist passiert seit meinem letzten Blogeintrag. Langsam begann für uns der Alltag, langsam mache ich kleine Fortschritte in Tamil, schnell wurde ich in so manchen Tanz verwickelt und in der Tat war ich Teilnehmer einer Inderfahrt und fühlte mich recht allein im Staat.

Mit der Einführung eines Timetabels von Father Joe begann zum ersten Mal eine Art Alltag für uns und wir bekamen ein wenig Gefühl dafür wie dieser Alltag im kommenden Jahr für uns aussehen sollte. Diesen werde ich ein andermal noch genauer beschreiben, daher hier nur die Kurzzusammenfassung: Studytime betreuen (den Kindern beim Lernen helfen, über den Tag verteilt fast vier Stunden), die Kinder quer durch den Coimbatorer Chaosverkehr in die Schule bringen und abholen, eine Stunde lang Volleyball und Basketball spielen und in der übrigen Zeit diverse andere Spiele spielen. Ich brauche wohl kaum erwähnen, dass JungleSpeed seit meiner Ankunft zum festen Repertoire gehört und einige der Kinder mittlerweile der JungleSpeed-Spielsucht verfallen sind.

Anfangs war ich noch hoch motiviert die regionale Sprache Tamil zu lernen, leider ist die Motivation eher abgeflaut und meine Fortschritte eher überschaubar. Stolz kann ich aber behaupten, dass ich die 250-zeichige Tamilschrift lesen und schreiben kann. Zumindest theoretisch, da ich von Aussprache, Rechtschreibung und Bedeutung eigentlich noch keine Ahnung habe. Letzte Woche gelang mir ein erster kleiner Durchbruch und ich schrieb mein erstes korrektes Wort auf Tamil ohne Hilfe von außen. Und es war, wie soll es in einer Jugendeinrichtung auch anders sein, „muthal“, was in etwa soviel wie Dummkopf bedeutet.

Nun kurz zu meiner ersten Tanzverwicklung. Es war an einem Samstag und unsere Boys wurden von Psychologiestudentinnen zu einer Art „Befragung“ in einer kleinen Halle eingeladen. Fragt mich jetzt nicht warum, aber nach einer Weile sind ein paar Kids aufgestanden und haben angefangen zu tanzen. Nach kurzer Zeit sind alle miteingestiegen und laute tamilische Popmusik wurde abgespielt. Ich bemühte mich zwar unauffällig daneben zu stehen, aber das ist hier allgemein schwierig als weißer 1,95 Mensch. Ich werde also auf die Bühne gezerrt und zapple etwas ungeschickt zur Musik. Sofort hören alle 100 Leute auf zu tanzen, kreischen wie bei einem Justin Bieber Konzert und zücken ihre Smartphones. Mein kurzes Gebet zum Himmel wird erhört und die Veranstaltung wird aus mir unbekannten Gründen abgebrochen…

Der vorher erwähnte Alltag wehrte allerdings nicht lange. Nachdem die anstrengende „Examtime“ (quasi Klausurenphase) beendet war, haben nun alle Kinder 10 Tage Ferien. Deshalb fuhren die Jungs in zwei verschiedene Ferienlager, Jacob und ich wurden da erstmal nicht wirklich eingeplant, weswegen ich mich auf eine paar Tage Ruhe einstellte. Daraus wurde aber nichts: 5 Minuten vor Abfahrt der älteren Jungs teilte mir einer der Fathers mit ich solle doch schnell packen und mitfahren. So wurde ich inder Tat teil der Inderfahrt. Wir fuhren dann mit öffentlichen Bussen in ein 4 Stunden entferntes Bergdorf in eine Jugendherberge. Die Ersten zwei Tage hatten die Jungs zwei Lehrer mit denen sie ein Sing-Tanz-Trommel-Schauspiel-Programm einübten. Die darauffolgenden vier Tage fuhren wir dann in noch entlegenere Bergdörfer, wo die Jungs dann gemeinnützige Arbeiten wie Müllsammeln oder Büsche-entfernen verrichteten und abends ihr Programm aufführten. Für mich gab es inder Fahrt leider nicht so viele Aufgaben und richtig mitmachen konnte ich auch nicht, weil ich kein Tamil verstehe. Schön war es jedoch aus der vollen, vermüllten Stadt in die eher dünn besiedelte, etwas weniger vermüllte Natur rauszukommen.

Eine recht bemerkenswerte Erfahrung machte ich in unserem letztem Dorf, als indische Kinder zum ersten Mal nicht interessiert und offen zu mir hinliefen und „whats your name?“ fragten, sondern tierisch Angst vor mir hatten. Sie trauten sich zwar auf ein paar Meter heran, doch wenn ich sie ansah und einen Schritt auf sie zuging rannten sie panisch weg, sehr zur Belustigung meiner Jungs. Diese meinten darauf ich wäre wohl der erste Weiße den sie sehen, was durchaus sein kann, denn ich habe abgesehen von den anderen Voluntär/innen auch noch keinen hellhäutigen Menschen in Indien gesehen. Weswegen ich mich in der Woche ohne Jacob inder Tat recht allein im Staat fühlte. Andere Boys meinten es läge nur an meiner für Inder sehr außergewöhnlichen Höhe. Fest steht allerdings (nach einer zuverlässigen Übersetzung), dass die Dorfkinder immer wieder schrien ich würde sie fangen und in meinen Rucksack stecken wollen.

Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse aus meinem noch jungen Auslandsjahr gäbe es zwar noch viele mehr, aber diese alle aufzulisten würde den Rahmen sprengen. Jetzt bin ich erstmal froh zurück zuhause, weit weg von zuhause zu sein (man beachte die gelungene intertextualität) und einigermaßen feste Aufgeben zu haben. Was die Zukunft bringen wird weiß ich wie immer wenig, ich lass mich da von den spontanen Einfällen der Fathers überraschen. Hier noch ein paar Eindrücke aus meinen Erlebnissen: