Barbara in Benin

Mein Freiwilligendienst bei den Don Bosco-Schwestern

„Yovo Yovo Bonsoir!“-20 Minuten Djidje erleben

„Tata edabo“, verabschieden sich Mazoucoth und Illal, die letzten zwei Vorschulkinder, die noch nicht abgeholt wurden und jetzt auf dem sandigen Hof beim Spielen sind. Ihr Vater ist Zemfahrer und müsste jeden Moment mit seinem Moto auftauchen. Ich winke den Kleinen nochmal zu, verlasse dann die Vorschule und mache mich auf den Weg quer durch das Quartier Djidje zum Ausbildungszentrum Maison de l’Esperance, um dort mit meinen Mitvolos zu essen. Es ist kurz nach zwölf, die Sonne steht senkrecht über mir und brennt vom Himmel herunter. Auch die Kinder aus der Grundschule nebenan machen sich auf den Heimweg. „Bonsoir Yovo!“ (Guten Tag, Weiße), rufen sie mir zu, die einen mit einem frechen Grinsen im Gesicht, die anderen eher schüchtern mit einem kleinen Höflichkeitsknickser. Die Kinder tragen khakifarbene Schuluniformen, die Mädels haben ihre Haare entweder wie die Jungs kurz abrasiert oder kleine Zöpfe, mit bunten Perlen verziert, dicht an den Kopf geflochten. Manche Schüler haben kleine strichförmige Narben auf den Wangen. Das macht man hier bei den Babys, um sie einem Stamm bzw. einem Dorf zuzuordnen. Auf den sandigen Straßen liegt Müll, alte schwarze Plastiktüten vom Markt, Verpackungen, Plastikflaschen. Mülleimer findet man in Cotonou sehr selten, der Abfall wird einfach auf die Straße geworfen. Die ärmeren Viertel rund um die Lagune sind wie die Müllhalden der Stadt, aus den reicheren Quartieren wird der Abfall dorthin gebracht und in den Seitenstraßen an „geeigneten“ Stellen abgelegt. Vom letzten Regen sind an vielen Stellen noch große Pfützen liegen geblieben, die fast genauso breit wie die Straße sind, ich suche mir den geeignetsten Weg daran vorbei.

Graue Mauern stehen an den Straßenrändern. Geht man durch die Türen aus Holz oder Blech, kommt man meist auf einen mehr oder weniger breiten Hof, von dem man in die einstöckigen, einfach gemauerten Wohnhäuser gehen kann. So leben oft mehrere Generationen zusammen.

Auch noch einfachere Hütten mit Wänden aus Holzstangen oder Wellblech kann ich sehen. Das sind nicht immer Wohnhäuser, sondern oft kleine „Tante-Emma-Läden“, in denen man alles bekommt, was das Herz begehrt: Kekse, frittierte Teigbällchen, Maniokmehl in kleinen Tütchen (daraus kann man sich mit Wasser und Zucker einen leckeren Brei machen), Erdnussstangen, Tomaten, Zwiebeln, Bonbons, Schreibwaren und vieles mehr.

„Yovo Yovo bonsoir, ca va bien, merci!“ Die kleinen Kinder, die mich schon lauthals singend begrüßen, obwohl ich mindestens noch 100 Meter von ihnen entfernt bin, sind aus einem Hof hinaus auf die Straße gelaufen und schauen mich neugierig an. Ein kleines Mädchen, das nur eine Unterhose trägt, ist sogar mutig genug, zu mir zu kommen und in meine Hand einzuschlagen, bevor es mit einer Mischung aus Kreischen und Kichern schnell wieder wegrennt. Ich gehe an einer Schneiderei vorbei, die zur Straße hin geöffnet ist und höre das Klackern der mechanischen Nähmaschinen, die hier in Benin benutzt werden.

Gleich nebenan ist eine kleine Schreinerei, die jungen Männer sägen das Holz quasi mitten auf der Straße, ein paar Buben helfen ihnen dabei. Immer wieder hupt es hinter mir, es sind Zemfahrer, die somit auf sich aufmerksam machen, mich fragend anschauen oder meinen Zielort wissen wollen. Dankend lehne ich jedes Mal ab, ich habe genug Zeit, um zu Fuß zu gehen, und außerdem ist das jeden Tag wieder ein Erlebnis für sich. Obwohl die Straße und viele Mauern sandfarben/ grau sind, gibt es jede Menge Farbklekse, die ich so liebe: saftig grüne Palmen am Wegrand, die dunkelgelbe Blechhütte eines beliebten Handytarifanbieters, ein Frisörladen in einer blauweiß angemalten Holzhütte, die zitronengelben Hemden der Zemfahrer, und natürlich die bunten Stoffe, die hier getragen werden, in allen möglichen Farb- und Musterkombinationen, hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt!

Links von mir ist ein typisches kleines Restaurant mit den blauen Holzhockern, in dem man Omelette, Maisbrei oder eine Art Joghurt bestellen kann. Ich gehe weiter, komme an einem Holztisch vorbei, auf dem Glasflaschen voll Treibstoff und ein Trichter, aus einer Plastikflasche gebastelt, stehen: Eine kleine Tankstelle für die Mototaxis. Vor dem Tisch steht ein leerer oranger Benzinkanister, mit Kreide ist der Literpreis darauf geschrieben. Einen Liter Treibstoff bekommt man meistens für umgerechnet 50 ct. Das Benzin kommt aus Nigeria und ist auf Dauer eigentlich gar nicht so gut für den Motor, weil es nicht so sauber ist wie der Treibstoff, den man bei den richtigen Tankstellen bekommt (der aber um einiges teurer ist).

„Zogbo, Don Bosco!“, ruft mir ein Zemfahrer das Quartier der Don Bosco Schwestern zu. Er scheint mich zu erkennen, vielleicht bin ich schon mal mit ihm gefahren. Manchmal ist es fast anstrengend, immer aufzufallen. Einfach in Ruhe meinen Weg zu gehen ist nicht möglich, weil ich so oft angesprochen werde. Der „Yovo Yovo Bonsoir“-Gesang der Kinder begleitet mich den ganzen Weg durch das Viertel, oft entdecke ich die Kleinen, die nach mir rufen, gar nicht auf den ersten Blick, weil sie so weit weg sind und mich trotzdem gesehen haben. Manchmal ist das komisch, weil ich mich in den Seitenstraßen schon so wohl fühle und inzwischen auch die Wege kenne, aber trotzdem werde ich durch das Verhalten der Beniner immer darauf aufmerksam gemacht, dass ich anderst bin mit meiner weißen Haut, dass ich fremd bin, obwohl ich mich in Cotonou echt wie daheim fühle. Aber die Menschen hier meinen das gar nicht böse oder gar rassistisch, im Gegenteil: Sie sind sehr freundlich zu mir, freuen sich, wenn man ein bisschen Smalltalk mit ihnen redet, und wenn man dann noch ein paar Brocken Fon raushaut, ist alles in bester Ordnung!

Gerade beginnt bei uns die Mangozeit. Es sind nicht die großen Früchte, die ich von Deutschland aus dem Supermarkt kenne, sondern kleinere, sehr saftig, sehr sehr faserig und super lecker! Vor einem Haus ist unter einem Sonnenschirm ein kleiner Stand aufgebaut, an denen man die kleinen Mangos kaufen kann, außerdem Ananas, die es hier das ganze Jahr über gibt, Melonen, Papaya und grüne Orangen, die man hier nicht isst, sondern aussaugt. An einer Hausmauer ist Wäsche zum Trocknen aufgehängt, davor steht ein Sonnenschirm, darunter eine Holzbank, auf die sich gerade ein Zemfahrer gesetzt hat. Eine Frau hat hier vor ihrem Haus ihr eigenes kleines „Restaurant“ eröffnet, sie füllt einen Blechteller mit Reis und Bohnen aus dem großen Kochtopf, der neben der Bank auf einem Kohlegrill steht, gibt ein bisschen Soße dazu und reicht es dem Zemfahrer.

Kleines „Restaurant“ am Straßenrand

Hühner und Ziegen gehen mitten auf der Straße spazieren, manche wurden von ihren Besitzern durch einen bunten Stofffetzen, der ihnen ans Bein gebunden wurde, „markiert“. Eine alte Frau sitzt oberkörperfrei und mit einem gemusterten Stoff um die Hüften auf einer Matte vor ihrer Hütte, ein kleines Kind ist bei ihr, das sich unglaublich erschrickt, als es mich sieht und gleich zu weinen beginnt. Kinder in Schuluniformen kommen mir entgegen, in den Händen kleine Plastiktüten mit gefrorenem Bissap, ein leckerer roter Saft, den man aus Hibiskusblüten gewinnt.  Ich komme an einer Kirche vorbei, einem kleinen Getränkeladen (in dem man neben Cola und Fanta auch beninische Süßgetränke und Bier kaufen kann), einer privaten Grundschule und einem Mechaniker, bei dem man u.a. Motoreifen kaufen kann, die in goldig glänzender Folie eingepackt an der Wand hängen.Aus einer Cafeteria höre ich laut einen modernen beninischen Song, der hier zur Zeit total beliebt ist. Gleich nebenan ist eine Apotheke, in typischem türkis angestrichen.

Eine Frau räuchert Fische vor ihrem Haus, die sie danach auf dem Markt verkaufen wird. Ein Kind spielt mit einem alten dünnen Reifen, den es mit Hilfe eines Stockes vor sich her rollen lässt, ein anderes kommt zu mir gerannt und umarmt mich einfach so, obwohl es mich nicht kennt, nimmt mich an der Hand und geht ein paar Meter mit mir, bevor es wieder zurück läuft. Motos fahren an mir vorbei, Frauen machen sich mit ihrer Ware auf den Weg zum Markt, der nicht weit entfernt ist. In den großen Blechschüsseln auf dem Kopf tragen sie zum Beispiel Ananas, Seife, Baguette oder in Bananenblätter eingewickelten Maisbrei. An den Hausmauern stehen vereinzelte Autos, manchmal stehen Reifen aufgestapelt daneben. Inzwischen bin ich bei einer größeren gepflasterten Straße angekommen, die parallel zum einem der kleinen Kanäle geht, die zur Lagune führen. Das Wasser ist dreckig und voller Müll und riecht auch dementsprechend. Große Bäume stehen am Straßenrand und spenden den Zemfahrern, die auf ihren Motos ein Nickerchen machen, Schatten.

Man merkt, dass man dem Markt näher kommt, auf der Straße ist schon relativ viel los, ein Mann zieht einen Karren voller Mehlsäcke zum Markteingang, ein großer LKW, vollbeladen mit Zwiebelsäcken, fährt in dieselbe Richtung. Ich komme an einer Bäckerei vorbei, für einen kurzen Moment ist der Geruch nach frischem Baguette stärker als der nach Abgas und abgestandenem Kanal. An den Straßenseiten sitzen Frauen, die gebratene Yamswurzel, Zitronensaft oder Obst verkaufen. Ich überquere die Straße, was hier auch immer wieder eine kleine Mutprobe ist, denn man kann lange darauf warten, dass von beiden Seiten nichts angefahren kommt. Also laufe ich zwischen zwei Motos, die weit genug auseinander sind, bis zur Straßenmitte und warte dort, bis sich eine kleine geeignete Lücke ergibt, um den Rest der Straße zu überqueren. Auf der anderen Seite angekommen stehe ich erst mal vor einem Haufen Schuhe, die hier auf dem Gehweg zum Verkauf angeboten werden.

Kurz danach komme ich zu einem kleinen Holztisch unter einem Sonnenschirm, auf dem Joghurt aus konzentrierter Milch und Baguette angeboten wird. Die Verkäuferin ist die Mutter eines Mädchens, das im Maison de l‘Esperance in der Konditorei war. Sie freut sich, mich zu sehen, begrüßt mich wie immer mit einem strahlenden Lächeln und wir wechseln ein paar Worte. Als sie erfährt, dass alles bestens läuft, nickt sie lächelnd. „Dann danken wir Gott“, sagt sie, bevor ich meinen Weg fortsetze und sie weiter in ihrer Bibel liest.

In der nächsten Seitenstraße ist auch schon das Ausbildungszentrum, ich begrüße die Jugendlichen und gehe in das Zimmer, in dem ich mit den Fofos und Tatas vom Maison de l’Esperance und meinen zwei Mitvolontären Mittag esse. Heute haben die Jugendlichen aus dem Atelier Küche Pate Rouge, einen roten Maisbrei mit Hühnchen und Zwiebeltomatensoße zubereitet, ein perfektes Essen, um sich für einen lauten Nachmittag in der Baraque SOS auf dem großen Markt zu stärken!

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  1. Waldmann Max

    Danke, Barbara, für Deinen eindrucksvollen Bericht!
    Weiterhin Alles Gute!
    Viele Grüße
    Max

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