In der Community Penamalurus

Wieder einmal ein Monat später und wieder einmal hat sich so einiges verändert hier in meinem Alltag in Indien. Vor etwa drei Wochen haben Zora und ich begonnen neben dem Unterrichten von Spoken English an der Schule in Penamaluru, auch in der nahegelegenen Community – so werden hier meist die Slums genannt – zu arbeiten. Bevor wir also zu den Schüler*innen der Zilla Parishad High School gehen, spielen, tanzen und malen wir davor ein paar Stunden mit den Kindern und Jugendlichen dort, was mir sehr viel Freude bereitet. Die Kinder und Jugendlichen sind grob geschätzt zwischen drei und 16 Jahre alt, bei den Älteren handelt es sich vor allem um Mädchen, da die Jungen, so vermute ich, arbeiten gehen müssen, während die Mädchen früh anfangen im Haushalt zu helfen. Meist setzen wir uns alle kurz nach unserer Ankunft auf eine der Matten, die die Kinder aus einer Abstellkammer holen und malen gemeinsam Mandalas oder auch frei aus dem Kopf. Die kleineren Jungs lieben es, mit Papierfliegern zu spielen, sausen deshalb in dieser Phase um uns herum und kommen alle zehn Minuten an, weil ihr Flieger irgendwo im Gebüsch oder im Fluss gelandet ist. Danach geht es ans aktivere Spielen. Oft wird erstmal getanzt. Dies setzt sich aus einer Mischung aus Waka Waka, Macarena und anschließend indischen Telugutänzen zusammen. Diese können die Mädchen teils besser, teils eher schlechter und Zora und ich versuchen so gut wie möglich nachzutanzen, wobei wir häufig dazu übergehen eigene Bewegungen miteinzubauen, da die der Mädchen teilweise recht schwer zu erkennen sind. Klatschspiele, Seilspringen, Gummitwist oder Laufspiele wie „Komm mit. Lauf weg“ stehen mittlerweile auch an der Tagesordnung. Hier kommen hin und wieder auch mal ältere Jungs dazu, was mich sehr freut. Hin und wieder schnappen Zora und ich einige Geschichten über die Kinder auf oder reimen uns ein bisschen zusammen, warum einige mal eine Woche lang nicht mehr zum Spielen kommen oder auf einmal sehr bedrückt wirken. Obwohl wir nie genau wissen, was passiert ist, geht es mir vor allem in letzter Zeit sehr nahe, da mir die Kinder einfach immer mehr ans Herz wachsen und man sich wünscht, dass es ihnen gut geht. Denn auch sonst sieht man in Vijayawada doch recht viel Armut. Überall sitzen oder liegen Leute an den Straßenrändern, Bettler gehen durch den Straßenverkehr oder sprechen einen auf der Straße an und dies ist nur ein kleiner Teil, den wir zu Gesicht bekommen. Auch wenn ich das bereits alles mitbekommen habe, macht es mir erst jetzt mit den Kindern aus der Community zu schaffen. Wie die meisten Communities, besteht auch diese in Penamaluru aus Zelten beziehungsweise Hütten, die aus allen möglichen Materialien zusammengesetzt wurden. Gerade hier stehen sie recht eng beieinander, zwischendurch führt nur ein schmaler Trampelpfad. Auch wenn die Armut hier deutlich zu spüren ist und die Kinder teilweise sehr alte und zerrissene Kleidung tragen, habe ich bei den meisten das Gefühl, dass sich um sie gekümmert wird und sie eben auch mal zwei Stunden mit uns spielen dürfen.

Gummitwist auf dem Schotterweg daneben
Papierfliegerbasteln mit den Jungs

Zum Spielen und Lachen braucht man eigentlich keine Sprache, jedoch merken wir recht häufig, dass es schön wäre, die Kinder etwas besser verstehen zu können, statt den Kopf zu schütteln und auf Englisch antworten zu müssen. Deshalb haben wir nun bereits seit etwa einem Monat Teluguunterricht bei einem der Collegeboys. Jeden Dienstag und Donnerstag sitzen wir nun also gemeinsam, meist auch noch mit ein paar anderen der Collegeboys in der Study Hall des YBs und bekommen Vokabeln und einzelne nützliche Sätze übersetzt und auch wenn Telugu nicht wirklich leicht ist und wir die Grammatik wahrscheinlich nie verstehen werden, da sich sogar teils unsere Lehrer nicht immer einig sind, merken wir doch einen ziemlichen Unterschied im Umgang mit den Kindern. Es ist einfach wahnsinnig schön sie fragen zu können wie sie heißen (Ni peru?) und wie es ihnen geht (Bagunara?) und so schon einen minimalen Smalltalk führen zu können.

Veränderungen gab es nicht nur in der Arbeit, sondern auch im WG-Alltag. Seit Freitag letzter Woche leben wir vorrübergehend nur noch zu sechst hier in unserer Wohnung. Lea, Teresa, Mats und Chiara sind zurzeit auf Urlaub in Kerala und reisen dort etwas herum. Diesen Sonntag werden dann Mats und Chiara wieder zurückkommen, während Lea und Teresa den Rückflug nach Österreich antreten. Die Beiden haben über ihr Studium ein vier Monate langes Praktikum in Indien gemacht, welches sich nun dem Ende zuneigt. Nicht mehr zu zehnt hier zu leben ist zwar noch sehr komisch und die Beiden werden uns noch ganz schön abgehen, ist jedoch auf eine ganz andere Art und Weise schön. Obwohl wir zuvor auch schon alle recht eng waren, merkt man nun, dass man mit jedem Einzelnen doch nochmal mehr unternimmt und redet. Die letzte Woche alle zu zehnt hatten wir zum Glück nochmal richtig Zeit miteinander. Das lag am Zyklon Michaung, welcher Anfang der Woche den Süden Indiens erreichte und in einigen Regionen dort ziemlichen Schaden anrichtete. Nichts ahnend saßen wir am Montagmorgen im Tuktuk auf unserem Weg in die Arbeit, als eine Nachricht von Father Ratna kam, wir dürften an diesem Tag nicht arbeiten und sollten zu Hause bleiben. Nach und nach setzte dann der Regen ein und auch der Wind ließ nicht lange auf sich warten. Doch außer der Tatsache, dass es hin und wieder aus Eimern schüttete, ließ der Zyklon Vijayawada ziemlich in Ruhe und war vor allem in unserer Gegend der Stadt harmloser. Als Zora und ich am Freitag dann erstmals wieder in den Slum zum arbeiten fuhren, bemerkten wir doch, vor allem Nahe des Krischnas viele überschwemmte Wohnungen. Durch diesen Zyklon jedoch, hatten wir viel Zeit mit Lea und Teresa die letzte Woche gemütlich ausklingen zu lassen und saßen viel beisammen, tranken Tee, schauten Hamilton und genossen die angenehme Kühle, die durch den vielen Regen einsetzte. Die 20 – 25°C, die in Deutschland normalerweise für Sommergefühle sorgen, ließen uns dicke Pullis, lange Hosen und Kuschelsocken auspacken und trotz ausgeschaltetem Ventilator in der Nacht teils ganz schön frieren. Man gewöhnt sich eben doch recht schnell an die warmen Temperaturen. Die Kälte hatte aber auch was für sich, denn es kam mit zusätzlich Adventskalender, Weihnachtsliedern, Plätzchen und Kinderpunsch erstmals richtig Weihnachtsstimmung auf. Auf die kommenden Feierlichkeiten rund um Weihnachten und auch unseren eigenen Heilig Abend bin ich nun schon sehr gespannt und hoffe auf eine genauso schöne Festtagsstimmung wie in Deutschland rund um dieses Fest.

Alle dick eingepackt in Regenklamotten
Die ganze WG begleitete Lea, Teresa, Chiara und Mats zum Bahnhof

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  1. Doris und Kalle

    Liebe Antonia wir haben deine spannenden Berichte verfolgt und gelesen ja es ist für uns eine andere Welt hab noch viel Spaß mit den neuen Entdeckungen alles Liebe und Gute und munter auch ein schönes Weihnachtsfest in der Ferne von Doris und Kalle

  2. Ina Gaul

    Liebe Antonia,
    vielen lieben Dank für Deine tollen Berichte und Fotos! Das ist für mich alles neu und unvorstellbar und so interessant, dies alles aus erster Hand zu hören/lesen! Du bist ganz schön mutig und ich finde das so gut, dass Du Dich um die Kinder kümmerst! Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute! Deine Tante Ina 😉

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