Halli Hallo und herzlich willkommen zurück zu einem weiteren Blogeintrag über meine erste Woche in Indien.
An unserem zweiten Tag in Vijayawada wurden wir direkt in ein Projekt von Navajeevan gebracht. Das Open Shelter ist nur eines der vielen Projekte hier, die ich euch in einem kommenden Blogeintrag alle noch vorstellen möchte. Das Shelter ist eine Anlaufstelle für Jungs im Alter von 5-17 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen auf der Straße leben. Sie haben keine Eltern oder Verwandte mehr, wurden daheim geschlagen oder verstoßen oder die Eltern sind Bettler. Momentan sind etwa 15 Kinder im Shelter, die meisten sind etwa 6-12 Jahre alt. Alle leben in einem großen Raum, in dem sie schlafen, essen und spielen. An dem Eingangstor befindet sich ein großes Schloss, die Kinder dürfen das Gebäude nämlich nicht verlassen. Das klingt auf den ersten Moment sehr krass, hat aber auch seinen Sinn. Bevor die Jungs in die Schule, ein Heim oder bestenfalls wieder zurück in ihre Familien gehen können, müssen sie beim Staat registriert werden. Falls eines der Kinder wegläuft, muss das Projekt dafür haften und eine Geldstrafe zahlen. Vorerst sollen wir jeden Vormittag im Shelter arbeiten, denn der Father, der für uns zuständig ist, ist weiterhin verhindert und erst, wenn er wieder da ist, werden uns die restlichen Projekte vorgestellt. An der Wand im Shelter hängt ein Tagesablauf, der mehr oder weniger strikt eingehalten wird, damit die Jungs sich an einen geregelten Tagesablauf gewöhnen und Disziplin erlernen. Am Vormittag haben die Kinder Englisch- und Matheunterricht. Am Anfang waren wir sehr überfordert, weil von uns direkt erwartet wurde, dass wir den Unterricht übernehmen. Schwierig ist hier besonders, dass die Kinder auf einem sehr unterschiedlichen Lernniveau sind und nur wenig Englisch verstehen und sprechen können. So können manche von ihnen zwar schon das Alphabet und sogar buchstabieren, andere malen nur die Buchstaben von der Tafel ab und in Mathe ist es genau dasselbe. Ein paar können schon Plus und ein wenig Minus rechnen (ein Junge kann sogar schon Multiplizieren), ein Großteil kann auch zählen, aber die kleinsten können noch nicht mal das. Ein einheitlicher Unterricht ist also fast unmöglich, weshalb wir in jeder Stunde so gut wie möglich versuchen, die Kinder individuell zu fördern, was aber auch total anstrengend ist. Bis zum Mittagessen haben wir danach Zeit, mit den Kindern Ball, Fangen oder Karten- und Brettspiele zu spielen. Die Jungs können auch stundenlang Klatschspiele wie Schere, Stein, Papier spielen. Sie malen und tanzen aber auch total gerne und versuchen, uns indische Tänze beizubringen. Besonders angetan sind sie vom deutschen Ententanz, den wir ihnen gezeigt haben.
Leider können wir nicht mehr mit Barbaras Musikbox Lieder hören, weil die uns am dritten Abend gestohlen wurde. Als wir nämlich von der Arbeit Heim gekommen sind, haben wir gesehen, dass ein Fenster aufgebrochen wurde und unsere Koffer durchwühlt worden sind. Da wir alle wichtigen Sachen und den Geldbeutel immer in unserer Bauchtasche dabei haben, ist außer der Musikbox und ein paar Medikamenten eigentlich nichts weggekommen, ein großer Schreck war das erstmal trotzdem. Auf den Überwachungskameras, die an unseren Eingängen angebracht sind, konnte man leider auch nichts erkennen, weil die noch auf 2004 eingestellt waren. Im Allgemeinen sind wir hier sehr vorsichtig und schließen immer alle Türen ab, weil wir jetzt schon öfter mitbekommen haben, dass Kinder in unserer Straße herumlungern, für die das Stehlen nun mal zum Alltag gehört.
Wenn wir nicht im Shelter sind, verbringen wir unsere freie Zeit damit, die Wohnung auszumisten und einmal einen Großputz zu machen -das ist viel zu lange von den vorherigen Volos nicht gemacht worden. Viel zu viel Zeit verbringen wir auch mit unserer Registrierung. Mehrere Stunden haben wir schon zum Ausfüllen diverser online Dokumente gebraucht, weil irgendwie nichts zu funktionieren scheint. Wenn wir dann Abends durch die Straßen laufen, findet man an jeder Straßenecke einen Stand mit Obst und Gemüse und ich probiere mich total gerne durch die verschiedensten Obstsorten durch. Viele davon habe ich in Deutschland noch nie gesehen oder probiert.
Um uns eine Pause von dem ganzen (viel zu scharfen) Reis zu gönnen, sind wir auch einmal mit dem Tuktuk zu dem 3 km entfernen McDonalds gefahren. Sonst sitzen wir abends gerne auf unserem Balkon und spielen Karten.
Da ist es dann auch schon etwas kälter, obwohl es bei Dunkelheit natürlich auch sehr viele Mosquitos hat. An die heißen Temperaturen tagsüber habe ich mich noch nicht wirklich gewöhnt.
Gerade ist in Indien das 9-tägige Elefantenfest, Ganesh Chaturthi, und es ist die ganze Zeit sehr laut mit Feuerwerken, Musik, Trommeln und Konfetti, wobei die Menschen hinter einer großen, von einem Traktor gezogenen Elefantenstatue auf den Straßen feiern und tanzen. Als in unserer Straße dieser Umzug abgehalten wurde, wurden wir mit in die Menge gezogen. Es wurde getrommelt für uns, Blumen wurden geworfen und wir haben mit den Indern im Kreis getanzt. Als wir dann gegangen sind, haben die Menschen unsere Hand geschüttelt und sich bedankt, dass wir mitgemacht haben und uns Reis geschenkt. Das war ein sehr wundersames Erlebnis.
Mein Lieblingstag bis jetzt ist der Samstag. Beim Frühstück wurden wir gefragt, ob wir die Fathers auf eine indische Beerdigung begleiten möchten. Daraufhin haben wir uns erstmal mit Punjabis, indischer Frauenkleidung, die aus Kleid, Leggins und Schal besteht (Saris werden hier hauptsächlich von verheiratete Frauen getragen oder wenn größeren Festen sind) im Supermarkt eingedeckt und sind dann etwa 2 Stunden mit dem Don Bosco Schulbus und vielen Mitarbeitern in ein kleines Dorf gefahren. Die Busfahrt war total aufregend, wir haben viel Natur gesehen und teilweise waren die Straßen nicht mal mehr befestigt und wir sind aufgrund von Überschwemmungen durch Wasser gefahren. In Indien laufen Beerdigungen auch ganz anders ab als in Deutschland. Alle Menschen sind bunt gekleidet, die Schuhe werden vor der mit Girlanden dekorierten Kirche ausgezogen und es werden Feuerwerke entzündet. Den Sarg tragen Männer auf ihren Schultern, es werden Blumen geworfen und Trompeten und Trommeln begleiten den Kirchenzug. Leider hab ich in der Kirche nichts verstanden, weil die Messe auf Telugu, dem Dialekt hier, gehalten wurde.
Mittlerweile ist auch der Hauptverantwortliche für uns, Father Ratna, wieder in Vijayawada und ich freue mich darauf, in den nächsten Tagen die anderen Projekte kennenzulernen.
Liebe Grüße
Anne
ufricke
Liebe Anne, das sind schöne erste eindrücke, die du da teislt- wenn auch getrübt durch den Diebstahl der Box…. Euch weiterhin eine gute Zeit!
Viele Grüße
Ulla Fricke