In diesem etwas längeren Blogeintrag soll es, wie der Titel schon verrät, um die Feste und Bräuche gehen, die es hier in Indien gibt. Es gibt einige Feste, die sind überall in Indien gleich, vor allem, wenn es sich dabei um religiöse Feierlichkeiten handelt. Aber sonst hat auch jeder Bundesstaat seine eigenen Bräuche und Traditionen. Deshalb geht es in diesem Eintrag auch nur darum, wie ich diese Feste und Bräuche hier in Andhra Pradesh (Vijayawada) erlebe. Ob das alles genau so stimmt oder ob das nicht auch jeder ein bisschen anders macht, das kann ich nicht garantieren.

Los gehts jetzt aber erst mal mit ein bisschen Hintergrundwissen zum Hinduismus. Immerhin sind in Andhra Pradesh über 85% Hindus (15% Moslems und 2% Christen), weshalb hinduistische Feste am größten und bemerkbarsten gefeiert werden. Der Hinduismus ist eine der ältesten Religionen der Welt, entstanden vor über 4.000 Jahren in Indien. Es ist keine einheitliche Religion, sondern eher ein Sammelbegriff für verschiedene Glaubensrichtungen, Bräuche und Philosophien. Hindus nennen das Göttliche „Brahman“, was man sich ähnlich vorstellen kann wie den christlichen Gott. Brahman tritt in verschiedenen Erscheinungen auf (Manifestationen). Deshalb gibt es so viele verschiedene Götter, die wiederum für verschiedene Sachen angebeten werden und selbst auch in unterschiedlichen Formen (als Mensch, Tier oder Ähnlichem) auftreten können. Die drei bekanntesten Götter sind Brahma (der Schöpfer), Vishnu (der Erhalter) und Shiva (der Zerstörer). Hindus glauben, dass die Seele nach dem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren wird (Reinkarnation). Die Taten eines Menschen bestimmen sein Schicksal im nächsten Leben (Karma). Dharma ist dabei die ethische Pflicht und das richtige Verhalten im Leben. Ziel ist es, aus dem Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt auszubrechen und die Erlösung (Moksha) zu erreichen. Wichtige Schriften für Hindus sind unter anderem die Veden, Upanishaden, Bhagavad Gita und Ramayana.

Dadurch, dass es eben so viele Götter gibt, gibt es auch viele Feste zu Ehren der Götter, wie beispielsweise gleich das Erste in meiner Liste. Die Feste fallen dabei jedes Jahr auf unterschiedliche Daten, weil sie sich meistens auf die verschiedenen Mondphasen beziehen.

• 7. September: Ganesh Chaturthi​
Dieses Fest ist zu Ehren des Gottes Ganesh. Es gibt viele Umzüge mit Tanz, Trommelmusik, Blumen und großen Statuen des Elefantengottes, die dann am letzten Tag des mehrtägigen Festes in den Fluss Krishna geworfen werden.

• 2. Oktober: Gandhi Jayanti​
Das ist der Geburtstag von Mahatma Gandhi, der als nationaler Feiertag mit Gedenkveranstaltungen und Friedensgebeten gefeiert wird. Gandhi war ein (gewaltloser) Freiheitskämpfer und politischer Führer, der gegen die britische Kolonialgerrschaft Widerstand geleistet hat.

• 11. Oktober: Maha Ashtami
Das ist der Höhepunkt des mehrtägigen Festes zu Ehren der Göttin Durga (Kriegerin und Beschützerin), an dem gebeten und zu Trommeln getanzt wird (meist in Pandals, Zelten mit Durga Statuen).

• 13. Oktober: Dussehra
Navaratri ist ein neuntägiges Fest im Oktober für Shiva. Die Menschen beten sehr viel und weil in Vijayawada ein besonderer Tempel steht, pilgern riesige Menschenmassen dorthin und teilweise werden ganze Straßenabschnitte gesperrt. Der Höhepunkt ist Dussehra. In der Nacht werden viele Ziegen geopfert und man sieht oft verkohlte Ziegenköpfe am Straßenrand. Man denkt an dem Tag an den Sieg Lord Ramas über die Dämonen Ravana.

• 31. Oktober: Deepavali (Diwali)​
Über Diwali habe ich ja auch schon in einem vorherigen Blogeintrag berichtet, ich führe es aber der Vollständigkeit halber nochmal auf. Gefeiert wird auch hier der Sieg des Guten über das Böse und dauert 5 Tage, wobei der 3. Tag den Höhepunkt bildet. Es wird viel geböllert, in allen Hauseingängen brennen Öllampen und im Shelter wurde auch ein Schrein für die Göttin Lakshmi (Göttin für Wohlstand und Liebe) aufgebaut.

• 14.-17. Januar: Sankranti
Sankranti ist eine Art viertägiges Erntedankfest und auch ein Fest der Wintersonnenwende. Am ersten Tag (Bhogi​) wird vor jedem Haus ein Feuer gemacht, das ganz lange weiterbrennt, und bunte Bilder werden vor die Hauseingänge gemalt. Am 15. haben wir im Shelter Pongal gefeiert. Dabei wurde ein spezieller Milchreis gekocht, der Sonnengott Surya wurde verehrt und die Kinder durften Drachen steigen lassen.

• 26. Januar: Republic Day (Tag der Republik)​
Auch diesen Tag haben wir wieder im Open shelter mitgefeiert, denn Indiens Verfassung trat am 26.01.1950 in Kraft. Die indische Flagge wurde gehisst, während alle salutiert haben und die Nationalhymne gesungen wurde. Die Jubgs haben ein paar Tänze aufgeführt und auch wir Voluntäre haben sehr spontan und mehr schlecht als recht einen Tanz gezeigt. In einem riesigen Stadium hat N. Chandrababu Naidu, der Minister von Andhra Pradesh vor versammelten Streitkräften und Zuschauern eine Rede gehalten.

• 26. Februar: Maha Shivaratri​
Das ist ein Tag der Verehrung für Lord Shiva mit Fasten, Gebeten und Meditation. Weil an diesem Tag keine Schule ist sind wir mit den Jungs aus dem DeepaNivas mit deren Schulbus ins Vimukti (ein Projekt außerhalb) gefahren und haben dort gepicknickt und ein paar Spiele gespielt. Auf der Heimfahrt haben wir noch einen Stopp gemacht, um auf einen heiligen Berg zu wandern.


Am folgenden Tag haben wir auch einen Umzug gesehen, bei dem sich eine riesige Menschenmasse versammelt hat. An die 30 Männer haben einen Wagen gezogen, auf dem Priester und eine Shiva-Statue standen. Die Priester haben Gebete gesprochen, Lichter verteilt und Kokosnüsse geworfen.

• 14. März: Holi
Im März haben wir Holi, das Frühlingsfest und das Fest der Farben, gefeiert. Im Shelter haben wir mit den Jungs eine Farb- und Wasserschlacht veranstaltet und auch am Nachmittag durfte das gegenseitige Bewerfen mit bunten Farben nicht fehlen. Holi wird besonders für die Kinder gefeiert und ist mittlerweile weltweit berühmt geworden.

• 30. März: Ugadi
Ugadi ist das Telugu-Neujahr und wird mit bestimmten Speisen und mit der Familie gefeiert. Häuser werden geputzt und es ist üblich, am Morgen des Tages ein Ölbad zu nehmen.

• 6. April: Sri Rama
Das ist der Geburtstag von Lord Rama (Gott der Gerechtigkeit), der mit Tempelbesuchen und Opfergaben gefeiert wird.

• 14. April: Dr. B.R. Ambedkar
Das ist ein Tag zu Ehren von Dr. Ambedkar, der ein bedeutender Sozialreformer war und die indische Verfassung geschrieben hat.

• 15. August: Independence Day (Unabhängigkeitstag)​
Hier wird die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien im Jahr 1947 gefeiert. Auch hier gibt es wieder eine Flaggenzeremonie und Reden.

• 16. August: Sri Krishna Janmashtami
An diesem Tag wird der Geburtstag von Lord Krishna (Gott der Liebe und Weisheit) gefeiert, oft mit Tänzen, Gesängen und Theateraufführungen

Zum Schluss möchte ich noch von einem Highlight der letzten Wochen berichten: Wir wurden auf eine hinduistische Hochzeit eingeladen. Wie viele von euch sicher schon wissen, feiern Hindus über mehrere Tage hin bis zu Wochen (je nachdem wie lang das Budget reicht) ihre Hochzeiten. Bei arrangierten Ehen, was heutzutage doch immernoch sehr häufig vorkommt, gibt es dann ein Gespräch, bei denen die Familien Mann und Frau einander vorstellen. Nach 3-4 Stunden wird dann entschieden, ob beide heiraten werden. Dabei spielt auch der soziale Status, also die Kaste der beiden Familien, noch eine große Rolle. Denn obwohl die unterste Kaste der Unberührbaren aufgelöst wurde und Diskriminierung aufgrund der Kaste strafbar ist, ist das Kastensystem trotzdem noch in den Köpfen der Menschen verankert. Bei unserer Hochzeit handelte es sich allerdings um eine Heirat aus Liebe, wie uns das Brautpaar erklärt hat. Beide arbeiten momentan in der UK und sind nur für die Hochzeit nach Indien zurückgekommen, weshalb sie super Englisch konnten. Obwohl wir nur ein kurzes Gespräch mit ihnen hatten und sie überhaupt nicht kannten, wurden wir sofort auf die Hochzeit eingeladen. Vor den offiziellen Hochzeitstagen verbringt die Großmutter einen Tag mit der Tochter und kleidet sie mit schönem Schmuck, Mehendi (Henna) und Kleidern ein. Zusammen wird Kurkuma gemahlen, der am darauffolgenden Tag verwendet wird. Da feiert das Brautpaar dann mit engsten Freunden und Familie die Verlobung. Am Vormittag gibt es einige Rituale mit geweihten Wasser und Rauch und das Kurkuma-Pulver wird über das Brautpaar geworfen. Am Abend (wo wir dann auch dabei waren) gibt es ein umfangreiches Abendessen, ein Hochzeitskuchen wird angeschnitten (das Brautpaar füttert sich mit Kuchenstücken) und unter viel Feuerwerk, Nebelmaschine, Schaum und Farbpulver (an Geld wurde bei dieser Hochzeit definitiv nicht gespart) werden die Hochzeitsringe ausgetauscht. Das wird heutzutage immer öfter gemacht, traditionell indisch ist es aber nicht. Verheiratete erkannt man normalerweise an einer großen Kette um den Hals und Frauen tragen meistens zwei Ringe an den Zehen. An dem Abend wurde auf einer großen Bühne viel getanzt und auch wir haben das Fliegerlied aufgeführt, weil es irgendwie einfach keine deutschen Lieder zum Tanzen gibt, und haben das auch dem Brautpaar beigebracht (kam sehr gut an).

Zwei Tage später war dann die offizielle Hochzeit mit über 2000 Gästen. Am Tag davor haben wir verzweifelt noch etwas zum Anziehen gekauft. Für uns waren die Kleider unglaublich extravagant, im Vergleich zu den anderen Gästen waren wir aber eher, vor allem was Schmuck und Haarfrisur angeht, schlicht angezogen. Braut und Bräutigam sind einzeln vorgefahren und wurden von filmenden Kameras auf die Bühne begleitet. Die ganze Hochzeit wurde auf Leinwände live übertragen, damit auch alle sehen können, was auf der Bühne vorgeht. Es gab eine Band und ein riesiges Buffet mit Vorspeisen, verschiedensten Curries (bei hinduistischen Hochzeiten ist alles vegetarisch) und Süßspeisen und Eis. Die Hochzeitszeremonie beginnt um Mitternacht. Daran nimmt üblicherweise auch nur der engste Kreis teil, alle anderen Gäste kommen zum Essen, überreichen Geschenke und spenden ihren Segen, indem eine Mischung aus Reis und Blumen über die Köpfe des Brautpaars gegeben wird. Die Zeit bis Mitternacht wurde wieder mit Tanzen und mit einem traditionellen Stocktanz überbrückt. Die Zeremonie an sich war unglaublich lang (bis um 3 Uhr in der Nacht) und ich habe nicht wirklich verstanden, was da vor sich geht, aber es war sehr interessant anzusehen. Zwei Priester waren auf dem Podest und haben mit Gesängen und verschiedenen Blättern und Wassern eine Art Trank gebraut, die Eltern der Braut haben die Füße des Bräutigams gewaschen, eine heilige Kokusnuss und ein Kürbis wurden hochgehoben und am Ende hat sich das Ehepaar ganz viel Reis und bunte Kugeln über den Kopf geschüttet. Sah auf jeden Fall sehr interessant aus. Im Laufe des Abends haben sich beide drei mal umgezogen mit neuem Schmuck und allem drum und dran. Kein Wunder das die Hochzeit also an die 150 000€ gekostet hat.

Komplett abgeschlossen ist die Hochzeit nach 20 Tagen. Dann brechen Braut und Bräutigam gemeinsam mit der engsten Familie (und halt wieder mit uns) das Fasten mit einem großen Mittagessen, bei dem es Fisch, Hähnchen- und Lammfleisch sowie verschiedene Süßspeisen gibt.