Und schon wieder ist ein weiterer Monat vergangen. Mittlerweile arbeite ich fest in drei Projekten und möchte euch jetzt meinen Tagesablauf vorstellen:

Montags bis freitags arbeite ich am Vormittag mit meinem Mitvoluntär Lukas und teilweise auch mit Barbara im Open Shelter (für alle, die sich nicht mehr erinnern können, das ist die erste Anlaufstelle für Straßenkinder). Dort unterrichten wir täglich je eine Stunde Englisch und Mathe und verbringen die restliche Zeit damit, mit den Kindern zu spielen und zu tanzen, was die Jungs wirklich sehr gerne machen.

Nach dem Mittagessen haben wir eine kurze Mittagspause und fahren anschließend mit unseren Fahrrädern zu der etwa 40 Minuten entfernten Tadepalli Community. Dort haben wir beim Bau des Schulzeltes mitgeholfen und unterstützen nun die Lehrerin der Bidge school. Wir versuchen, den Kindern Buchstabieren, Lesen und Schreiben beizubringen und lernen mit ihnen ebenfalls die Zahlen und einfache Matheaufgaben. Die Bridge school besteht dabei einfach aus einer Plane, die wir vor oder im Schulzelt am Boden ausbreiten und es kommen je nach Tag auch immer unterschiedlich viele Kinder, die nicht in die Schule gehen können oder auch einfach nicht mehr in die Schule gehen wollen. Ziel ist es dabei natürlich, dass langfristig alle Kinder in die Schule gehen. Die Bridge school ist theoretisch also eigentlich nur eine Übergangsmöglichkeit. Auch in der Community tanzen, malen und spielen wir mit den Kindern, was ihnen besonders gut gefällt.

Am Sonntag gehen wir dann ins Chiguru (das Jungen- und Mädcheninternat) und betreuen und spielen dort mit den Kindern nach dem gemeinsamen Mittagessen. Nur sonntags ist in Indien nämlich keine Schule.

Samstags haben wir frei und nutzen diesen Tag zum Entspannen und für Ausflüge. An einem Samstag sind wir ganz früh aufgestanden und mit dem Zug etwa 1,5 Stunden nach Bapatla ans Meer gefahren. In Indien gehen alle Menschen mit Klamotten ins Wasser, was anfangs doch recht gewöhnungsbedürftig war. Man darf eigentlich auch nur knietief ins Wasser gehen, weil viele Inder nicht schwimmen können. Trotz dem schattenspendenden Unterschlupf, den Engjell für uns gebaut hat und der zwischenzeitig von einer am Strand herumlaufenden Kuh zerstört wurde, haben wir uns bei den 35/36° alle einen ordentlichen Sonnenbrand im Gesicht eingefangen.

An einem anderen Samstag sind wir mit den Rädern zu den Undavalli Caves gefahren. Das ist ein alter, zerfallener Tempel am Berghang, wo es nur so von Affen wimmelt.

In Vijayawada gibt es auch den berühmten Sri Kanaka Durga Tempel, den wir ebenfalls besichtigt haben. Bevor man den Berg zum Tempel hochläuft, muss man seine Schuhe ausziehen und sein Handy abgeben. Von oben hat man dann eine wunderbare Aussicht auf Vijayawada und den großen Fluss Krishna, das Wahrzeichen von Vijayawada. Während dem Warten bis wir in den Tempel hinein durften, haben wir uns mit einer Familie angefreundet, die uns am nächsten Tag zum Mittagessen eingeladen hat. In Indien ist es üblich, dass die Gäste vor den Gastgebern essen und bewirtet werden. Im Allgemeinen ist die Gastfreundschaft in Indien sehr groß. Aber auch untereinander sind Freundlichkeit und gegenseitige Hilfe und Unterstützung ein ungeschriebenes Gesetz. Das wird vor allem im Alltag deutlich. Sobald man ein bisschen verloren in der Gegend herum steht, kommt jemand und fragt, ob man Hilfe benötigt oder Weganweisungen braucht. Auch für die Familie war es sehr wichtig, zu betonen, dass Indien eben so viel mehr ist als nur die Stereotype Müll, Lärm und Menschenmassen.

Unsere freie Zeit verbringen wir sonst damit, durch die Besant Road (eine Straße mit viel Schmuck- und Klamottengeschäften) zu schlendern und wir machen fast täglich einen Spaziergang zu einem Chai- oder Milchshakeladen. Oft essen wir abends auch in unserem Lieblingsladen, wo es das beste Streetfood gibt. An einem Abend haben wir auch mal für die Father europäisch gekocht und beschlossen, dass jetzt jeden Monat zu tun.

Zum Schluss möchte ich noch von zwei Highlights der letzten Tage erzählen. Als ein Vertreter aus Rom in Vijayawada zu Besuch war (davor haben wir alle das ganze Haupthaus von oben bis unten geputzt), haben Barbara und ich die Gelegenheit genutzt und unseren ersten Sarie gekauft. Eine Mitarbeiterin hat uns netterweise begleitet und beim Kauf beraten. Sie hat uns auch zu einer Schneiderin gebracht, die unsere Maße abgenommen hat, um uns eine Bluse und einen Rock zu schneidern (was man zusätzlich zum Sarietuch benötigt). Im Chiguru gab es dann eine Festveranstaltung, bei der alle Kinder Tänze aufgeführt haben und auch wir Voluntäre hatten einen indischen Tanz einstudiert.

Am 31. Oktober war Diwali, das Lichterfest, bei dem der Sieg des Guten über das Böse gefeiert wird. Wir durften im Open Shelter Diwali mitfeiern. Ein kleiner Altar wurde aufgebaut für die Göttin Lakshmi und es wurden Bananen und Kokosnüsse als Opfergaben dargelegt und Räucherstäbchen angezündet. Jedes Kind hat schließlich von den Sponsoren des Abends eine Wunderkerze bekommen und die Jungs durften auch ein bisschen Feuerwerke anzünden, wovon sie auch noch die darauffolgenden Tage geschwärmt haben. An diesem Abend konnte man sich kaum vor die Tür trauen, weil vor jedem Hauseingang an der Straße wie verrückt geböllert wurde.

So, das wars jetzt fürs Erste, bis zum nächsten Blogeintrag!

Lg Anne