Es fällt uns schwer die richtigen Worte zu finden, um zu beschreiben, was die letzten Wochen in uns vorging. Eine kleine Mitteilung am Essenstisch hat uns aus unserer Vorfreude, dass bald unsere Hosteljungs aus ihren Sommerferien zurückkommen, herrausgerissen und uns zurück auf den Boden der Tatsachen geholt, dass unser Zuhause (Vembu) eben nicht wie eine Blase aus Friede, Freude, Eierkuchen ist und es auch hier Probleme gibt, die wir nicht zu lösen vermögen. Es entstand ein Gefühl von Machtlosigkeit, das uns überrollt hat wie ein Tsunami eine idyllische Küstenregion.

Was ist passiert?
Keine Sorge, es geht uns gut und wir sind wohl auf und lieben, wie hier beschrieben, alle Leute, unser Projekt und auch das Land nach wie vor über alles. Jedoch mussten wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung unser geliebtes Hostel vorläufig geschlossen wurde.

Waschstelle unter freiem Himmel - es ist ja sowieso immer warm

Waschstelle unter freiem Himmel – es ist ja sowieso immer warm

Laut dieser Änderung muss für jeden einzelnen Hosteljungen eine vorgeschriebene Fläche und Toilettenmöglichkeit gewährleistet werden. Da Vembu ein eher kleines Hostel mit weniger Platz ist, kann es diese Vorlagen momentan nicht erfüllen.
(Die Jungs haben im gleichen Raum auf dem Boden geschlafen, in dem sie auch tagsüber gelernt haben und sich unter freiem Himmel gewaschen)

Und so blieb uns nichts anderes übrig als zu zuschauen, wie die Brothers nacheinander die einzelnen Jungs informiert haben, dass sie nach den Ferien nicht mehr hier her kommen können. Und ja nicht nur bei uns hat das dicke Tränen und traurige Gesichter hervorgerufen…

Bisherige Toiletten, die erneuert werden müssen und beim Umbau soll hier ein Stockwerk aufgesetzt werden

Bisherige Toiletten, die erneuert werden müssen und beim Umbau soll hier ein Stockwerk aufgesetzt werden

Einige der Jungs werden in andere Don Bosco Hostels kommen und viele haben ja dieses Jahr sowieso die 12. Klasse abgeschlossen und damit das Hostel verlassen. Außerdem hat uns unser Father versprochen, dass er für jeden einzelnen etwas Neues sucht. Trotzdem ist es für uns unglaublich hart.

Es ist schwierig zu beschreiben, was in uns vorgeht, aber ja es fühlt sich an, als hätte man uns kurzerhand unsere kleinen Brüder weggenommen, für die wir jeden Tag versucht haben, ihr Leben hier im Hostel bestmöglichst zu gestalten und immer für sie da zu sein.

 

Unsere geliebten Hostel-Jungs, Brothers und Fathers

Unsere geliebten Hostel-Jungs, Brothers und Fathers, die gehen mussten…

 

Das klingt jetzt alles ziemlich traurig, aber dank unserem in Indien erworbenem Optimismus haben wir es geschafft, auch in dieser schlechten Nachricht etwas Positives zu finden. Es ist offensichtlich, das die Umsetzung der Gesetzesänderung erstmal den ganzen kleinen Hostels (im District hier sind rund 30 Einrichtungen betroffen) schadet und somit wertvolle Arbeit, die für Kinder und Jugendliche geleistet wird, massiv erschwert. Aber es muss auch gesehen werden, dass diese Gesetzesänderung ein wichtiger Entwicklungsschritt ist. Es ist ein Schritt in die Zukunft, der eben gegangen werden muss, um langfristig den Jungs ein Zuhause bieten zu können, in dem sie unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen können. Es war nie so, dass es den Jungs hier an irgendetwas akut gefehlt hätte, aber es ist wichtig, dass hier gewisse Renovierungen vollzogen werden, um den Jungs alles zu geben, was ihnen rechtmäßig zusteht.

Die ursprüngliche Dachterrasse auf die ein weiteres Stockwerk aufgesetzt werden soll, was genügend Platz für die Jungs schafft

Die ursprüngliche Dachterrasse, auf die ein weiteres Stockwerk aufgesetzt werden soll, um genügend Platz für die Jungs zu schaffen

Unser Problem ist jetzt nur, dass wir so gern sofort anfangen würden, dem Projekt beim Umbau zu helfen, um den Jungs schnellstmöglich ihr Zuhause zurückzugeben und das zu tun, weswegen wir diesen Freiwilligendienst angetreten haben: Gutes zu tun und das Leben der Menschen, die nicht so viel haben wie wir, positiv zu beeinflussen und kleine Veränderungen in der Welt zu bewirken. Aber genau deswegen fühlen wir uns so machtlos, denn hier ist momentan nicht genügend Geld für den Umbau vorhanden und erst wenn die Finanzierung zu einem Teil gesichert ist, angefangen werden kann.

Wie sagt man so schön: „It is all about the money!“ Traurig aber wahr.

Ja, wir haben uns am Anfang machtlos gefühlt und manchmal überkommt es uns auch immer noch, aber es ist auch in Hoffnung umgeschlagen. Wir lassen uns davon nicht unser Zuhause und das Zuhause der Jungs kaputt machen, sondern sehen es als Chance, daraus das Beste zu machen. Das Beste für unser kleinen Brüder, für die nächste Generation Hostel-Jungs, für die Community hier und auch für die nächsten Volontäre.

Ein riesen Dankeschön deshalb an alle, die bereits (oder genau deswegen) einen kleinen Teil ihres Geldes, das sie auch für Unterhaltung, Klamotten, Urlaub oder ähnliches hätten ausgeben können, hierher gespendet haben oder das jetzt tun. Jeder Euro hat hier einen unglaublichen Wert und nichts ist verschwendet. Egal, welchen noch so kleine Betrag ihr aufwenden könnt, er hilft uns die Machtlosigkeit zu überwinden und den Jungs ihr Zuhause zurückzugeben. Außer den bereits umgesetzten Spendenaktionen (Weihnachtsgeschenke, Tour, etc.) werden wir das übrige Geld und alles was darüber hinaus noch hinzukommt zu 100% in Umbau des Hostels investieren, damit gesichert werden kann, dass hier in Vembu nächsten Juni wieder unsere und viele neue Jungs ein Zuhause finden. (Hier könnt ihr spenden.)

Falls ihr noch Ideen habt, was wir im Moment tun können, lasst es uns wissen. Wenn ihr noch andere Menschen kennt, die uns unterstützen könnten, dann würden wir uns natürlich freuen, wenn ihr diesen Artikel teilt und es weitersagt!

Was machen wir jetzt ohne Hostel?
Das Projekt hier bietet noch viele weitere Zweige und Möglichkeiten sich einzubringen, von denen das Hostel nur ein kleiner Teil war… Wir werden weiterhin an der Schule für ehemalige Kinderarbeiter unterrichten und mehr in den Evening Study Centers (eine Art Hausaufgabenbetreuung für die örtlichen Kinder und Jugendlichen) eingesetzt werden und an den Youth-Meetings, Buchclub-Treffen usw. teilnehmen. Trotz dem Verlust unserer Hostel-Jungs versuchen wir natürlich bestmöglich für die Kinder und Jugendlichen, die täglich hier her kommen da zu sein und jede Sekunde, der verbleibenden 70 Tage zu nutzen 🙂

Und natürlich setzen wir uns gerade mit allen Kräften dafür ein, Spenden für die Renovierung zu sammeln. Denn nach einem Umbau wäre es möglich, dass schon nächstes Jahr unsere Jungs zurückkehren können und auch viele andere Jungen aus ärmeren Verhältnissen hier ein Zuhause finden könnten, um in Vilathikulam eine Schule zu besuchen und in ihrer Erziehung unterstützt zu werden.
Das liegt uns einfach so sehr am Herzen!

Viele Grüße wünschen Anna und Lydia aus Vilathikulam