Fidiralala Fidiralala…

Tatsächlich ist es Anfang des Dezembers passiert. Sie haben Ja gesagt! Und ich war dabei! Am vorletzten Wochenende wurden eine italienische Mitvolontärin und ich  zu unserer ersten kambodschanischen Hochzeit eingeladen. Brother Roberto lud uns um unchristliche 6 Uhr morgens ins Auto ein und wir schafften es dank seines italienischen Fahrstils in 3,5 h nach Phnom Penh. Ein bisschen Hauptstadtluft zu schnuppern tat gut. Trotzdem war mir nicht ganz wohl bei der Sache, weil ich wusste, dass ich mich am späten Nachmittag temporär in eine Art Prinzessin verwandeln würde.
So eine Hochzeit braucht natürlich ihre Vorbereitung. Auf den Straßen sieht man an jedem Wochenende festlich geschmückte Zelte, die nicht nur mit Stoff, sondern auch extraordinär lauten Lautsprechern ausstaffiert werden. Vor allem brauchten wir Mädels jedoch eins: Kleider! Insofern hieß es dann, packen wir das Grauen an und ziehen auf den Markt. Lucia und ich hatten glücklicherweise eine kambodschanische Hilfe dabei. So wurden die Schneiderinnen schon darauf vorbereitet, dass zwei ‚fat girls‘ kommen, die ein bisschen mehr auf den Hüften tragen als die traditionellen Kleidträger. Trotzdem mussten unsere Kleider noch ein zweites Mal geändert werden. Naja klar.

$ 7.50 - Nehmer!

$ 7.50 – Nehmer!

Nachdem wir dann einige Menschen auf der Straße befragt hatte, wo die ominöse Party steigen sollte,  kamen wir schlussendlich am gefühlten Ende Phnom Penhs an. Somit ging das Abenteuer los. Es bedeutete vor allem: beweg dich nicht zu viel, iss drei Reiskrümel und trink nur ein Schlücken. Ja, das Kleid war eng.

Am Eingang des Hochzeitszeltes wird jeder Gast von Braut und Bräutigam und der Familie begrüßt und mit einem Plastik-Giveaway beschenkt. Wer genau das Brautpaar war, musste ich auch erst erfragen. Es war nicht ganz offensichtlich, weil sich vor allem alle Mädels extrem schick für eine Hochzeit machen und für meinen Geschmack fast jeder die Braut sein könnte. Khmer Style ist dann nicht nur die Musik, sondern auch, dass die Vermählten mehr als sechs, sieben Mal ihre gesamten Klamotten wechseln. Hast du einmal die wichtigen Personen identifiziert, wechselt der Anzug schwups die Farbe von neon-glitzer-grün zu strahlend weiß.

Als wir unsere Plätze an einem Tisch gefunden hatten, klärte sich auf, dass wir zu essen beginnen, sobald alle Stühle besetzt sind. War eine Schüssel oder ein Süppchen geleert, kam auch schon ein Kellner angeschlichen und tischte die nächste Köstlichkeit auf.

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Zur zeitlichen Orientierung: wir kamen ca. 17.30 bei der Hochzeit an, 18 Uhr begann das Essen, 19.30 Aufbruch nach Hause.

Lucia und ich waren uns einig, dass wir in Europa heiraten werden. Trotzdem war der Tag eine sehr interessante Erfahrung und hat uns viel Spaß gemacht.

Nach diesem bunten Wochenende konnte ich mir zwar immer noch nicht vorstellen, dass Advent ist, es aber auch nicht wirklich leugnen. Wenn mein Wecker klingelt und ich noch dem letzten Traumfetzen nachhänge, schallt über das Schulgelände schon ‚Stille Nacht‘ oder ‚Jingle Bells‘. Nach dem Unterricht ist täglich die Krippenspielprobe in der Kirche und auch mit meinen Schülern übe ich fleißig ein paar Liedchen. Statt Plätzchen und Glühweinduft essen wir stets Reis.

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…und natürlich Geburtstagscremetorte! An drei aufeinanderfolgenden Tagen so ein Ding zu verzehren, dazu gehört schon Mut. Für die Mädels ist vor allem eins wichtig: dass ich meine Kamera dabei habe. Und dann kann keiner genug kriegen von: ‚Freestyle, Teachaa, Freestyle!‘

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So viele von euch fragen mich, wie ich den Advent in Kambodscha erlebe. Im Grunde genommen ist die Antwort ganz einfach: wenn ich das Schulgelände verlasse, gibt es ihn nicht mehr. In einigen westlichen Schaufenstern stehen Plastikweihnachtsbäume und auch unser Don Bosco Hotel ist mit Kitsch gut ausgestattet. So eine Christbaumkugel in einer Pagode oder am Strand, das passt auch nicht so recht. Insofern erlebe ich den Advent so ähnlich, wie ehemalige Volontäre ihn beschrieben haben. Weihnachten für ein Jahr überspringen klingt nach einem Plan. Nicht ganz easy, wenn man gerade aus Deutschland tausend Rituale und Bräuche kennt, aber die Schüler machen es möglich. In diesen Tagen merke ich, wie vertraut ich mit den Mädels erzählen kann, sie mich um Hilfe bitten oder einfach ‚Thank you for your love‘ an die Tafel pinseln.

Hier ein paar Eindrücke aus dem Arend de Ru und dem Anfang meiner Upcycling-Karriere:

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Ein unfertiger Geburtstagskalender für alle Mädels!

Ein unfertiger Geburtstagskalender für alle Mädels!

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Ein Sonntag am Strand

Ein Sonntag am Strand

 

Zum Nikolaustag habe ich meinen ersten Good Night Talk gehalten, so etwas wie das Abendgebet für die Schüler. Sogar die Salesianer kannten den Festtag nicht so richtig. Umso spannender war es, allen von geputzten Schuhen, Orangen, Nüssen und Süßigkeiten zu berichten. Beim Gute-Nacht-Sagen hörte ich eine Schülerin sagen: ‚Teacha, don’t forget to clean your shoes!‘

 

Achso – falls es euch mal wieder schlecht geht, zu viele graue Wolken am Himmel schweben oder der Scheibenwischer eingefroren ist: denkt daran, dass Advent und Weihnachten in Europa einmalig sind und fühlt euch besser.

Einen wunderschönen 4. Advent wünsche ich euch, dazu natürlich eine Brise Schnee über die Festtage. Schnee muss ich hier meinen Schülern erklären. Was das genau ist, ob man ihn essen kann oder ob der besagte Feinstaub gefährlich ist. Wenn ich dann einen langen Tag beendet habe, setze ich mich vor das Internat und schlürfe eine Kokosnuss.

Chum reap lia – eure Jule!

 

I just wanna have Plätzchen!

I just wanna have Plätzchen!